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14.11.2024 (pm/red) Mit vielfältig intergalaktischen Programmen samt neuer Musikshow können Besucher in Hessens größtem Planetarium ab  1. November 2024 wieder zu fernen Galaxien reisen. Am 23. Oktober haben Wissenschaftsminister Timon Gremmels und Direktor Martin Eberle …

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Kulturdenkmal Lokschuppen – die (un)endliche Geschichte vom Kampf um Erhalt und kulturelle Nutzungen

Der Rundbau des vormaligen Lokschuppen ist Kulturdenkmal. die Stadt Marburg will ihn verkaufen und dort Wohnbebauung zulassen. Foto R.Kieselbach

Der Rundbau des vormaligen Lokschuppen ist Kulturdenkmal. die Stadt Marburg will ihn verkaufen und dort Wohnbebauung zulassen. Foto R.Kieselbach

Marburg 18.11.2016 – Gastbeitrag von Hartmut Lange.  Der Lokschuppen in Marburg ist zum Symbol des Verfalls der letzten Industriedenkmäler Marburgs geworden. Schon länger als 12 Jahre beschäftigen sich der Magistrat, die Untere Denkmalschutzbehörde (UDSchB), der Denkmalbeirat der Stadt und das Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden mit dem Erhalt und der Nutzung des nach § 2 Abs.1 des Hessischen Denkmalschutzgesetz unter Denkmalschutz stehenden Industriedenkmals „Lokschuppen“.

Aus einem Besprechungsprotokoll vom 27. 10. 2004 mit den Teilnehmern M. Ritter von der UDSchB Marburg und Herrn Rehbronn von dem Aurelis Real Estate Management geht hervor, dass der „Grund dieses Ortstermins … die Problematik (ist) , dass als nächster Schritt für eine nachhaltige Substanzerhaltung eine größere Summe investiert werden müsste, die derzeitige Vermarktungsproblematik des Lokschuppens rein wirtschaftlich diesen Kostenaufwand (aber) nicht rechtfertigt. Es sollte daher in einem ersten Gespräch ausgelotet werden, wie die weitere Vorgehensweise strukturiert sein könnte. Hierbei geht die Überlegung von einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Sanierung bis zum Abbruch des Lokschuppens“.

In diesem Gespräch diskutierte man für die Findung einer Lösung eine Machbarkeitsstudie bis Ende Dezember/Anfang Januar 2004/05 unter Einbeziehung von Studentenarbeiten der Uni Kassel in Auftrag zu geben. – „Mitte Januar Beauftragung einer kleinen Machbarkeitsstudie mit genaueren Variantenausarbeitung von 2 bis 3 Konzepte mit wirtschaftlicher und baulicher Betrachtung-Bewertung der Zukunftsfähigkeit der Variante – Vorstellung der möglichen Varianten Stadt Marburg, Denkmalschutz, Aurelis Ende Februar (2005)Entscheidungsfindung bis Ende 2005“ (aus Besprechungsprotokoll s.o.).

Die UDSchB stellte heraus, dass sich neben der Denkmalschutzbehörde auch die Stadtverordnetenversammlung für den Erhalt des Lokschuppens aussprechen muss. Der Lokschuppen sei als Baustein des Denkmalschutz Ensembles der Stadt Marburg zu verstehen. Herr Ritter (Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde) sprach hier nochmals den bis heute geführten Schriftwechsel an. „Einem eventuellen Komplettabbruch zuzustimmen, bedarf einer belastbaren Begründung“.

Im Dezember 2004 berichtete die UDSchB dem Denkmalbeirat über dieses Gespräch und schloss sich den Ausführungen des Vertreters des LfDS (Landesamt für Denkmalschutz, Wiesbaden), Herrn Udo Baumann, in einem Antrag an: „Damit steht ein Abbruch des Lokschuppens, einschließlich der dazugehörigen Betriebsgebäude und der Drehscheibe mit Gleisanlagen, nicht zur Disposition.

