Ausbildungsvergütungen: Regionale Unterschiede bis zu 299 Euro im Monat
Marburg 16.7.2017 (pm/red) Seit Jahren sind die beliebtesten Ausbildungsberufe in Deutschland immer die gleichen: Bei jungen Frauen sind es vor allem kaufmännische Berufe im Büromanagement und Einzelhandel sowie Verkäuferin und medizinische Fachangestellte. Bei jungen Männern stehen hingegen Kfz-Mechatroniker, Elektroniker, Industriemechaniker sowie Einzelhandelskaufmann ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Für die konkrete Wahl des Ausbildungsplatzes spielt neben dem inhaltlichen Interesse auch die Höhe der Ausbildungsvergütung eine wichtige Rolle, berichtet das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Die tarifvertraglich geregelten Ausbildungsvergütungen fallen je nach Branche und Ausbildungsjahr sehr unterschiedlich aus. Die Spannbreite reicht von 570 Euro im Kfz-Handwerk Thüringen im 1. Ausbildungsjahr bis zu 1.580 Euro im westdeutschen Bauhauptgewerbe im 4. Ausbildungsjahr (siehe auch die Tabelle und die Abbildungen im Anhang). Dies geht aus einer aktuellen Auswertung von Tarifverträgen in ausgewählten Wirtschaftszweigen und Tarifbereichen hervor, die das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf vorlegt.
Für das 1. Ausbildungsjahr lassen sich drei Gruppen unterscheiden (siehe auch Grafik). Die höchsten Ausbildungsvergütungen mit monatlichen Beträgen zwischen 900 und 1.000 Euro finden sich in der Metall- und Elektroindustrie, der Chemischen Industrie, dem Bank- und Versicherungsgewerbe, der Druckindustrie sowie im Öffentlichen Dienst. Der Spitzenreiter ist dabei die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg, die ihren Auszubildenden eine Vergütung von 994 Euro im Monat zahlt.
Eine zweite Gruppe mit Ausbildungsvergütungen zwischen 700 und 900 Euro umfasst in Westdeutschland Branchen wie die Textilindustrie, den Einzelhandel und das Hotel- und Gaststättengewerbe, das private Verkehrsgewerbe, die Süßwarenindustrie und die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie. Hinzu kommen die Deutsche Bahn AG sowie das Bauhauptgewerbe, wo die Ausbildungsvergütungen für gewerbliche Auszubildende sowohl in West- als auch in Ostdeutschland oberhalb von 700 Euro liegen.
In der Gruppe mit den niedrigsten Ausbildungsvergütungen mit Beträgen von weniger als 700 Euro finden sich hauptsächlich ostdeutsche Tarifbereiche, aber auch z. B. das westdeutsche Gebäudereinigerhandwerk. Das Schlusslicht mit Vergütungen unterhalb von 600 Euro bildet das ostdeutsche Kfz-Handwerk. Für Ausbildungsvergütungen gilt der gesetzliche Mindestlohn nicht. In den gewerkschaftlichen und politischen Jugendverbänden gibt es zum Teil die Forderung nach einer gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung, die sich am jeweiligen BAföG-Höchstsatz (derzeit 735 Euro) orientieren soll.
Große Unterschiede lassen sich auch für die weiteren Ausbildungsjahre feststellen. Im 3. Ausbildungsjahr variieren die Ausbildungsvergütungen zwischen 1.410 Euro im westdeutschen Bauhauptgewerbe und 670 Euro im Kfz-Handwerk in Thüringen. „Insgesamt zeigen die aktuellen Ausbildungsvergütungen ähnliche Differenzierungen wie die Tariflöhne“, sagt der WSI-Tarifexperte Prof. Dr. Thorsten Schulten. „Neben bundeseinheitlichen Tarifverträgen gibt es solche mit starken regionalen Unterschieden, häufig verbunden mit einem West-Ost-, aber auch mit einem Süd-Nord-Gefälle.“
Nur wenige bundeseinheitliche Tarifregelungen
Bundeseinheitliche Tarifregelungen zu den Ausbildungsvergütungen gibt es nur in wenigen Branchen, wie z. B. bei Banken und Versicherungen, dem Öffentlichen Dienst, der Druckindustrie oder der Deutschen Bahn. Alle anderen Tarifbereiche weisen zum Teil beträchtliche regionale Unterschiede auf.
Legt man das 3. Ausbildungsjahr zugrunde, zeigen sich folgende regionale Differenzen bei den monatlichen Ausbildungsvergütungen:
- In der chemischen Industrie können die Abstände im 3. Ausbildungsjahr bis zu 87 Euro betragen: Im Osten beträgt die Ausbildungsvergütung 1.007 Euro, im Westen reicht sie von 1.005 Euro in Schleswig-Holstein und Bremen bis zu 1.092 Euro im Bezirk Nordrhein.
– In der Metall- und Elektroindustrie betragen die regionalen Unterschiede bis zu 94 Euro: Die tariflichen Ausbildungsvergütungen reichen von 1.056 Euro in Nordrhein-Westfalen bis zu 1.150 Euro in Baden-Württemberg.
– In der Süßwarenindustrie verdienen Auszubildende in Ostdeutschland 898 Euro gegenüber 1.042 Euro in Nordrhein-Westfalen, was einer Differenz von 144 Euro entspricht.
– In der Textilindustrie reichen die Ausbildungsvergütungen von 845 Euro im Osten bis zu 1.033 Euro in Hessen, was einer Differenz von 188 Euro entspricht.
– Im Einzelhandel können die Ausbildungsvergütungen bis zu 205 Euro variieren: Sie bewegen sich zwischen 790 Euro in Mecklenburg-Vorpommern und 995 in Hamburg und Rheinland-Pfalz.
– Im Hotel- und Gaststättengewerbe liegen die regionalen Abstände bei insgesamt 270 Euro: In Mecklenburg-Vorpommern gibt es 680 Euro, in Bayern dagegen 950 Euro.
– Bei den gewerblichen Auszubildenden im Bauhauptgewerbe liegen die Unterschiede bei bis zu 280 Euro mit 1.410 Euro im Westen und 1.130 Euro im Osten.
– Am größten sind die regionalen Unterschiede mit 299 Euro im Kfz-Handwerk, wo in Baden-Württemberg 929 Euro und in Brandenburg 630 Euro gezahlt werden.
Das WSI-Tarifarchiv in der Hans-Böckler-Stiftung bietet zu den Ausbildungsvergütungen einen Online-Service an: Für 27 Wirtschaftszweige und Tarifbereiche können die tariflichen Ausbildungsvergütungen gegliedert nach Ausbildungsjahren abgerufen werden. Dabei werden auch die Unterschiede nach Bundesländern und Regionen sowie zwischen gewerblichen und kaufmännischen Auszubildenden aufgezeigt. Der Service ist kostenlos, die Daten werden ständig aktualisiert.