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Belastete NS-Vergangenheit: Walter-Voß-Weg erhält neuen Namen

Im Beisein zahlreicher Interessierter und Anwohner wurde die Umbenennung des bisherigen „Walter-Voß-Wegs“ zum „Katharina-Eitel-Weg“ vollzogen. Foto Patricia Grähling

Marburg 8.11.2017 (pm/red) Eine Straße in Marburg erhält einen neuen Namen. Das Straßenschild mit dem neuen Namen des ehemaligen „Walter-Voß-Weges“ wurdeenthüllt: Ab sofort trägt der Weg am Ortenberg den Namen der Künstlerin Katharina Eitel. Die Universitätsstadt arbeitet mit der Straßenumbenennung die NS-Vergangenheit Marburgs auf und entzieht dem früheren kommissarischen Oberbürgermeister Walter Voß sämtliche Ehrungen. Der Name „Katharina-Eitel-Weg“ wurde mit Beteiligung der AnwohnerInnen gewählt.

„Die persönliche Geschichte von Walter Voß im Nationalsozialismus war keineswegs ruhmreich“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der Enthüllung des neuen Schildes. Walter Voß war zur Zeit der Machtergreifung der Nationalsozialisten Bürgermeister in Marburg, später wurde er zum kommissarischen Oberbürgermeister ernannt.

Eine Forschungsarbeit von Professor Dr. Eckart Conze und dessen Team von der Philipps-Universität Marburg, 2013 von der Stadtverordnetenversammlung in Auftrag gegeben, förderte die aktive Unterstützung des nationalsozialistischen Regimes durch Voß zu Tage. So war er etwa 1933/34 mitverantwortlich für die Verfolgung von Sozialdemokraten, Kommunisten, Juden und weiteren Marburger Bürgerinnen und Bürgern. Er unterschrieb die Haftbefehle, die beispielsweise die SPD-Mitglieder August Eckel, Justus Bötzel und Georg Gaßmann, sowie die Kommunisten Theodor Abel, Oskar Geiler, Heinrich Schneider und Gustav Schmidt in Schutzhaft brachten. Zusätzlich war Voß förderndes Mitglied der SS sowie des NS-Fliegerkorps gewesen und wurde mit Beginn des Zweiten Weltkriegs unabkömmlich gestellt.

Der Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Marburg beschlossen daher, dass sämtliche gegenüber Walter Voß erteilten Ehrungen zurückgenommen werden. Dazu gehört auch die Umbenennung des „Walter-Voß-Wegs“. Die Stadtverordneten svotierten am 30. Juni einstimmig, die Straße künftig „Katharina-Eitel-Weg“ zu nennen.

„Eine Straßenumbenennung ist aber kein triviales Thema, sondern braucht viel Akzeptanz. Daher haben wir uns entschlossen, diejenigen zu fragen, die in der Straße leben“, sagte Oberbürgermeister Spies. Unter einer Reihe an Vorschlägen sei „Katharina-Eitel-Weg“ am häufigsten genannt worden. „Wir wollen auch in Zukunft darauf achten, dass diejenigen, die in einer Straße wohnen auch Mitsprache bei der Entscheidung für einen Straßennamen haben“, kündigte der OB an. Stadtverordnetenvorsteherin Marianne Wölk drückte Lob aus – für die Arbeit des Teams von Conze an der Studie und für den einstimmigen Beschluss der städtischen Gremien.

Professor Conze sprach bei der Enthüllung über die Ergebnisse der NS-Studien, die zur Namensänderung geführt haben. „An der frühen Diskriminierung und Verfolgung von Juden wirkte Voß mit. Am Ausschluss von Juden von Marburger Märkten und der Legitimierung von Aktionen der SA gegen jüdische Händler war er beteiligt. So gewann er rasch das Vertrauen des Regimes“, sagte Conze. Er lobte zudem: „Dass die Stadt Marburg sich kritisch nicht nur mit der Biographie ihres ehemaligen Bürgermeisters, sondern ihrer Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt und dass sie dies auch in öffentlicher Erinnerung und öffentlicher Auseinandersetzung tut, ist keineswegs selbstverständlich.“ Die Schatten der NS-Zeit ragten noch immer in die Gegenwart hinein, jede Generation sei aufs Neue dazu aufgerufen, sich mit ihr auseinanderzusetzen.