Teilansicht des Lokschuppens von der Bahnseite. Bei dem Denkmal sind inzwischen Teile des Daches eingestürzt, nachdem jahrelang für den Erhalt nichts getan worden ist. Foto Sven Krebs cc, Wikipedia

Teilansicht des Lokschuppens von der Bahnseite. Bei dem Denkmal sind inzwischen Teile des Daches eingestürzt, nachdem jahrelang für den Erhalt nichts getan worden ist. Foto Sven Krebs cc, Wikipedia

Des weiteren erklärte Herr Baumann, „dass der Lokschuppen des Hauptbahnhofs Marburg ein Kulturdenkmal ist und in die Denkmaltopografie über das Eisenbahnwesen in Hessen aufgenommen wurde“. Hier sei auch auf die Stellungnahme zur Anfrage aus dem Stadtparlament (Kleine Anfrage der PDS/ML Fraktion am 23. 11. 2004 durch Astrid Kolter, d. Verf.) hingewiesen einen Abbruch des Lokschuppens zu versagen.

Aus der von Herrn Udo Baumann angesprochenen Topografie geht hervor, dass der Lokschuppen, die Waggonhalle und die dazugehörigen Betriebsgebäude zu den ältesten baulichen Anlagen der Main-Weser-Bahn in Hessen gehören. Der älteste Gebäudeteil mit acht Ständen und den Betriebsgebäuden wurde 1876 errichtet (aus dem Protokoll des DBR vom 5. 12. 2006).

Bis in das Jahr 2006 geschah nichts. Erst am 7. 12. 2006 fasste der DBR folgenden Beschluss: „Der Denkmalbeirat unterstützt uneingeschränkt die zwingend notwendigen denkmalschutzrechtlichen Maßnahmen der UDSchB, die gewährleisten sollen, dass umgehend die notwendigen Sicherungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an dem Lokschuppen des Hauptbahnhofs Marburg durchgeführt werden. Der Deutschen Bahn soll hierzu eine Frist gesetzt werden“ (aus: Protokoll des DBR vom 7. 2. 2006).

Monate nach diesem Beschluss nahm die UDSchB Kontakt mit dem „Deutschen Spielarchiv/Spiellabyrinth, Modell Leipzig“ (Herrn Dr. Bernhard Thole) auf um zu eruieren, ob das „Waggonhallen Gelände“ sich für eine Erweiterung des bisherigen Spielarchiv am Barfüßertor eignen könnte. Diskutiert wurde die Einrichtung eines Spiellabyrinths im Freien unter Einbeziehung der ehemaligen Reithalle (heute Kletterhalle) als Archiv für die bundesweit größte Spielesammlung. Auch Spielaktivitäten und vieles mehr unter Beteiligung des Unternehmens „Ravensburger Spiele“ wurde mit dem damaligen Oberbürgermeister Vaupel diskutiert.

Wir wissen heute, dass diese lukrative Nutzung in Bahnhofsnähe eine bundesweit einmalige Gelegenheit gewesen wäre. Nichts wurde daraus! Das „Deutsche Spielarchiv“ verließ Marburg in Richtung Norden. Eine einmalige Chance wurde leichtfertig vergeben. Aus dem Protokoll der DBR Sitzung vom 7. 11. 2006 geht hervor, dass das Projekt des Spielarchivs eine sehr realistische Nutzung und somit den Erhalt des Lokschuppens dargestellt hätte.

Die Waggonhallen, als sie noch ihrem Erbauungszweck gedient haben

Die Waggonhallen, als sie noch ihrem Erbauungszweck gedient haben. Foto nn

Es gab in dieser Zeit weitere bundesweite Anfragen für die Nutzung des Gebäudes, sogar mit Kostennutzungsrechnungen. Keiner dieser Nachfragen wurde ernsthaft nachgegangen. Im Gegenteil: Heute behauptet der Baudezernent, das sei alles nichts Ernsthaftes gewesen, was sich gelohnt hätte zu überprüfen. Alles zu teuer für die Stadt!

