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Rezension ‘Die gekaufte Stadt? Der Fall Marburg: Auf dem Weg zur »Pohl-City«?’

Cover Die gekaufte StadtMarburg 25.02.2016 (red) “Die gekaufte Stadt?“ ist der Titel des hier zu besprechenden Buches. Ein plakativer Titel. Mit Fragezeichen. Der Untertitel präzisiert worum, um welche Stadt und um welchen Akteur (Käufer) es geht: “Der Fall Marburg: Auf dem Weg zur >>Pohl-City<<?“ Auch hier wieder ein Fragezeichen am Ende. Mithin plakativ und provozierend, mit zwei Fragezeichen auf dem Buchumschlag relativierend, ist im VSA-Verlag 2016 dieses Buch als eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung erschienen. Die vier Herausgeber Sebastian Chwala, Frank Deppe, Rainer Rilling und Jan Schalauske sind Marburger. 13 Autoren sind vor zwei Jahren zu Werke geschritten, darunter Frank Deppe, em. Professor für Politikwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg, als Autor eines grundlegenden Beitrages “Der >>Homo politicus<<. Prof. Dr. jur. h.c.mult. Reinfried Pohl (1928 – 2014)“. Im Zentrum der Betrachtungen steht denn die Person Dr. Reinfried Pohl, als Gründer der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG), die in den letzten 10 bis 15 Jahren in Marburg zunehmend in Erscheinung getreten ist. Dr. Reinfried Pohl hat es in wenigen Jahrzehnten mit der DVAG, gegründet 1975, zu einem Milliardenvermögen gebracht. Indem die Holding seines verschachtelten Allfinanzkonzerns von Frankfurt nach Marburg verlegt und dort in Bahnhofsnähe ein Kongresszentrum und das Verwaltungsgebäude der Holding errichtet wurde, ist spätestes eine unübersehbare bauliche Präsenz und Konzernrepräsentation entstanden. Mit dem Namen von Dr. Pohl verbindet sich ein gewichtiger Gewerbesteuerzahler für die Stadt Marburg und ein umfangreiches Mäzenatentum in der Stadt insbesondere zu Gunsten der Philipps-Universität.

Problematisch wurde es, als zum Jahreswende 2011/2012 schließlich bekannt wurde, dass die Stadt Marburg Empfängerin einer Spende von vier Millionen Euro war. Zunächst mit anonymen Spender, wurde dann im Januar 2012 öffentlich, dass der Spender Dr. Reinfried Pohl damit einen Schrägaufzug zum Marburger Landgrafenschloss finanzieren wollte. Profitieren davon würde der Betrieb des direkt unterhalb gelegenen Bückingsgarten, dessen Restaurant- und Biergartenbetrieb zuvor die Vila Vita Gastronomie und Handelsgesellschaft mbH Marburg, eine Tochtergesellschaft des Pohl-Imperiums, übernommen hatte. In Marburg sind also Millionen gespendet worden, verbunden damit wurde vom Spender der Wunsch zum Bau eines Schlossaufzugs. Das führte zu einem Koalitionskrach zwischen Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) und den GRÜNEN als Koalitionspartner, die erst sehr spät über das Spendengeschehen informiert wurden. Diesen auch in überörtlichen Medien thematisierten Konflikt – die TAZ titelte “Ein Mann kauft eine Stadt“ – bezeichnen die Herausgeber als Initiale für ihr Buchprojekt, zu dessen Umsetzung auch Autoren von außerhalb gewonnen werden konnten. Im Volksmund finden sich “Pohlhausen“ oder „Pohl-City“ zur Beschreibung des bahnhofsnahen Stadtquartiers, in dem die Familie Pohl ein Fünfsterne-Hotel, Restaurants, Café, das Kongresszentrum und die DVAG Holding Marburg betreiben und zuletzt eine “Fachhochschule für Wirtschaft“ im früheren Hotel Waldecker Hof zur akademischen Schulung der über 30.000 für die DVAG freiberuflich tätigen Vermögensberater eingehaust haben.