Der Stadtverordnete Henning Köster, der die Umbenennung mit angestoßen hat, betonte, dass die Stadt mit der NS-Studie und der Umbenennung der Straße einen weiteren Teil ihrer Geschichte aufgedeckt habe. Anwesend waren auch Bürgermeister Wieland Stötzel, Stadträtin Kirsten Dinnebier, Magistratsmitglieder und Stadtverordnete sowie Ehrenbürger Amnon Orbach, Claus Schreiner, der Witwer der nun geehrten Künstlerin, und Anwohnerinnen und Anwohner der Straße.

Ein Zusatzschild gibt Informationen zur Person im jetzt umbenannten „Katharina-Eitel-Weg“. Foto Patricia Grähling.

Mit der Neubenennung des Weges nach Katharina Natalie Eitel würdigt die Universitätsstadt Marburg das soziale Engagement der Künstlerin, die häufig für wohltätige Organisationen spendete. Katharina Natalie Eitel wurde am 8. Mai 1946 in Marburg geboren, lange Zeit lebte und wirkte sie selbst im bisherigen Walter-Voß-Weg. Am 22. Mai 2016 verstarb sie im Alter von 70 Jahren. Mit ihrem Testament errichtete sie die gemeinnützige „Stiftung Hoffnung 13“, die sie mit einem Vermögen von rund fünf Millionen Euro ausstattete. Durch diese Stiftung soll Kindern in Kriegs- und Krisengebieten durch die Mitfinanzierung von Bildungsprojekten geholfen werden.

Dr. Sabine Runde (Oberkustodin und Kuratorin des Museums für Angewandte Kunst in Frankfurt) würdigte Katharina Natalie Eitel in ihrem Redebeitrag: „Sie hat Papier zum Thema ihres künstlerischen Lebens gemacht“. In verschiedenen Ländern habe sie sich umfangreiches Wissen über Kulturen und verschiedene Materialien angeeignet. „Die deutsche Geschichte war ständiges Thema ihrer künstlerischen Auseinandersetzung.“ Aber sie stellte auch Konflikte und Sehnsüchte, sowie andere Kulturen in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten. Dabei entwickelte sie eine besondere Nähe zur jüdischen Kultur. „Ihr Wunsch nach Verbindung und Versöhnung manifestiert sich in der Kunst“, schloss Runde den Vortrag.

Hintergrund

Die Stadtverordnetenversammlung der Universitätsstadt Marburg hatte am 31.Oktober 1958 beschlossen, die damalige „Neubaustraße am Spiegelslustweg“ nach Walter Voß zu benennen. Damit sollten dessen Verdienste um die Erhaltung Marburgs nach dem Einmarsch der alliierten Truppen im März 1945 gewürdigt werden. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung durch den Marburger Historiker Professor Dr. Conze und Studierende der Geschichtswissenschaft an der Marburger Philipps-Universität stellte allerdings heraus, dass Walter Voß das nationalsozialistische Regime aktiv unterstützt hat. Während des Krieges wurden ihm immer mehr verantwortungsvolle und vertrauenswürdige Posten von Seiten der NSDAP zugewiesen, wie etwa seine Ernennung zum kommissarischen Oberbürgermeister 1944. Dass ihm die alleinige Verantwortung für die Leitung der Stadt Marburg oblag und kein neuer, bewährter Nationalsozialist berufen wurde, zeugt vom Vertrauen der Partei in Walter Voß. Während seiner gesamten Zeit als Bürgermeister im Nationalsozialismus wird an keiner Stelle oppositionelles Handeln erkennbar, wie es in der Studie heißt.

„Katharina-Eitel-Weg“ heißt der bisherige „Walter-Voß-Weg“ nun. Ein Zusatzschild gibt Informationen über die neue Namensgeberin. Foto Patricia Grähling, Stadt Marburg

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