Erst Ende des Jahres 2008 lud das Kulturamt Marburg zu einem Ideenwettbewerb auf das Waggonhallengelände ein (s. Oberhess. Presse „Viele Ideen und wenig Geld“ vom 21. 10. 2008).  Am 26. 10. 2008 trafen sich eine ganze Reihe von Interessenten zu einer „Zukunftswerkstatt“, wie das Treffen von der Stadträtin Kerstin Weinbach genannt wurde. Vom Alpenverein (Kletterhalle), der Blista (Museum mit alten Punktschriftmaschinen) bis hin zu der Kindermalschule KunstWerkstatt Abraxas wurden Ideen diskutiert, um ein stimmiges Nutzungskonzept des Lokschuppens zu finden, der zu dieser Zeit noch im Besitz der Deutschen Bahn war.  Baudezernent und Bürgermeister Kahle stand diesen Ideen sehr negativ gegenüber.

Er qualifizierte das historische Gebäude, in dem er in dem Pressebericht sagte: „Es ist kein Unikat und keine Rarität.“ Mit beiden Behauptungen hatte er schon damals unrecht, denn alle hessischen Lokschuppen, soweit sie schon nutzbar gemacht worden waren, hatten nicht die Größe des Marburger Lokschuppens und vor allem keine funktionsfähige Drehscheibe mehr. Ganz abgesehen von der historischen Bedeutung als Mittelpunkt der Ende des 19. Jahrhunderts erbauten Main-Weser-Bahn.

(Zitat aus der Denkmaltopografie Marburg II, Seite 146): „Ein Bahnhofslageplan aus dem Jahr 1854 zeigt bereits eine recht stattliche Anlage. Wagenschuppen und Maschinenhaus, ein Komplex aus Lokschuppen und Werkstattgebäude, verweisen darauf, dass die Erbauer der Anlage hier mit einem Beginnen und Enden der Züge rechneten.“  Weit vorausgedacht! Mehrere hundert Bedienstete fanden in den Bahnanlagen Brot und Arbeit. Außerdem hatte die Anlage eine große strategische und wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt Marburg. Den Lokschuppen aus diesem Ensemble herauszunehmen, nachdem außer dem Lokschuppen alle erhaltenen Gebäude mittlerweile einer Nutzung zugeführt wurden, wäre ein frevelhafter, historischer Fehler, der Marburg außerordentlich schaden würde.

Nach der Pensionierung des Leiters der UDSchB, Herrn Ritter, 2009 wurde es zunehmend stiller in der Diskussion um die Zukunft des Lokschuppens. Auch nachdem die Stadt 2011 das Waggonhallengelände von der Bahn (Aurelis) erworben hatte, kümmerte sich niemand mehr um den Lokschuppen, der zunehmend dem Verfall ausgesetzt war. Erst als das Dach in dem neuerem Teil des Gebäudes eingestürzt war und der Denkmalbeirat in seinen monatlichen Sitzungen immer wieder darauf hingewiesen hatte, dass akuter Handlungsbedarf zur Rettung des Lokschuppens besteht und sich nichts tat, kam der Verdacht auf, dass man das Gebäude weiter verfallen lassen will, um es dann abrissreif für viel Geld an einen Investor weiter zu verkaufen. In nahezu jeder Sitzung des DBR wurden Sachstandsberichte gefordert.

Erst 2014 beauftragte die GeWoBau als Besitzerin der Liegenschaft den Tragwerkingenieur Dr. Böttcher den Zustand der Halle zu begutachten. In der Dezembersitzung des DBR 2014 berichtete dieser: „Insgesamt zeigt sich ein sehr differenziertes und unterschiedliches Schädigungsbild der Konstruktion. Teile der Konstruktion befinden sich in einem sehr gutem Zustand und andere, ca. 30 Prozent der Konstruktion in einem sehr stark geschädigten Zustand. Hier ist ein akuter Handlungsbedarf erforderlich“ (aus: Protokoll des DBR vom 9. 12, 2014).

