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Historisches „Tagelöhnerhaus“ in Dilschhausen sichern – Privater Interessent gesucht

Tagelöhnerhaus in Dilschhausen: Ein Baudenkmal muss nicht gross und imposant sein, um sozial- und baugeschichtlich interessant zu sein. Foto Heiko Krause

Tagelöhnerhaus in Dilschhausen: Ein Baudenkmal muss nicht gross und imposant sein, um sozial- und baugeschichtlich interessant zu sein. Foto Heiko Krause

Marburg 21.9.2016 (pm/red) Die Stadt Marburg hat in Dilschhausen ein Grundstück mit einem denkmalgeschützten Tagelöhnerhaus erworben. Bürgermeister Dr. Franz Kahle und Ulrich Kist, Bereichsleiter Standortmanagement Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH), unterzeichneten am Freitag den Kaufvertrag für Stadt und Land. Die Stadt will die historischen Hof- und Gebäudeflächen an Privatleute weiterverkaufen, um sie fachgerecht sanieren zu lassen.

Das als Einzel-Kulturdenkmal ausgewiesene Gebäude ging 2011 durch eine sogenannte Fiskalerbschaft in das Eigentum des Landes Hessen über, weil niemand das Erbe antreten wollte. Das ehemalige Tagelöhnerhaus ist laut Bürgermeister Kahle das älteste seiner Art im Stadtgebiet und wurde etwa um 1800 errichtet.

Wie Oberkonservator Dr. Bernhard Buchstab vom Hessischen Landesamt für Denkmalpflege berichtete, ist eine genaue Datierung des einfachen Hauses für Menschen mit wenig Geld, die sich in der Landwirtschaft verdingten, schwierig. Oft wurden mehrere Gebäude in einem Stil gebaut, den es schon länger gab. „Bestimmt hat aber vor 200 Jahren noch keiner gedacht, dass das Haus für uns einmal so wichtig sein könnte“, so Kahle. Das Tagelöhnerhaus ist das älteste Gebäude des Marburger Stadtteils nach der Kirche.

Das Denkmal sei für die für die Sozialgeschichte sehr bedeutsam, betonte Denkmalpfleger Buchstab. Es sei auch im Gebäudeinneren in seltener Vollständigkeit erhalten und dadurch von hohem kultur- und sozialgeschichtlichem Wert. Auf Marburger Stadtgebiet gebe es kein vergleichbares Objekt, so Buchstab. Die Bedeutung werde dadurch unterstrichen, dass sich der Landesdenkmalbeirat mit dem Haus beschäftigt hat. Als „echtes Zeitzeugnis“ bezeichnete der Vorsitzende des Denkmalbeirats der Stadt, Karl-Hermann Krombach, das Haus beim Ortstermin. In der Zeit der Entstehung hätten deutlich mehr Menschen als die heute etwa 200 BewohnerInnen in Dilschhausen gelebt, weil Arbeitskräfte gebraucht wurden. Erst mit der industriellen Revolution sei das anders geworden – viele ärmere Menschen wanderten aus und zogen weg in Industrieregionen.

„Der Vertragsabschluss ist eine erfreuliche Geschichte“, sagte Kahle. Er erinnerte daran, dass die Stadt Marburg und das Land Hessen seit Jahren in Verhandlungen über die Liegenschaft in der Weitershäuser Straße 12 standen. 2007 wurde der Verkauf des Anwesens erstmals zum Thema. Die damalige Eigentümerin und langjährige Bewohnerin des Hauses lebte zu dieser Zeit in einem Altenpflegeheim und ihre Betreuerin war beauftragt, die Liegenschaft zu veräußern. Wegen der Denkmalaspekte war auch die Stadt Marburg mit der Angelegenheit befasst.

Der Erhalt des Tagelöhnerhauses wurde von der Unteren Denkmalschutzbehörde zur zwingenden Auflage gemacht. Die Stadt begann mit der intensiven Suche nach einem Käufer. Gleichzeitig fanden dringend notwendige Sicherungsmaßnahmen statt, die von der Stadt finanziert wurden. Auf diese Weise wurden ebenfalls die Kosten für eine bauhistorische Untersuchung mit Dokumentation getragen. Bevor 2011 ein Verkauf besiegelt wurde, kam es jedoch durch den Tod der Eigentümerin zu neuen Eigentumsverhältnissen. Durch fiskalisches Erbrecht gelangte das Anwesen in das Eigentum des Landes.

Es bedurfte langjähriger Verhandlungen, um die denkmalorientierten Interessen der Stadt mit den fiskalischen Interessen des Landes Hessen in Einklang zu bringen. Diese führten mit der Bereitschaft des Landes, die Liegenschaft an die Stadt Marburg abzugeben, zu einem erfolgreichen Ende. „Wer den Euro nicht ehrt, ist die Millionen nicht wert“, scherzte der Bürgermeister in Anspielung auf den symbolischen Kaufpreis, den er bar in einem Säckchen entrichtete. Der Bürgermeister erinnerte daran, dass die Stadt Marburg bereits durch Sozialleistungen an die ehemaligen Eigentümer sowie durch bauliche Sicherungsmaßnahmen in Vorleistung getreten ist.

Die Stadt Marburg als neue Eigentümerin wird das Anwesen so bald als möglich an einen privaten Interessenten veräußern. Die Grundstücksgröße beträgt 853 Quadratmeter. Das Häuschen hat etwa 30 Quadratmeter Grundfläche. Ortsvorsteher Hermann Heck betonte, dass ein privater Investor auch dem Ortsbeirat lieber sei als beispielsweise ein Verein. Die Gewährleistung einer fachgerechten Sanierung des Tagelöhnerhauses durch den Erwerber ist unabdingbare Voraussetzung für einen Zuschlag. Dafür stehen neben städtischer Förderung des Denkmalschutzes auch Fördermittel aus dem laufenden Dorfentwicklungsprogramm der Marburger Außenstadtteile zur Verfügung. Interessenten erhalten nähere Informationen bei der Unteren Denkmalschutzbehörde, Florian Baumgarten.

Bürgermeister Dr. Franz Kahle (links) übergab an Ulrich Kist (rechts) für das Land Hessen  ein Säckchen mit dem symbolischen Kaufpreis von einem Euro für das denkmalgeschützte Tagelöhnerhaus in Dilschhausen.

Den Kaufvertrag für das Tagelöhnerhaus unterzeichneten unter Aufsicht von Notar Helmut Fiedler (vorne Mitte) für das Land Hessen Ulrich Kist (rechts) und für die Stadt Bürgermeister Dr. Franz Kahle (links) im Beisein von (hinten v. l.) Antje Kröpelin (Fachdienstleiterin Gebäude- und Grundstücksverkehr), Ortsvorsteher Hermann Heck, Frank Muth (Fachdienst Gebäudewirtschaft und Grundstücksverkehr), Karl-Hermann Krombach (Vorsitzender des Denkmalbeirates der Stadt), Landeskonservator Dr. Bernhard Buchstab, Markus Klöck (Untere Denkmalschutzbehörde) und Sebastian Bergmann (LBIH).

Die Beteiligten machten sich nach Vertragsunterzeichnung in Dilschhausen ein Bild vor Ort im denkmalgeschützten ehemaligen Tagelöhnerhaus.

Bürgermeister Dr. Franz Kahle führte durch das weitgehend wie ursprünglich erbaut erhaltene Gebäude.

Foto Heiko Krause

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