Kunst in Marburg 2016 präferiert etablierte Künstler/innen – Junges Kunstschaffen wird übergangen
Marburg 10.5.2016 (yb) Die biennal verwirklichte Ausstellung ‚Kunst in Marburg‘ wurde am Freitagabend im mit BesucherInnen überfüllten oberen Foyer des Marburger Kunstvereins eröffnet. Nach vielwöchiger Schließung des Hauses wegen Renovierungsarbeiten gab es zur Wahrnehmung und Sichtung Marburger Kunstschaffens also promt ein Herbeiströmen der Massen. 250 BesucherInnen, darunter viele mit hohen Promifaktor, werden es gewesen sein. So ist das beim Heimspiel und so soll es sein. Wer kam, sah, wurde gesehen und konnte sich über viele qualitätvolle Werke freuen. Dazu hat sicherlich beigetragen, dass diesmal besonders viele, etablierte, erfolgreiche und oft exponierte Künstler/innen eingeladen wurden. Crossover lässt sich sagen, dass ‚Kunst in Marburg 2016‘ auf der Höhe der Zeit ist und einiges zu bieten hat. Das belegt die Ausstellung. Ob und wie freilich Gewichtungen – bezogen auf Kunstschaffende und künstlerische Stile und Ausdrucksmittel – gesetzt worden und gelungen sind, ist eine andere essentielle Frage.
Zuallermeist gilt in die Ausstellung gehen und ansehen. Es lohnt sich. Eine Vorschau bietet Sternbald Intermedia online. Ein Medium dafür wurde aufwändig entwickelt und trägt den Namen Bilder-Kiosk. Wer sich vor dem Weiterlesen dort Einblicke und Überblick verschaffen will, kann dies mit einem Mausklick machen:
—>Bilder-Kiosk ‚Kunst in Marburg 2016‘
21 Künstler und Künstlerinnen beschicken die diesjährige Marburger Kunstpräsentation. Nur 21 – dazu später mehr. Ausgewählt wurden die Teilnehmenden von einer Jury. Darin haben mitgewirkt Kathrin Brömse, Doris Conrads, Susanne Paesel, Burgi Scheiblechner und Horst Schwebel. Dieser hatte zugleich die Rolle des Laudators am Eröffnungsabend, wobei er Einblicke in die Vorgehensweise gab, vor allem jedoch prägnant die Ausstellenden kurz portraitierte und deren Werke erläutert hat. Damit erhielt die Eröffnungsansprache eine lebendig-anschauliche Sentenz.
Schwebel hatte es im prall gefüllten Kunstverein nicht ganz leicht sich gegen lautes Stimmengewirr aus dem unteren Foyer akustisch durchzusetzen. Dort hielten sich viele in munterer Konversation schadlos, da es für sie oben an Platz mangelte. Das konnte dem prallen Geschehen der offiziellen Ausstellungseröffnung keinen Abbruch machen. Und im Rundgang oben und unten waren dann angeregte Gespräche unter den zahlreichen Kunstfreunden mit den anwesenden KünstlerInnen sowieso angesagt.
Kunst in Marburg 2016 ist eine gelungene Ausstellung, die viele Bekannte präsentiert und in den ausgestellten Arbeiten mit Vielfalt und Qualität beeindrucken kann. Einen herausragenden und besonders reizvollen Beitrag liefert Hans Schohl in Gestalt seiner Kinetik-Installation. Neben der Bewegung der drei riesigen Mobiles ähnlichen aus Draht geformten Figuren und Formen beeindrucken vor allem die mittels untersichtig platzierten Schweinwerfer erzeugten ‚Lichtspiele‘. An drei Wänden passieren solche Schattenspiele. Aufmerksamer Betrachtung entgeht nicht, dass mit Formänderungen neue Schattenwirkungen und Wesen entstehen und interagieren. ‚Animal shadows‚ tituliert das Werk aus 2015, mit der Künstler bereits bei der Nakanojo Biennale in Japan reüssierte. Imposant und exzellent gelungen. (->Saal unten hinten)
In bescheiden daherkommender Weise ebenso herausragend sind die Zeichnungen von Natalja Prihara (im oberen Foyer links gehängt). Geradezu klassischer Zeichenschule entsprungen, wird Betrachterin ansichtig, dass und wie mit weißem Papier und Bleistift (Grafit) in gegenständlicher Manier besondere Menschenbildnisse – als Teilansichten oder als großformatige Totale – meisterlich gelingen und tief in´s Auge gehen können. Die Master-Absolventin des Instituts für Bildende Kunst Marburg führt vor, dass „der nackte menschliche Körper als Objekt der künstlerischgen Darstellung… stets aktuell bleibt.“ Priharas ‚Selbstakt 1‘ und ‚Leas Rücken 2‘, beide in imposanten 150 x 100 cm, sind besonders, brilliant und eine Schule für´s Sehen.