Des weiteren wies er darauf hin, dass die Halle weitere zwei Jahre nicht überstehen werde. Die Sanierungskosten wurden zu dieser Zeit auf 1,2 Millionen Euro geschätzt. Wegen des akuten Handlungsbedarfs sprach sich der DBR „ … für eine kostengünstige Sofortmaßnahme in Form von reversiblen Gerüsttürmen zur Lastabtragung und einer Folien- oder Trapezblechnotabdeckung der rund 2000 qm großen Dachfläche“ aus.

Die GeWoBau beabsichtigte in 2015 mit den Sanierungsarbeiten zu beginnen. Mit Erstaunen stellte der DBR in der Dezembersitzung 2015 fest, dass ein ganzes Jahr vergangen war, ohne dass von den angekündigten Sicherungsmaßnahmen irgendetwas in Auftrag gegeben worden war.

In einem Beschluss wurde bis März 2016 die Darstellung der Umsetzung der Sicherungsmaßnahmen gefordert. Am 4. Januar 2016 stellte die Fraktion der „Bürger für Marburg“ an die Stadtverordnetenversammlung folgenden Antrag: “1. Der Magistrat wird aufgefordert,der Stadtverordnetenversammlung ein Konzept zur Sicherung des Industriedenkmals Lokschuppens vorzulegen. 2. Der Magistrat wird darüber hinaus gebeten, die bereits vorhandenen Planungen und Konzepte gesammelt darzustellen, so dass deutlich wird, wie ein Gesamtkonzept sowohl baulich als auch verkehrlich und nutzerorientiert aussehen kann. Dabei sind auch folgende Aspekte mit zu berücksichtigen: – Verkehrskonzept für eine barrierefreie Anbindung – Beteiligung der Bürger(innen) an der Planung.

Mit einer Gegenstimme wurde dem Antrag von allen Fraktionen zugestimmt. In der Sitzung des Gestaltungsbeitates (der im Gegensatz zum DBR für seine Tätigkeiten und Empfehlungen keine rechtliche Verankerung im Hess. Denkmalschutzgesetz hat) am 20. 01. 2016 teilte Dr. Böttcher mit, dass sich die Sicherungskosten inzwischen auf 2 Mill. Euro erhöht hätten. Daraufhin formulierte der Gestaltungsbeirat folgendes Ergebnis seiner Beratungen: Es „ …wird u.a. vorgeschlagen, Teile des Kulturdenkmals aufzugeben, um dort rentable Neubebauung in angepasster Form zu ermöglichen und dafür Gebäudezonen in besserem Erhaltungszustand (Achsen 1 bis 9) zu sanieren (gemeint ist hier der Inneneinbau von Mauern bis zum Dach, d. Verf.).

Wichtig wäre dafür eine „extensive Nutzung (evtl. Haus-im Haus-Konzept), die die historische Konstruktion frei lässt. Nach Ermessen des Gestaltungsbeirats sind hierfür eine Wohnbebauung des Schuppens und andere intensive Nutzungen nicht geeignet. Diese könnten evtl. in Anbauten bzw. Neubauten in unmittelbarer Nähe realisiert werden. Eine qualitätvolle Freiraumgestaltung (auch der ehemaligen Drehscheibe) ist zu erarbeiten und bietet besondere Chancen für eine Neunutzung.

Wieder wartete die Marburger Öffentlichkeit nach den vielen Empfehlungen aus Beiräten, aus der Bevölkerung (Leserbriefe) und dem im März gegründeten „Förderverein Lokschuppen Marburg“ auf Aktivitäten des Magistrats. Im Mai äußerte sich der neue Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei seinem Antrittsbesuch im öffentlichen Teil der Sitzung des DBR zum Tagesordnungspunkt 4 „Austausch mit dem Oberbürgermeister zur Zukunft des Lokschuppens“ zum Thema.

