Kommunales Entwicklungskonzept für Marburger Außenstadtteile – Fördervoraussetzung im Dorfentwicklungsprogramm
Marburg 13.5.2016 (pm/red) Seit Mai letzten Jahres haben über 300 BürgerInnen in den Außenstadtteilen an der Erstellung des Integrierten Kommunalen Entwicklungskonzeptes, kurz IKEK, mitgearbeitet. Sie haben damit die Grundlage für eine öffentliche Förderung in den nächsten zehn Jahren gelegt. Jetzt wurden die Ergebnisse des Prozesses der Bürgerbeteiligung der Stadt zur Dorferneuerung vorgestellt. Bürgermeister und Baudezernent Franz Kahle hatte dazu in den Stadtverordnetensitzungssaal eingeladen.
IKEK ist seit 2012 Teil des hessischen Dorfentwicklungsprogramms. Ziel ist, dörfliche Ortsteile als attraktiven und lebendigen Lebensraum zu erhalten und Prozesse vor Ort anzustoßen, um soziale, kulturelle und wirtschaftliche Potenziale zu nutzen. Der IKEK-Prozess erfolgt nach einem von der Wirtschafts- und Infrastrukturbank vorgegebenen Ablaufschema unter großer Öffentlichkeitsbeteiligung.
In einem ersten Schritt wird unter Einbeziehung von Ortsbeiräten und Interessierten eine Bestandsanalyse auf lokaler und gesamtkommunaler Ebene vorgenommen. Der zweite Schritt ist die Erarbeitung von Leitbild, Zielen und Projektideen in Arbeitsgruppen. Als dritter Schritt erfolgt die Erarbeitung einer Umsetzungsstrategie mit der Benennung von Leit- und Startprojekten und Aussagen zur Verstetigung der Entwicklungsziele. Eine öffentliche Veranstaltung bildet den Schlusspunkt dieser Phase des IKEK-Prozesses.
Im Oktober 2014 wurden die Außenstadtteile der Stadt Marburg als Pilotprojekt „Oberzentrum“ in das hessische Dorfentwicklungsprogramm aufgenommen. Die Förderperiode läuft 10 Jahre. Durch das Programm könnten kommunale Projekte, aber auch private Baumaßnahmen und Investitionen, die im IKEK verankert wurden, aus Landesmitteln gefördert werden. Das Förderprogramm läuft jetzt bis 2023. Für die Förderung öffentlicher Projekte stellen Land und Kommune bis 2023 insgesamt 1,5 Mio Euro zur Verfügung; private Vorhaben werden mit 35 Prozent und maximal 45.000 Euro für ein Einzelvorhaben gefördert.
Beteiligt an der Erstellung des IKEK waren – neben den Bürgerinnen und Bürgern aus den Stadtteilen – das mit der Erarbeitung und Moderation beauftragte Büro SP-PLUS aus Bad Nauheim, der Fachdienst Dorf- und Regionalentwicklung beim Landkreis Marburg-Biedenkopf, der für die Steuerung des gesamten Dorfentwicklungsprozesses und die Förderung zuständig ist, und der Fachdienst Stadtplanung und Denkmalschutz der Stadt Marburg, bei dem die fachliche Leitung und die Koordination des Projektes liegt.
In den fünf Arbeitsgruppen „Entwicklung, Leerstand und Baukultur“, „Ehrenamtliches Engagement und Dorfgemeinschaft“, Kultur und Identität“, „Öffentliche Räume und Grün“ sowie „Mobilität und Versorgung“ haben die Beteiligten die Ziele für das Integrierte Kommunale Entwicklungskonzept (IKEG) definiert. Im Verlauf des Prozesses fanden insgesamt fünf gemeinsame Arbeitstermine, die sogenannten IKEK-Foren, statt. Jeweils 80 bis 90 Personen nahmen an ihnen teil. Als Tagungsorte wurde für jedes Treffen ein anderes Bürgerhaus in den beteiligten Stadtteilen ausgewählt.
