Wohin werden die Hasen in Marburg laufen?
Marburg 24.3.2016 (yb) Kurz vor Ostern ist die politische Lage und mehr noch die Perspektive in Marburg unübersichtlich. Das liegt weniger an den veröffentlichten Einbußen bei der Gewerbesteuer, die ohne sonderliche Einschnitte und mit moderater Kreditaufnahme bewältigt werden können. Als Verhandlungsposition in Sachen ‘Willigkeit’ wird dies offenbar von Seiten der SPD als stärkster politischer Kraft in Gespräche eingebracht. Die Nachrichtenlage vor der Osterpause ist ingesamt jedoch eher dünn. Von den Sozialdemokraten wurde mitgeteilt, dass Angekündigtes vollzogen wurde. Die Marburger SPD-Fraktion hat auf ihrer konstituierenden Sitzung Matthias Simon zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt. Dieser kündigte an, sein bisheriges Amt als Ortsvorsteher von Ockershausen nicht weiter ausüben zu wollen, um sich ganz auf die Arbeit als Fraktionsvorsitzender zu konzentrieren.
Die Sondierungsgespräche und die folgenden Koalitionsverhandlungen würden schwieriger, weil man sich der neuen Haushaltsrealität stellen müsse, verlautbarte der neue Fraktionsvorsitzende. Doch bestimmte politische Ziele wollte Simon noch nicht nennen, da er diese „erst im Rahmen einer Fraktionsklausur gemeinsam entwickeln und konkretisieren“ möchte. Wer spekulieren will, könnte solche ‚Offenheit‘ als Hinweis für eine möglicherweise kommende Koalition der SPD mit der CDU deuten. Ob dabei ‚Offenheit‘ eine neue Eigenart wird oder sich darin politischer Opportunismus vorankündigt, bleibt abzuwarten.
Von der CDU-Fraktion ist mitgeteilt worden, dass der Fraktionsvorstand bestimmt worden ist. Erster Mann bleibt Wieland Stötzel, assistiert von Parteivorsitzendem Dirk Bamberger, Roger Pfalz und Karin Schaffner. Keine Nachrichten liegen vor von den Bürgern für Marburg, denen nachgesagt wird, dass sie unter Umständen mit Rot-Grün zusammenarbeiten würden, bei dann denkbar knapper Mehrheit von nur einer Stimme. Verschlossen gibt sich derzeit die Marburger LINKE, die als eigentlicher Gewinner der Wahl gelten kann und es von 4 Mandaten auf 8 Stadtverordnete gebracht hat. Denkbar – und von so manchem als ‚eigentlicher Wählerwille‘ interpretiert – erscheint eine Mehrheit Rot-Grün-Rot in Marburg. Avancen dazu gibt es womöglich bei den Marburger LINKEN. Abwarten und Tee trinken.
Das wollen die Marburger GRÜNEN nicht. „Grüne Stadtfraktion will Gespräche mit SPD und Linken führen“ haben sie eine Pressemitteilung in dieser Woche überschrieben. Darin findet sich zu lesen, dass in Marburg über 60 Prozent der WählerInnen einer linken und ökologischen Politik die Mehrheit gegeben hätten. „Wir interpretieren diese strukturelle Mehrheit als ein Auftrag auch an uns, weiter die Geschicke dieser Stadt verantwortlich mitzugestalten“, lies Fraktionsvorsitzenden Dietmar Göttling nach Beratungen seiner Fraktion mitteilen. Das nennt man eine klare Aussage, getragen vom Wunsch weiter zu regieren. Oppositionsbänke sind bekanntlich härter.
Die GRÜNEN würden die Finanzlage der Stadt Marburg mit Sorge betrachten, findet sich mit Blick auf die Mindereinnahmen formuliert. „Wir haben schon lange davor gewarnt, sich allzu sehr auf kräftige Gewerbesteuernachzahlungen und auf das hohe Niveau der Gewerbesteuer insgesamt zu verlassen“ versuchte Göttling klarzustellen. Deshalb habe die Fraktion in den vergangenen Jahren in den Koalitionsberatungen zum Haushalt moderate Erhöhungen in einzelnen Bereichen gefordert und gleichzeitig Sparvorschläge bei dem vom Kämmerer vorgelegten Haushaltsentwurf gemacht. „Wir stehen zu den gemeinsamen Haushaltsbeschlüssen, verwehren uns aber gegen eine Stimmungsmache, dass wir Grünen zu wenig Wert auf Haushaltskonsolidierung gelegt hätten.“
In dieser unübersichtlichen Gemengelage mit abhanden gekommener Mehrheit waren die Mitglieder der GRÜNEN am 23. März zu einer Mitgliederversammlung eingeladen. Etwa 25 Anwesende nutzten den Abend zur Beratung und zum Austausch zahlreicher Einschätzungen über das schlechte Wahlergebnis. Dabei wurde von Roland Stürmer, der für die GRÜNEN im bisherigen Magistrat vertreten ist, die Einschätzung geäußert, dass die eigenen Stimmenverluste (Rückgang von 22,6 auf 15,1 Prozent) sich in einer Wählerwanderung zu Gunsten der Marburger LINKEN niedergeschlagen hätten. Widersprochen wurde dem nicht. Dietmar Göttling berichtete von einem Vorgespräch mit dem neuen Fraktionsvorsitzender der Marburger LINKEN, Jan Schalauske. Dieser habe Interesse an einer möglichen Zusammenarbeit und Koalition geäußert.
Schlußendlich stand als Tenor der Mitgliederzusammenkunft der Marburger GRÜNEN die Aussage ihres Fraktionsvorsitzenden: „Wir haben Kritik und auch Selbstkritik, aber wir wollen Politik in Marburg weiter gestalten.“ Bürgermeister Franz Kahle brachte als seine Sichtweise zum Ausdruck, dass „es in Marburg überhaupt kein Votum für eine Große Koalition“ geben würde.
Dagegen steht freilich, dass in der zukünftigen Stadtverordnetenversammlung SPD und CDU es zusammen auf 34 von 59 Sitzen bringen würden. So hängt die politische Rolle der Marburger GRÜNEN vom derzeit nicht artikulierten Mehrheitswillen bei den Sozialdemokraten ab. Sie sind mit gut 6 Prozent Stimmenverlust und verbliebenen 18 Stadtverordneten Wahlverlierer.
Welche Kriterien und politischen Prioritäten die SPD für die Zukunft setzen will, erscheint derzeit offen. Keine geringe Rolle dabei könnten Fragen zur Profilierung ihrer Partei in denkbaren Mehrheitskonstellationen spielen. Und ob sich die SPD zusammen mit den GRÜNEN und der Marburger LINKEN ebenso, besser oder schlechter darstellen und durchsetzen kann wie in einem Bündnis mit der CDU, ist eine gewichtige Frage und mögliche Betrachtungsweise. Manche Anzeichen, wie das Verstummen vom Bekenntnis zu Rot-Grün in den Reihen der SPD bis hin zu Oberbürgermeister Spies, können gedeutet werden.
Damit bleibt vor und in den Tagen des Osterfestes offen, wohin die Hasen in Marburg laufen werden. Am Hasenfleiß zum Austragen bunt gefärbter Ostereier auch in Marburg dürfte dies jedoch nichts ändern.