Im Protokoll heißt es: „Der Denkmalbeirat erhebt besondere Kritik an einer nicht zeitgerechten Umsetzung eines Notdaches, um die Bausubstanz vor dem Verfall zu schützen. Durch ein Notdach würde wertvolle Zeit für die Erstellung eines denkmalverträglichen Nutzungskonzeptes und die Suche nach Investoren für den Lokschuppen gewonnen. Durch den Herrn OB Dr. Spies wird die Prüfung der Finanzierung eines Notdaches zum Schutz der Bausubstanz zugesichert.

In der Diskussion ließ sich der OB zu folgender sinngemäßen Bemerkung hinreißen: Wenn jemand kommt und mir einen Euro für den Lokschuppen gibt, kann er ihn haben! Diese Bemerkung wurde öffentlich diskutiert und von der Marburger Immobilienfirma S+S Grundbesitz GmbH(Schreyer) aufgegriffen. In einem Bericht in der Oberhessischen Presse am 8. 7. 2016 teilte der Eigentümer der Immobilienfirma mit, dass er das Gebäude für einen Euro kaufen würde, da er „seit 20 Jahren tagein, tagaus von seinem Büro im Krummbogen auf die Bahnschienen und das gegenüberliegende Waggonhallengelände“ schaue.

Er habe gerechnet und der Stadt eine Idee vorgelegt, die er gerne umsetzen würde: den Lokschuppen für einen Euro kaufen um daraus ein Wohnhaus zu bauen. In dem Artikel schilderte er Einzelheiten seiner Überlegungen: das Dach für eine zwei- bis dreigeschossige Wohnbebauung abzunehmen und die frühere Drehscheibe als „Café Drehscheibe“ zu gestalten. Diese Pläne mit Finanzierungskonzept liegen dem Magistrat und Bauamt vor.

Jeder aufmerksame Leser weiß, dass diese Nutzungspläne nach dem Hess. Denkmalschutzgesetz §§ 1, 2, 11 und 12 nicht realisiert werden können. Die Stadt darf Herrn Schreyer den Lokschuppen für seine Pläne nicht verkaufen!  Seit der Mai Sitzung des DBR ist eine lebhafte Diskussion über die Zukunft des Lokschuppens entbrannt. So stellten die Vorsitzenden des „Fördervereins Lokschuppen Marburg“ in der Juni-Sitzung ihr Konzept vor.  „Der Lokschuppen soll nach den Vorstellungen des Fördervereins durch eine Hausin- Haus-Konzeption multifunktional genutzt werden bei weitgehender Erhaltung der Originalsubstanz. Das Konzept sieht eine Kurzzeitvermietung von Einzelflächen, bei einem Investitionsvolumen von 6,0 Mio. € für die Gebäudesanierung, vor“ (aus: Protokoll des DBR vom 7. 6. 2016)

Im September 2016 berichtete der Bürgermeister und Baudezernent Dr. F. Kahle dem DBR, dass eine bundesweite Ausschreibung für den Verkauf der städtischen Liegenschaft in Arbeit sei. Es wurde folgender Beschluss gefasst: „Der Denkmalbeirat fordert zur Wahrnehmung seiner Aufgaben eine Beteiligung bereits bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlage.“ (aus: Protokoll des DBR vom 6. 9. 2016) Daraufhin wurde zwei Vertretern des DBR das schon fertige Konzept für die Vorlage an den Magistrat von Herrn Kulle, dem Leiter des Fachbereichs Planen und Bauen, vorgelesen. In der öffentlichen Sitzung des DBR am 4. 10. 2016 wurde dem Beirat wurde von den Vertretern berichtet: „…, dass der Inhalt dieser Vorlage gut geeignet für die Ausschreibung unter Berücksichtigung denkmalschutzrechtlicher Kriterien sei.“ Die Vorlage lag nicht schriftlich vor.