Cover Die gekaufte StadtSomit thematisiert das neue erschienene Buch “Die gekaufte Stadt?“ ein gewichtiges Marburger Phänomen und Thema in zahlreichen Beiträgen auf 270 Seiten. Einige Beiträge bringen zusätzlich Gesamtbetrachtungen über die Entwicklung zum großen Geld und wachsender Verarmung öffentlicher Kassen und nach vielen Millionen zählenden in Armut lebenden Deutschen. Dieses ambitionierte Unterfangen lässt sich als über weite Strecken gelungen bezeichnen. „Die Fragezeichen im Buchtitel sind nicht aufgehoben“ sagte Herausgeber und Autor Frank Deppe bei der Buchvorstellung am 24. Februar. Man habe bei dem Projekt keinen investigativen Journalismus betreiben wollen, so Deppe weiter. Dafür hätten sowohl die Mittel und Möglichkeiten gefehlt, wie auch das Interesse daran. So wolle und solle dieses Buch auch nicht anklagen, schon gar nicht die Person von Dr. Reinfried Pohl diffamieren oder herabsetzen. Marburg ist nach Worten von Mitherausgeber Deppe auch beispielhaft zu betrachten. Er benannte u.a. Heilbronn, wo die Familie Schwarz (Lidl, Kaufland) in ähnlicher Weise engagiert sei.

Der Politologe und Journalist Jürgen Nordmann, Wien, entfaltet in seinem Beitrag “Anerkennung für Geld, Geld gegen Anerkennung, Reinfried Pohl und die Stadt Marburg“ ein facettenreiches Porträt des Marburger Mäzenaten. Nordmann beschreibt ausführlich den Werdegang von Reinfried Pohl, der in Marburg Jura studierte, promovierte und mit Anneliese, geborene Klingelhöfer, seine Familie mit zwei Söhnen gründete. Erst in den letzten 15 Jahren seines Lebens vertiefte der DVAG-Gründer seine Aktivitäten in Marburg wieder, wobei ein ausgeprägtes Streben nach öffentlicher Anerkennung Pohl mit Marburg verknüpfte, wie Nordmann darstellt und herauszuarbeiten versteht. “…kam Pohl wie der weiße Ritter daher. Zumindest ab 2006, dem Jahr seiner Ehrenbürgerschaft. Er, der Ehrenbürger, der der Stadt hilft, ihre Probleme zu lösen. Und wie waren die Probleme anders zu lösen als durch Geld. Man muss ihm durchaus glauben, dass er eine besondere Verbindung zu Marburg hatte… Aschenputtel hat seinen Prinzen gefunden, auch wenn da eher das Geld zählte als andere Äußerlichkeiten.“ (Seite 31).

Es werden die beruflichen Stationen beschrieben bis zur Hinwendung zu Marburg, wo sich Pohl mit mehreren Stiftungen unter seinem Namen und dem Namen seiner an Krebs verstorbenen Frau, eingebracht hat. Davon profitieren die Philipps-Universität, die Rechtswissenschaften und die Medizin mit Beträgen in Millionenhöhe. Als eine der zahlreichen Ehrungen wurde Dr. Pohl zum Ehrensenator der Universität ernannt. Zahlreiche Vereine, Schulen und andere wurden von ihm bedacht. In baulicher Verbindung mit dem Kongress-Zentrum hat der Stifter ein ‚Museum‘ einrichten lassen. Nordmann beschreibt seine Eindrücke. “Der Besucher wird an jeder Tafel mit Höchstleistungen bombardiert. Dazwischen einfache Ratschläge und Faustregeln des Meisters. Allfinanz wird mit gesundem Menschenverstand und Sekundärtugenden gleichgesetzt… Die Deutsche Vermögensberatung sorgt für Eigentum und Sicherheit des Mittelschichtbürgers. Wer fleißig arbeitet, braucht einen Hausarzt für Vermögen, einen Doktor. Und der Doktor, das ist Reinfried Pohl… Reinfried Pohl ist in der Ausstellung eine Person ohne jeden Makel. Er ist genial, bescheiden, moralisch integer, gut, besser, leistungsstark und vor allem erfolgreich.

Leser/in kann sich ein Bild machen, zur Überprüfung laden ein die museale Ausstellung, Veröffentlichungen und die baulichen Niederlassungen und Unternehmungen selbst. Anerkennung und Geld sind die treffend gewählten Stichworte Nordmanns und offenbaren die Leitmotive des Marburger Mäzens. Wobei dieser erst ‚Geld gemacht‘ hat, um dann schließlich in seiner Stadt Marburg nach Anerkennung zu streben.

