Hessens größtes Planetarium ab November 2024 wieder geöffnet

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Bauen mit Lehm

Marburg 18.12.2016  Gastbeitrag  von Ursula Wöll. Der Architekt Francis Kéré wurde 1965 in Gando/Burkina Faso geboren. Als erster des Dorfes besuchte er weiterführende Schulen und studierte dann an der TU Berlin. In Berlin residiert auch sein Büro, doch seine realisierten Bauten liegen bislang in Afrika. Sie werden international hoch gelobt, weil sie für ökologisches und sozial engagiertes Bauen stehen. Schon sein erstes Projekt, die Grundschule seines Heimatortes Gando mit ihren Wänden aus Lehmbausteinen, gewann einen renommierten Architekturpreis. Das Architekturmuseum München präsentiert sein Werk nun bis zum 26. Februar in einer Ausstellung mit dem Titel „Francis Kéré. Radically Simple“. Begleitet wird sie von einem schönen und informativen Katalog, dessen Lektüre den weiten Weg nach München fast ersetzt (Hatje Cantz Verlag, 34,80 Euro).

Die 2001 erstellte Grundschule war die erste in Gando und bald zu klein für den SchülerInnen-Andrang. 2008 erhielt sie einen Anbau, wiederum entworfen von Francis Kéré, der das Preisgeld dazu verwandte. Und wiederum bezog er die Anwohner in Planung und Ausführung ein. Ein Foto  zeigt Frauen in ihren farbenfrohen Kleidern, die bauchige Tonkrüge auf dem Kopf zur Baustelle tragen. Dort wurden die Krüge oben und unten abgesägt und in die Decke eingesetzt, um für Luftzirkulation zu sorgen. Die unkonventionelle Idee entstand in den Diskussionen vor Ort und ersetzt eine teure und komplizierte Klimaanlage. Durch die Gespräche mit den Anwohnern entstand auch eine neue Wertschätzung  alter Bautraditionen.

Team des Architekten Francis Kéré

Dem Bauen mit Lehm haftet heute selbst in Afrika das Image des Ärmlichen an. Francis Kéré räumte damit auf, weil er den frei verfügbaren und vor Ort formbaren  Naturbaustoff  mit ‚modernen‘ Materialien wie Wellblech kombinierte, vor allem aber, weil seine Bauten von hoher Ästhetik sind. Schon die warme Farbe von Lehm oder Laterit harmoniert mit der Savannenlandschaft. Und durch die wärmeregulierende Eigenschaft des Naturstoffes bieten die Räume ein angenehmes Klima. So engagierte sich wiederum das ganze Dorf und stampfte unter Singen die Lehmböden, die nach dem Trocknen steinhart werden. In Mopti/Mali errichtete Francis Kéré 2010 in Sichtweite der Welterbe-Moschee aus Lehm ein ‚Zentrum für Architektur‘. Dessen Dauerausstellung preist die Vorzüge und Schönheiten des Baustoffs Lehm. Angegliedert ist ihm eine Öffentliche Toilettenanlage, die in Mopti fehlte. Typisch Kéré, der seine Architektur an den Menschen orientiert.

In Gando kamen noch eine Bibliothek und Wohnhäuser für die Lehrer hinzu, unweit entstand eine Oberschule. Auch die Wände dieser Gebäude bestehen aus Lehm, der mit ganz wenig Zement vermischt, geformt und getrocknet wird oder aus Lateritbausteinen, die direkt vor Ort aus dem feuchten Material geschnitten und getrocknet werden.  Hauptkennzeichen aller Gebäude ist, dass sie abgehängte Wellblech-Dächer haben, damit die Luft zirkulieren kann. Sie ruhen auf einer filigranen Stahlkonstruktion und kragen weit über, um vor Sonne und Regen zu schützen

Christoph Schlingensief vertraute Francis Kéré die Planung seines Operndorfs in Laongo an. Bis heute sind dort Wohnhäuser, eine Kantine, ein Waisenhaus und eine Gesundheitsstation realisiert, weil sie vordringliche Bedürfnisse befriedigen. Das geplante Festspielhaus existiert bisher noch als Zeichnung. Nahe der Grenze zu Ghana realisierte Kéré eine chirurgische Klinik, die einzige für 50.000 Menschen im Umkreis. Bald wird es auch in Deutschland Kéré-Projekte geben, denn der Architekt gewann die Wettbewerbe zur Konversion der früher militärisch genutzten Taylor Barracks in Mannheim sowie der Oxford Kaserne in Münster. Hier existiert bereits viel Bausubstanz, so dass Lehm wohl keine Rolle spielen wird.

Das bedeutet nicht, dass der auch hier massenhaft verfügbare Baustoff  für unsere Breiten  unattraktiv wäre. Lehm in Fachwerk-Gefachen ist weiter gebräuchlich. Doch erst der nun emeritierte Professor Gernot Minke von der Universität Kassel machte mit seinen Büchern den Hausbau mit natürlichen Stoffen hierzulande salonfähig. Bislang ohne durchschlagenden Erfolg, obwohl er selbst in einem Lehmhaus mit begrüntem Dach wohnt. Auch die Wiederentdeckung alter Häuser aus Stampflehm in Weilburg machte Furore. Eines davon besitzt fünf Stockwerke, in einem anderen existiert eine Zahnarztpraxis. Der Landesherr mit Jagdleidenschaft hatte verboten, mit Holz zu bauen, wie ja auch in Burkina Faso Holz Mangelware ist. Die Weilburger Häuser  beweisen, dass Lehm unser feuchtes Klima verträgt, wenn die Stampflehmwände verputzt und auf ein Steinfundament gesetzt werden.

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