Auf Nachfragen von Herrn Haberle (Öffentlichkeit) erklärte der Bürgermeister, dass in der Ausschreibung definitiv eine Wohnnutzung des Areals ausgeschlossen werde und dass sämtliche Möglichkeiten zum Erhalt von Zuschüssen durch das Landesamt für Denkmalpflege ausgeschöpft würden“ (aus: Protokoll vom 4. 10. 16).  Der DBR beschloss daraufhin: „Die Ausschreibungsunterlagen werden unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Belange erstellt“. So weit, so gut, dachten alle Beteiligten der Diskussion, bis die Vorlage genauerer Betrachtung unterzogen werden konnte. Auf der Seite 4 der fünfseitigen Vorlage steht nämlich: „Als Voraussetzung für die Umsetzung von Vorhaben, die innerhalb dieses Nutzungskataloges nicht subsumiert werden können, ist die Änderung des Planungsrechtes durch eine verbindliche Bauleitplanung (Bebauungsplan) notwendig und vom Vorhabenträger zu finanzieren.

Um Wohnbebauung auf diesem Gelände zu genehmigen, bedarf es unbedingt einer Änderung des gültigen Bebauungsplanes, der bisher nur Gewerbe, Kultur und Sport erlaubt, auf keinen Fall aber Wohnen. Hinzu kommt, dass für den Wohnungsbau auch die Sanierung des Bodens von nicht unerheblichen Altlasten unumgänglich wäre! Alle Belange des Denkmalschutzes sind in der Vorlage enthalten. Aus den umfangreichen Bedingungen für den Erwerb und die Nutzung durch einen Interessenten geht hervor, dass unter Erhaltung des HDSchG § 2, nur eine soziokulturelle Nutzung, die sich natürlich an dem bereits seit Jahren Bestehenden zu orientieren hat: Theater, Kabarett, Gastronomie, Kunstateliers, Handwerk und Sport.

Da aber die Bewerbungszeit von 4 bis 6 Wochen viel zu kurz ist, um ein Nutzungs- und Finanzierungskonzept zu erstellen, das die Bedingungen für einen Erwerb erfüllt, kommt der berechtigte Verdacht auf, dass die Verantwortlichen der Universitätsstadt Marburg gar keine Weiterentwicklung der soziokulturellen Strukturen auf dem „Waggonhallenareal“ wollen.

Es scheint vielmehr nur darum zu gehen, den lästigen Lokschuppen möglichst schnell los zu werden, ohne selber einen Euro dafür in die Hand nehmen zu müssen und vielleicht durch den Verkauf der Liegenschaft die Stadtkasse aufzufüllen. Was liegt da näher, als dem stadtbekannten Vorhabenträger (oder besser Investor) Schreyer den Zuschlag zu geben. Hat er doch längst, wie oben beschrieben, ein fertiges Nutzungs- und Finanzierungskonzept.

Überall in Marburg, vor allem im Norden der Stadt, sind die Schreyerhäuser zu bewundern. Sie unterscheiden sich in ihrer Architektur lediglich in der Farbgebung. Ob die Bürgerinnen und Bürger der Stadt ein weiteres Schreyerhaus auf einem denkmalgeschützten Areal haben wollen oder nicht, ist offensichtlich ohne Belang, wie alle anderen von der Baugenehmigungsbehörde der Stadt genehmigten Bebauungen dieser Immobilienfirma zeigen.

So sind die Eingaben der Ortenberggemeinde zur Bebauung der Alten Gärtnerei in der Alten Kasselerstraße auch nicht berücksichtigt worden. Hier wurde landeseigenes Bauland leichtfertig verkauft um hochwertigen Wohnungsbau zu ermöglichen, den sich kaum ein Marburger Bürger oder Bürgerin leisten kann. Sozialer Wohnungsbau durch die stadteigene GeWoBau wäre an dieser Stelle sinnvoller gewesen. In  der Sitzung der Agenda nachhaltige Stadtentwicklung am 2. November 2016 wurde bei nur einer Enthaltung festgestellt, dass der Lokschuppen ausschließlich für die Nutzung soziokultureller Einrichtungen saniert und verkauft werden darf.