Cover Die gekaufte StadtFrank Deppes Beitrag “Der >>Homo politicus<<. Prof. Dr. jur. Dr. h.c. mult. Reinfried Pohl (1928 – 2014)“ leistet eine ähnlich grundständige Betrachtung, in der das ungewöhnliche politische Wirken des Unternehmers samt der weitgehenden Einbeziehung zahlreicher Spitzenpolitiker mit Posten und Positionen in das DVAG-Firmenkonglomerat, bevorzugt solche mit CDU-Zugehörigkeit, sich beschrieben und erläutert findet. Mit Altbundeskanzler Helmut Kohl an der Spitze, unterhielt Dr. Reinfried Pohl intensive Beziehungen zu einer großen Zahl verantwortlicher Politiker. Nach seiner Zeit als Kanzleramtsminister von Helmut Kohl 1991 – 1998 wurde der Marburger Rechtsanwalt, vorherige MdL und MdB und langjährige Kreisvorsitzender der CDU, Friedrich Bohl zunächst Vorstandsmitglied, dann Vorsitzender des Aufsichtsrats der DVAG. Es gab und gibt zu der persönlichen Freundschaft zwischen Helmut Kohl und Reinfried Pohl also in Persond von friedrich Bohl einen Marburger ‘Mittelsmann‘.
1948 nach Marburg gekommen, begann Pohl das Jurastudium und wurde Chef der Liberalen Hochschulgruppe. Von 1954 bis 1962 war er Stadtverordneter in Marburg für die FDP, die er 1969 als Dissident gegen die neue Ostpolitik Walter Scheels mit anderen verlies, um anschließend Mitglied der CDU zu werden. Deppe beschreibt ausführlich die politische Vita und ein umfangreiches Netzwerken des aufstrebenden Marburger Juristen, dem dann seine Promotion als seriöse Reputation bei Aufnahme der Tätigkeit als Leiter der Geschäftsstelle des Gerling-Konzerns Marburg/Gießen bevorteilte.

Auf der Bahn seines beruflichen Aufstiegs entfernt er sich von der Wissenschaft und Politik in der Universitätsstadt, in der er seine Frau Anneliese Klingelhöfer kennenlernt und in der er bis zu seinem Tod leben wird. Gleichwohl bleibt er jenen Milieus, Denkweisen und auch jenen einflussreichen Personen verbunden, die seine Weltanschauung und sein politisches Engagement bestimmt hatten. Deren Profil lässt sich durch die Adjektive nationalkonservativ, wirtschaftsliberal, patriarchalisch, pragmatisch, antisozialistisch/antikommunistisch charakterisieren.“ In Auswertung der drei biografischen Bücher über Pohl aus der Feder des konservativen Publizisten Hugo Müller-Vogg zeichnet Deppe ein sorgfältiges Bild der Person von deren Wirken. Dies mündet(e) schließlich ein in die ‚Indienststellung’ zahlreicher CDU-Repräsentanten in die Gremien der DVAG, wie sich dies bei keinem anderem führenden Großunternehmen in Deutschland in vergleichbarer Weise findet. ‚Politische Landschaftspflege‘ findet sich in dieser Vita in ausgeprägtem Maße und korrespondiert mit ausgeprägtem Nutzen, den die Entwicklung der DVAG und des Milliardenvermögens der Gründerfamilie mit sich brachte. Der Fall der DDR und die ‘Wiedervereinigung’ eröffneten dafür ebenso einmalige Kumulationsmöglichkeiten, wie die politisch inszenierte Regression der gesetzlichen Rentenversicherung (Teilprivatisierung) seitens der Rot-Grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, wohin Pohl und die DVAG nun gerade keine politischen Fäden geknüpft hatten, wenngleich es einige weitergehende Verbindungen zu einigen SPD-Granden, unter anderem dem Marburger Gerhard Jahn, gegeben hat.