2016 präsentiert Kunst in Marburg Malerei und Grafik, Plastik, Installation (neben den bereits Genannten) von Micha Bartsch, Barbara Isabella Bauer-Heusler, Ulrich Harder, Ingrid Hermentin, Isolde Herold, E. Jakobus Klonk, Christina Kohlbrecher, Werner Krieglstein, Dieter Liedtke, Sylvia Matzke, Georg Mertin, Antonia Mösko, Eva-Vera Rottstedt, Britt Schneider, Johannes Schönert, Fe Strack und Horst Vaupel. Dazu gäbe es noch Vieles mitzuteilen. Das leistet der in leuchtendem Gelb gedruckte Katalog.
Der Rundgang im Kunstverein bietet viele Eindrücke und vermittelt allerdings etwas viel Ausgewogenheit und künstlerische Elaboration. Sicher hier und da gibt es auch Provokatives und anstrengend zu Betrachtendes. Doch auch allzu Kleines, Banales und Nettes ist Teil dieser Regio-Art-Exposition. Schaut Mensch in den Katalog, finden sich mehrere hoch betagte Künstler gelistet. So erfreulich und womöglich verdient für diese es sein mag in 2016 ausgestellt zu werden, zur Frische und Präsentation aktuellen Kunstschaffens ist dies partout kein Beitrag.
Vielmehr gibt es die Unterlassung zu beklagen das Mandat als Auswahljury mindererfüllt zu haben. Wie Horst Schwebel berichtete, konnte jede/r Juror/in fünf KünstlerInnen vorschlagen. Doch finden sich (weil zu einigen KünstlerInnen übereinstimmende also doppelnde Vorschläge eintrafen) lediglich 21 Namen und Ausstellende. Das ist sehr schade und setzt vier potentiell mögliche Kunstschaffende zurück. Für zumindest zwei Jahre.
Zudem gibt es in Marburg das Institut für Bildende Kunst an der Philipps-Universität. Dort studieren und ‚produzieren‘ zahlreiche junge KünstlerInnen in akademischer Ausbildung mit hohen Niveau. Wenn schon nicht andere Marburger und regionale Kunstschaffende, die es bekanntlich in großer dreistelliger Zahl (im Wartestand) gibt, einbezogen wurden, hätte es den JurorInnen doch zumindest in den Kopf kommen können, vier Masterstudierende oder abgeschlossene Master of Arts einzuladen und damit 25 KünstlerInnen zu beteiligen. Kunst in Marburg wäre lebendiger und vielseitiger (und der Alterschnitt bei Männern von 67 Jahren gesenkt).
L´art pour l´art ist die eine Sache, Selbstgefälligkeit eine andere. Schade. Marburg zeigt Kunst in Marburg nur biennal und will junges Kunstschaffen fördern und präsentieren. Ein Mandat für den Vorstand des Kunstvereins in 2018 und die dafür zu nominierende Jury.
KUNST IN MARBURG 2016
21 Künstlerinnen und Künstler der Region
6. Mai bis 24. Juni 2016
Marburger Kunstverein
Di – So 11 bis 17 Uhr
Mi 11 bis 20 Uhr
Samstag 16 Uhr Führung
Eintritt frei