Hierzu der Bericht der Agendagruppe für den Bau- und Planungsausschuss: Bericht der lokalen Agenda AG nachhaltige Stadtentwicklung 11/2016 „1. Entwicklung Lokschuppen In der Sache der Entwicklung des Ringlokschuppen im ehemaligen BW unterstützt die AG nachhaltige Stadtentwicklung die Positionen der Interessengruppen und des Fördervereins. Eine Wohnbebauung in diesem Areal würde die kulturell-touristische Nutzung einschränken, wenn nicht unmöglich machen (Aspekte des Lärmschutzes, Verkehr etc.). So würde eine große Chance auf die Entwicklung eines kulturellen Zentrums und touristischem Anziehungspunkt mit regionalen Alleinstellungseigenschaften leichtfertig vergeben. Hierzu fasste die AG einstimmig folgenden Beschluss: Die lokale Agenda nachhaltige Stadtentwicklung fordert, dass das Areal des Ringlokschuppens ausschließlich einer kulturellen und touristischen Nutzung zugeführt wird. Wohnbebauung soll ausgeschlossen sein. Die AG nachhaltige Stadtentwicklung möchte daher ermuntern, den Beschluss der STVV zur Ausschreibung Lokschuppen noch einmal zu überdenken und sowohl den Zeitrahmen zu erweitern, so dass alternative Konzepte eine realistische Chance erhalten, als auch die Option auf Wohnbebauung auszuschließen.

Die Universitätsstadt Marburg muss aufpassen, dass sie nicht noch mehr Denkmäler verliert. Alle die aufzuzählen, die zugunsten von qualitativ anspruchsloser Architektur und durch leichtfertige Abrissgenehmigungen bis heute verloren gegangen sind, würde ganze Seiten füllen.

Nicht ohne Grund ist der bereits 3. Anlauf der Stadt in den erlauchten Kreis der Orte aufgenommen zu werden, die die strengen Bedingungen zur Aufnahme in die Weltkulturerbeliste erfüllen, abgelehnt worden.   Zu sehr ist der unmittelbar bebaute Ring um die Altstadt in den letzten Jahrzehnten verschandelt worden. Aktuelle Planungen zur Verdichtung der Kernstadt (vom Süden bis zum Norden, diesseits und jenseits der Lahn) setzen die Fehlentwicklung in Stadtplanung fort.

Die Entwicklung eines Stadtentwicklungsplanes unter echter Bürgerbeteiligung könnte diese Fehlentwicklungen stoppen, könnte weitere Verschlimmerungen und Verschandlungen verhindern.  Nun fragt man sich: Warum ist in den 12 Jahren so viel so schlecht gelaufen? Eine Antwort könnte sein: Mit mehr Bürgerbeteiligung und unter Einbeziehung aller schon im Waggonhallenareal tätigen Unternehmen und Institutionen wäre vielleicht schon damals eine für alle verträgliche Lösung möglich gewesen – und das zu wesentlich geringeren Sanierungskosten. Zu dieser Zeit sprach man noch von 200 000 Euro!

Aber da hilft alles Lamentieren nichts. Jetzt muss eine Lösung für das Projekt „Lokschuppen“ gefunden werden. Denkbar ist eine aktive oder auch passive Mitarbeit in der „Interessengruppe Lokschuppen“ und eine Unterstützung durch Spenden. Aktive und passive Mitarbeit ist auch im „Förderkreis Lokschuppen Marburg“ möglich. Hierzu muss man allerdings Mitglied des Vereins werden.

Auch die aktive Teilnahme an den öffentlichen Sitzungen des Bau- und Planungsausschusses, des Denkmal- oder Gestaltungsbeirates ist sinnvoll. Auf den Magistrat kann man nur wenig zählen. Der ist vor allem daran interessiert, das Objekt ohne größeren finanziellen Eigenschaden los zu werden. Sehr spät lädt der Magistrat zu sogenannten Bürgerversammlungen ein. Meistens aber erst dann, wenn alles schon entschieden ist. Trotzdem sollte man daran teilnehmen.

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