Die Mitwirkung in den IKEK-Teams sei offen und sehr engagiert erfolgt, hebt die Stadt Marburg hervor. Im jetzt vorliegenden Entwicklungskonzept steckt somit sehr viel ehrenamtliche Arbeit. Im Rahmen der Abschlussveranstaltung wurden nun die Projekte insgesamt präsentiert und die nächsten Schritte der Dorfentwicklung und zur Umsetzung der Projekte besprochen. Auch die künftige Organisation und Verstetigung während der anstehenden Umsetzungsphase wurde erörtert. Allen Beteiligten war dabei klar, dass Dorfentwicklung nur gelingen kann, wenn sich auch in Zukunft möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an der Umsetzung beteiligen.
Planer Hartmut Kind fasste die bisherige Arbeit bei der Veranstaltung unter Oberbegriffen zusammen. Er betonte aber auch, dass im Abschlussbericht ganz detailliert aufgenommen wird, was erarbeitet worden ist und was in den Arbeitsgruppen ausführlich diskutiert wurde, zum Beispiel was sich hinter dem Thema Radwege oder dem Begriff Mobilität insgesamt verbirgt. Der Leitbegriff laute: „Marburg, das sind wir alle“.
Die AG „Entwicklung, Leerstand und Baukultur“ hat beispielsweise Projekte zu den Schwerpunkten „Initiativen zur Behebung des Gebäudeleerstands“, „Zukunftsweisendes Wohnen im Dorf“, „Erhaltung und Sanierung historischer Bausubstanz“ und „Zukunftsfähige Energieversorgungskonzepte“ erarbeitet. Bei der AG „Ehrenamtliches Engagement und Dorfgemeinschaft“ wurden die „Stärkung und Neuorganisation des Vereinswesens“ sowie „Zukunftsfähige Strukturen und Angebote ehrenamtlichen Engagements“ thematisiert.
Die AG „Kultur und Identität“ beschäftigte sich mit der Schaffung eines Kulturnetzwerks, die AG „Öffentliche Räume und Grün“ mit „Zukunftsfähiger Neuausrichtung der Bürgerhäuser“ und mit der „Aufwertung und Gestaltung öffentlicher Freiflächen und Plätze“. Nicht zuletzt behandelte die AG „Mobilität und Versorgung“ die Bereiche „Mobilitätsangebote optimieren“, „Konzepte und Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssituation“ und „Erhaltung und Weiterentwicklung der Versorgungsmöglichkeiten und Angebote.“
Nach dem Beschluss des Entwicklungskonzepts durch die Kommune muss das IKEK noch mit der Wirtschafts- und Infrastrukturbank des Landes Hessen (Wi-Bank) abgestimmt werden. Diese ist für die Abwicklung der Förderung zuständig. Danach kann die Umsetzung und Förderung von Projekten im Rahmen des Förderprogramms erfolgen.
Mit der Sitzung im Stadtverordnetensitzungssaal endete die der ersten Phase, jedoch gehe diese nach der Sommerpause in die Umsetzungsphase über, wie Kahle erläuterte. „Spätestens im Frühjahr kommt das erste Projekt auf den Tisch“, versprach auch der Planer. „Es geht um ihre Stadtteile und um die Verwirklichung in ihren Orten“, betonte er und forderte die Bürgerinnen und Bürger auf, weiterzuarbeiten und Werbung für die Mitarbeit zu machen. Was jetzt passiere, basiere grundlegend auf den Ergebnissen des IKEK-Prozesses.
Auch in der Umsetzungsphase, so Planer Hartmut Kind, werden die Arbeitsgruppen von der Steuerungsgruppe und der Verwaltung intensiv unterstützt. „Sie werden nicht alleine gelassen“, versprach er. Was die Förderfähigkeit einzelner Projekte angeht, sind laut Aussage des Planers nicht nur Möglichkeiten der IKEK-Dorfentwicklung vorhanden, sondern es gibt auch noch andere Fördertöpfe. Und einiges, wie Initiativen oder Vernetzungen, seien schließlich auch ohne finanzielle Mittel möglich.