Neue Konjunkturprognose: Jeweils 1,5 Prozent Wachstum 2016 und 2017
Marburg 25.4.2016 (pm/red) Die deutsche Wirtschaft trotzt der schwachen weltwirtschaftlichen Entwicklung und setzt 2016 und 2017 ihren moderaten Aufschwung fort. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst in beiden Jahren um jeweils 1,5 Prozent. Während sich die Exporte erst im kommenden Jahr wieder stärker beleben werden, wirkt die Binnennachfrage als stabiler Träger der Aufwärtsentwicklung. Trotz der starken Zuwanderung sinkt die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt 2016 noch einmal leicht. 2017 nimmt sie wegen des wachsenden Arbeitsangebots bei weiter kräftig steigender Beschäftigung um 160.000 Personen zu. Zu diesen Ergebnissen kommt die neue Konjunkturprognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, die das Institut in Berlin vorstellte.
Gegenüber ihrer Prognose vom Dezember senken die Forscher die Wachstumserwartung für 2016 leicht um 0,2 Prozentpunkte. Für 2017 geben sie ihre erste Prognose ab. „Der Grund für die nur verhaltene Entwicklung liegt darin, dass das weltwirtschaftliche Klima rauer geworden ist und Europa seine Krisen noch nicht bewältigt hat“, teilt das IMK mit. Die Abschwächung des Wachstums in China, die Krise in Russland und Brasilien und die geringere Nachfrage aus den ölexportierenden Ländern prägten die Weltwirtschaft stark, die recht stabile Entwicklung in den USA und Indien kompensiere das nicht. „In diesem schwierigen Umfeld bleibt die Konjunktur in Deutschland relativ robust.
Der wesentliche Grund hierfür ist die kräftige Binnenkonjunktur, die die verminderte Exportdynamik in etwa auszugleichen vermag“, analysieren die Ökonomen. „Die Inlandsnachfrage wird getragen durch Lohnsteigerungen, die unter Wahrung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit die Kaufkraft der Beschäftigten steigen lassen, was den privaten Konsum und letztlich auch die Beschäftigung antreibt.“ So sei ein „sich selbst tragender Expansionskreislauf“ in Gang gekommen.
Binnenwirtschaftlicher Aufschwung bringt erhöhte Staatseinnahmen
Die binnenwirtschaftliche Fundierung des Aufschwungs führt dazu, dass sich die Einnahmen von Staat und Sozialkassen deutlich positiver entwickeln als das bei einer vom Außenhandel getriebenen Konjunktur der Fall wäre, zeigen Simulationsrechnungen des IMK. Zwischen 2011 und 2015 hatte der Staat dadurch 41 Milliarden Euro mehr zur Verfügung.
„Das ist sehr positiv, weil die starke Zuwanderung und die daraus folgende Integrationsaufgabe die öffentliche Hand ebenso fordert wie Notwendigkeit, deutlich mehr zu investieren“, sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK. „Unsere Berechnungen zeigen ganz deutlich, dass ein binnenwirtschaftlich fundierter Aufschwung in unserer Situation beileibe kein Aufschwung zweiter Klasse ist. Im Gegenteil: Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss, der wesentlich zur Krise im Euroraum beigetragen hat, bleibt zwar sehr hoch, doch in der Tendenz wird er wenigstens etwas geringer.“
Ausgaben für Flüchtlingshilfe stimulieren Konjunktur
Neben dem privaten Konsum sehen die Forscher spürbar expansive Impulse von Seiten der Fiskalpolitik. Dazu zählen sie neben moderaten Entlastungen bei der Einkommensteuer, der Kindergelderhöhung und drei Milliarden Euro für zusätzliche Infrastrukturinvestitionen die Ausgaben für Flüchtlinge. Im für das IMK realistischsten Szenario wendet die öffentliche Hand in diesem und im kommenden Jahr 14 bzw. 13,4 Milliarden Euro zur Unterstützung und Integration von Zuwanderern auf. Da diese Ausgaben wie ein „Konjunkturprogramm“ aber auch für mehr BIP-Wachstum und höhere Steuern sorgen, konstatieren die Forscher eine steigende Selbstfinanzierungsquote der Flüchtlingshilfe. Diese dürfte nach Modellsimulationen des IMK im kommenden Jahr knapp 50 Prozent erreichen.