Hessisches Landestheater Marburg: „Aus der Zeit fallen“ wird Spielplanmotto 2016/17
Marburg 14.4.2016 (pm/red) Unter dem Spielzeitmotto bringt das Hessische Landestheater Marburg 16/17 nicht nur Klassiker wie Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, Shakespeares „Romeo und Julia“ oder Molières „Der eingebildete Kranke“ auf die Bühne, sondern setzt auch auf zeitgenössische Autoren – mit gleich mehreren Uraufführungen: So wird „Schluckspecht“ nach dem Roman von Bachmann-Preisträger Peter Wawerzinek uraufgeführt, Duncan Macmillans brandaktueller Text „Atmen“ zu sehen sein, Lauckes „Furcht und Ekel. Das Privatleben glücklicher Leute“, und anlässlich von 500 Jahren Reformation wird sich auch der Marburger Theatersommer dem berühmten Kirchenmann widmen: mit der Uraufführung von Marc Beckers „Luther“. Sascha Nathan und Martin Schulze sind als neue Regisseure in Marburg angekündigt.
Er habe den Eindruck, Wissenschaft und Wirtschaft arbeiteten an der Erfindung der Ewigkeit, meinte Faltz, deswegen hätte ihn und sein Team bei der Planung der Spielzeit die Frage fasziniert, wie ein „Aus der Zeit fallen“ aussehen kann. Die Antworten, so Faltz weiter, könnten dabei ganz unterschiedlich ausfallen, schwankten zwischen Loslassen und Verweigern, einem Unendlichwerden in der Liebe oder in der Erinnerung, einer beabsichtigten Widerständigkeit und einem unabsichtlichen Nicht-In-Die-Zeit-Passen.
Im Abendspielplan zeigt die Eröffnungspremiere wie schrecklich zeitlos manche Mechanismen sind: Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ feiert am 3. September Premiere. Eine Woche später kommt dann Dirk Lauckes „Furcht und Ekel. Das Privatleben glücklicher Leute“, betitelt in Anlehnung an Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reichs“ auf die Bühne in der Black Box: Basierend auf Recherchen, Augenzeugenberichten und Nachrichtenmeldungen entwirft Laucke einen Überblick über die Kontinutitäten rechten Denkens in der deutschen Gesellschaft.
Mit Molières „Der eingebildete Kranke“ und „Bartleby der Schreiber“ nach Herman Melville, Shakespeares „Romeo und Julia“ und Gombrowicz` „Yvonne, die Burgunderprinzessin“ setzt das Landestheater Marburg nicht nur auf (moderne) Klassiker. Es ist viel Raum für zeitgenössische Texte auf den HLT-Bühnen: „Atmen“ etwa, von Duncan Macmillan, begleitet ein junges Paar in ihrer jahrzehntelangen Auseinandersetzung darüber, wie man heute ein gutes Leben führen kann. „Schluckspecht“ nach dem Roman von Peter Wawerzinek wird uraufgeführt. Rainald Goetz´ „Katarakt“ kommt in die Black Box, die „Chronik eines angekündigten Todes“ nach dem Roman von Gabriel García Márquez gibt es im „Theater in der Finsternis“ und, passend zum Jubiläum 2017, wird Luther im Marburger Theatersommer auf dem Marktplatz in einer Uraufführung von Marc Becker feiern und streiten.
Drei Premieren gibt es im Jungen Theater, dazu die mobile Kindergartenproduktion „Däumelinchen“ nach dem Märchen von Hans Christian Andersen, die ab September schon die Allerkleinsten verzaubern wird. Ende November startet dann das Weihnachtsmärchen, dieses Jahr wieder im Erwin-Piscator-Haus: „Ali Baba und die 40 Räuber“ nach der Erzählung aus „Tausendundeine Nacht“ für alle Zuschauer ab 5 Jahren. „Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horváth richtet sich an Jugendliche ab 14 Jahren, für das Grundschulalter eignet sich Finn-Ole Heinrichs „Die Reise zum Mittelpunkt des Waldes“ für alle ab 8 Jahren.
Im neueröffneten Erwin-Piscator-Haus zeigt Matthias Faltz zunächst in einer aufwändigen Wiederaufnahme ab September 2016 „Cinderella – A Rock´n´Roll Fairytale“, mit dem er im vergangenen Theatersommer die Zuschauer auf dem Marburger Marktplatz überzeugen konnte. Auch „The Blues Brothers – A Tribute“ wird wiederaufgenommen. Neben dem Weihnachtsstück für die ganze Familie feiert im Erwin-Piscator-Haus noch Shakespeares „Romeo und Julia“ im Februar 2017 Premiere.
Neben den regulären Premieren gibt es drei Kooperationen: „Die Empfindsamkeit der Giganten“ eine Koproduktion mit dem Figurentheater Wilde & Vogel, Christoph Bochdansky, Westflügel Leipzig, FITZ! Figurentheater Stuttgart und dem Hessischen Landestheater Marburg, als zweites das Verbindungsprojekt „Made in Germania“, eine Uraufführung in Kooperation mit dem Staatstheater Darmstadt, dem Theaterhaus Jena, dem Institut für Angewandte Theaterwissenschaft (Gießen) und dem Hessischen Landestheater Marburg, sowie eine Koproduktion mit den KunstFestSpielen Herrenhausen: „see you on the other side“ nach Motiven von Adolfo Bioy Casares und Arnold Schönberg, ebenfalls eine Uraufführung.
Zudem wird auch die Programmreihe „Wilde Schwäne“ fortgesetzt, die sowohl an unterschiedlichen Orten in der Stadt Programme zeigen wird, also auch im Haus selbst drei kleine Premieren feiert. Ebenfalls im Rahmen der Wilden Schwäne plant das Hessische Landestheater Marburg einen Lese-Marathon mit BürgerInnenbeteiligung: Alle sieben Bände von Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ sollen in der kommenden Spielzeit gelesen werden.