So gelingt es Deppe ein dichtes Bild zu zeichnen und dieses den verreiteten nahezu hagiographischen Publikationen über Dr. Reinfried Pohl gegenüber zu stellen. Gestützt auf einschlägige Quellen wird der gleichermaßen in der Welt der Politik wie in der Versicherungswirtschaft begründete Aufstieg von Pohl DVAG plastisch, ohne dass irgendwelche Überzeichnungen bemüht werden. Pohls ungewöhnlicher Aufstieg, der Erfolg seines Strukturvertriebs im Allfinanzvertrieb der pyramidal konstruierten DVAG in Verbindung mit Lobbying und umsichtiger Verankerung in der politischen Klasse, wird gewürdigt. Dazu bedarf es sowieso keiner persönlichen Herabsetzung, ja sein Wirken als Spender und Mäzen wird angemessen eingeschätzt.

Christian Christen, Publizist und Wirtschaftswissenschaftler, beschreibt “Die DVAG-Erfolgsgeschichte: Ein Familienkonzern als Wohlstandsquelle“ ausführlich auf 23 Seiten, bevor der Marburger Kulturwissenschaftler Christian Schönholz kundig anschaulich berichtet: “Ein Besuch in der DVAG-Ausstellung Oder: Erfolg als unternehmerische Selbstilisierung.“ Bernd Albert und Ralf Schrader, beide vormalige Berufsschullehrer, skizzieren “Die DVAG in der Schule – Unterricht mit Dr. Pohl“ als bedenkliche Versuche der Einflussnahme im Bildungswesen mit Zielgruppe junger Menschen als kommende Kunden.

Gleich zwei Beiträge liefert der Volkswirt Nico Biver, Marburg, denen umfangreiche Daten- und Materialauswertungen zu Grunde liegen. Unter dem Titel “Gestückelt an die Spitze Die Parteispenden der DVAG“ analysiert Biver präzise das Spendenverhalten der DVAG und von Tochterunternehmen zu Gunsten der politischen Parteien. Dabei liegen CDU und erstaunlich beträchtlich die FDP weit vorne. Insgesamt 5.174.522 Euro Parteispenden listet Biver auf, 1990 beginnend und von 2003 bis 2013 (die Rechenschaftsberichte der Parteien erscheinen mit zweijährigem Zeitversatz) in jährlicher Betrachtung. Damit kommen Fakten und Zahlen in das weite Feld der politischen Landschaftspflege, für die seitens der DVAG mehr als 5 Millionen Euro offiziell gezahlt worden sind. Es sind vor allem Großspenden getätigt worden. In Marburg sind ebenfalls Zahlungen geflossen, wobei die örtliche SPD als Empfängerin in einem Fall mit Geheimniskrämerei sich in kein gutes Licht gesetzt hat.

Cover Die gekaufte Stadt“Braucht Marburg die DVAG-Millionen? Finanziell gesund dank Pharmaprofiten und Riesterrente“ lautet die zweite empirisch orientierte Ausarbeitung von Nico Biver. Knapp 16 Prozent Anteil hatten die Gewerbesteuerzahlungen der DVAG und Töchter zwischen 1999 und 2007, von 2008 bis 2012 sank der Anteil auf nur noch 5 bis 7 Prozent des Gesamtgewerbesteueraufkommens in Marburg. Von den großen Pharmaunternehmungen CSL-Behring, Novartis und Siemens sprudeln deutlich höhere Zahlungen und Anteil in die Stadtkasse. Reinfried Pohl selbst bezifferte die Zahlungen 1996 bis 2013 seitens der DVAG auf mehr als 100 Millionen Euro (und 400 Millionen an die Stadt Frankfurt als Hauptsitz des Konzerns). Durch die Verlagerung eines Firmenteils, der DVAG-Holding, nach Marburg wurden laut Biver wegen des geringeren Gewerbesteuerhebesatzes in Marburg von 1995 bis 2012 20,1 Millionen Euro Gewerbesteuer seitens der DVAG gespart.

Der Politikwissenschaftler und Publizist Georg Fülberth, Marburg, problematisiert und bewertet mit dem Titel “Warmer Regen – Landschaftspflege in Marburg“ das Spendenverhalten und Mäzenatentum von Dr. Reinfried Pohl in einer Gesamtbetrachtung, darunter der Spendenskandal von Helmut Kohl. Sein Augenmerk gilt dann der Stadt Marburg, wo er “Denkmäler vor Ort“ und “Vorauseilenden Gehorsam“ beschreibt, was er einmünden lässt in die Aussage “Wer das Geld hat, hat die Macht!“. Dr. Reinfried Pohls Vermögen wurde in einer einschlägigen Listung von Milliardären in Deutschland auf 3,1 Milliarden Euro geschätzt.

