Größtes Straßenbauprojekt in Marburg: „Autogerechte Stadt“ mit sechs Meter-Trasse der Marburger Straße in Cappel
Marburg 10.8.2016 (yb) Ein Bulldozer wäre als Kulisse das angemessenere Arbeitsgerät gewesen, unlängst beim „Spatenstich für das größte Straßenbauprojekt der Stadt“, welches die Stadt Marburg gerade lauthals verkündet hat. Während bundesweit die Rechtslage für Tempo-30-Zonen gerade geschaffen wurde, die man in Marburg vermeintlich als Zielstellung zu verfolgen vorgibt, beschert die Stadt Marburg – mit Verkehrsdezernent Oberbürgermeister Thomas Spies vorneweg – in der Sommerpause ihren BürgerInnen Verkehrsnachrichten, die befremden müssen. Wie anders soll ein denkender Mensch mit der Botschaft umgehen, dass bei „Gesamtbaukosten von circa 4,7 Millionen Euro“ in Cappel einem Verkehrsleitbild aus der Mottenkiste gefolgt wird.
„Geplant ist eine bis auf einen kleinen Teilbereich durchgehende Straßenbreite von sechs Metern, was einen problemlosen Begegnungsverkehr auch von Lkw und Bussen gewährleistet“, findet sich in der Pressemitteilung der Stadt zu lesen. Wenn das mal keine Zielstellung ist. Bussen und LKW soll in der Straße mitten in Cappel, wo es bekanntlich keine Industrie- oder sonderlichen Gewerbetriebe gibt, ein „problemloser Begegnungsverkehr“ bereitet werden. Deutlicher kann man (s)eine völlige Desorientierung gar nicht umschreiben. Dabei gibt es in Cappel seit langem eine Umgehungsstraße, auf der LKW verkehren können und sogar müssen.
Die autogerechte Magistrale mitten in Cappel ?
Wie sehr das Denken und Handeln der verantwortlichen Politiker in Marburg in eine falsche Richtung geht, zeigt sich dann darin, dass man „trotz der derzeit angespannten Haushaltslage das Großprojekt in der Universitätsstadt“ verwirklicht und beinahe 5 Millionen Euro verbaut, um ja autogerecht zu sein. Was unterscheidet solche Politiker eigentlich von ihren Vorgängern, die vor Jahrzehnten entschieden haben, dass die Stadtautobahn B3 nicht in einem Tunnel geführt werden sollte, um dem Bund Baukosten zu ersparen?
Der Oberbürgermeister versteigt sich beim Spatenstich dann zu der Aussage, dass „Interessen verschiedener Gruppen, seien es Autofahrende, Radfahrende, Fußgängerinnen und Fußgänger, Kundinnen und Kunden des ÖPNV, aber auch Ältere oder Menschen mit Behinderungen“ in die Planungen eingeflossen seien.
Jetzt haben sich die Cappeler auf Behinderungen und eine zweijährige Bauzeit einzustellen. Zur Umleitung des Verkehrs dient währenddessen die Umgehungsstraße. Dass eine „Bepflanzung mit Bäumen die Wohnqualität erheblich steigern“ werde, befleißigte sich Bürgermeister Franz Kahle festzustellen. Ortsvorsteher Heinz Wahlers zeigte sich erfreut. Von ihm war zu vernehmen, dass „einige der Leitungen noch aus den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts stammten“.
In eben dieser Zeit scheint auch das verkehrspolitische Bewusstsein der Stadtoberen stehen geblieben zu sein, wenn sie das „größte Straßenbauprojekt der Stadt“ in solch krasser Weise gegen alle Zeichen und Notwendigkeiten der Zeit umsetzen lassen.
Mit dem zwischenzeitlich vermeintlich nach Potsdam abgängigen Baudirektor Rausch können sie weiterhin auf einen bewährten Amtsleiter mit hinreichend erwiesener Unfähigkeit Marburg zukunftsfähig zu machen zurückgreifen.