Seine subjektiven Einschätzungen unter dem bildhaften Titel “Als wäre in Marburg ein UFO gelandet“ schildert der Marburger Henning Köster-Sollwedel in einem Interview mit den Herausgebern, bevor Rainer Rilling, Soziologe und Publizist aus Marburg, seinen ausführlichen und kenntnisreichen “Besuch im Reichenland“ schildert. Er liefert die Beschreibung der Umstände und des Ausmaßes des Aufstiegs eines neuen Geldadels in Gestalt der neuen Milliardäre, zu der inzwischen auch die Familie Pohl gehört mit vielen Zahlen, auch über Deutschland hinaus. Der Beitrag schätzt ein: “Die Pohl mögen Superreiche sein, sie gehören aber zum Milliardärsfußvolk. Mehr noch, sie machen dort neuerdings überhaupt keine gute Figur: Das aktuelle >>Reichstenheft<< des Manager Magazins vom Oktober 2015 spricht von >>Durchhalteparolen<< in der Rhetorik von Andreas Pohl, dass >>die Umsätze schrumpfen und damit die Bewertung für die DVAG heute deutlich unter dem liegt, was in Spitzenzeiten dafür bezahlt worden wäre<<. Es prognostiziert, die Pohls würden es >>bereuen, dass sie nach dem Tod des Übervaters nicht Kasse gemacht und ihr Vermögen diversifiziert haben<<„. Der Lifestyle der Superreichen im Reichenland findet sich breit beschrieben. Ihnen geht es beileibe nicht um Luxus alleine. Unter anderem ist es anschaulich ist zu lesen, dass seitens der DVAG an den vormaligen Formel I-Weltmeister Michael Schumacher von der DVAG seit 1996 bis 2013 >>bis zu 21 Millionen €<< (laut BILD 29.3.2013) geflossen sein sollen.

Das Buch schließt mit zwei allgemeinen Beiträgen. Christoph Ehlscheid, Bereichsleiter Sozialpolitik beim Vorstand der IG Metall, schreibt “Raus aus der rentenpolitischen Sackgasse! Von der Privatisierung zur sozialstaatlichen Erneuerung der Alterssicherung“. Kai Eicker-Wolf, DGB Hessen, und Achim Truger, Professor für Volkswirtschaftslehre, Düsseldorf, berichten über “Kommunalfinanzen in Hessen: Weiterhin keine Lösung der Finanzprobleme in Sicht“. Damit geraten als Komplementäre des angehäuften Vermögens von Dr. Reinfried Pohl und heute seiner Söhne die beiden Bereiche des sozialen und staatlichen Systems in Sicht, deren (gewollter und steuerpolitisch herbeigeführter) Niedergang erst den Aufstieg und die geradezu ungeheure Vermögensanhäufung möglich gemacht haben.

Cover Die gekaufte StadtEin weitgehendes Buch, dessen Lektüre lohnt und das in kompaktem Umfang viele Hintergründe und Zusammenhänge offenbart und damit letztlich viele Fragen aufwirft. Weitgehend unbeantwortet bleiben – und das wissen Autoren und die Herausgeber – die wohlweislich gesetzten Fragezeichen im Buchtitel.
Es war, ist und bleibt in Marburg Anliegen und Aufgabe im politischen und gesellschaftlichen Diskurs dafür einzustehen, dass die Universitätsstadt eben nicht zu einer gekauften Stadt verkommt. Das Buch liefert dazu überzeugende Grundlagen. Hartwig Bambey

Die gekaufte Stadt?
Der Fall Marburg: Auf dem Weg zur »Pohl-City«?
Sebastian Chwala, Frank Deppe, Rainer Rilling, Jan Schalauske (Hrsg.)
Eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung
272 Seiten, VSA-Verlag 2016
Ladenpreis 16.80 EUR
ISBN 978-3-89965-683-1

—> Buchbesprechung „Dagobertshausen Ausverkauf eines Dorfes“ – Monopoly im Marburger Land in Zeiten des Finanzmarktkapitalismus

 

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