Hessens größtes Planetarium ab November 2024 wieder geöffnet

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Brüder Grimm-Preis 2017 der Philipps-Universität für Prof. Heide Wunder

Marburg 13.12.2017 (pm/red) „Das Selbstverständliche denken – mit den Brüdern Grimm“. Der Titel war Programm im Festvortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Heide Wunder, die am 24. November in der Aula der Alten Universität den mit 5.000 Euro dotierten Brüder Grimm-Preis 2017 der Philipps-Universität Marburg erhielt. Gerade das Selbstverständliche pflege oft am wenigsten gedacht zu werden, erklärte Wunder in Anlehnung an Max Weber. Den Titel führte Wunder dann mit Beispielen aus dem Vorwort des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm aus und stellte darin den Bezug zu einem ihrer Arbeitsschwerpunkte her, der Geschlechtergeschichte in der Frühen Neuzeit.

Im Vorwort des 1852 erschienenen Wörterbuchs heißt es: „Warum sollte sich nicht der vater ein paar wörter ausheben und sie abends mit den knaben durchgehend zugleich ihre sprachgabe prüfen und die eigne anfrischen? die mutter würde gern zuhören.“ Ganz selbstverständlich werde hier das väterliche Bildungsideal an die männliche Linie weitergegeben, erläuterte Wunder. Von Töchtern sei im Vorwort keine Rede, denn für sie sei der Besuch einer höheren Schule oder der Zugang zu höherer Bildung nicht vorgesehen gewesen.

„Die Forschung, die Frauen in der Frühen Neuzeit zum Gegenstand macht, ist an diesem Ort sehr willkommen“, sagte Universitätspräsidentin Prof. Dr. Katharina Krause in ihrem Grußwort mit Hinweis auf die Aula der Alten Universität. Die Gemälde an der Stirnseite der Aula. Diese zeigen Männer beim Aufbruch in den Krieg und Frauen bei der Krankenpflege – und geben wilhelminische Rollenbilder wieder. „Ich sehe die Ehrung als Anerkennung der Themen, an denen ich seit 50 Jahren arbeite“, sagte Wunder. Als Historikerin habe sie keine Themen bearbeitet, die Schlagzeilen machen. Umso mehr freue sie sich über die Verleihung des Brüder Grimm-Preises der Philipps-Universität.

„Durch ihre Forschungsleistungen zählt Heide Wunder zu den bedeutendsten Vertreterinnen der Geschlechtergeschichte im deutschsprachigen wie im internationalen Raum“, begründet die Preiskommission ihre Wahl. „Ihre Studien zur Frauen- und Geschlechtergeschichte haben deutlich gemacht, dass „gender“ keine Ideologie ist, sondern eine zentrale Forschungsrichtung, die sich mit der Entstehung, dem Wandel und den Konstruktionsbedingungen von Geschlechterverhältnissen als einer Grundkategorie sozialer Ordnung auseinandersetzt und damit deren Historizität und Gestaltbarkeit unterstreicht.“

Mit den Brüdern Grimm verbindet Heide Wunder nach Auffassung der Auswahlkommission für den Brüder Grimm-Preis ihr wissenschaftliches Arbeiten; der genaue, kritische Blick auf die kleinen, unscheinbaren Dinge der Lebenswelt, die doch einen neuen Blick auf das Ganze eröffnen; ihre immer über Disziplingrenzen hinwegreichenden Fragen und Arbeitsweisen, die Sozialgeschichte immer mit Rechtsgeschichte, Volkskunde, Sprach- und Literaturgeschichte verknüpft. Das erläuterte Prof. Dr. Inken Schmidt-Voges (Universität Marburg) in ihrer Laudatio.

Prof. Dr. Stefan Brakensiek von der Universität Duisburg-Essen bezeichnete Heide Wunder in seiner Laudatio als großes Vorbild und erläuterte, was sie dazu mache: „Es ist diese Mischung aus intellektueller Neugierde, aus profundem Wissen über vielfältige historische Sachverhalte und aus nüchterner akademischer Redlichkeit – gepaart mit einer durch nichts zu erschütternden Heiterkeit.“

Prof. Dr. Dr. h.c. Heide Wunder war von 1977 bis 2004 Professorin für Sozial- und Verfassungsgeschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Kassel. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist die Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit. In ihrer 1992 erschienenen Monographie „Er ist die Sonn‘, sie ist der Mond. Frauen in der Frühen Neuzeit“ verfasste sie Thesen und Deutungsmodelle, die mit gängigen Geschichtsbildern brachen. Die zunehmende Unsichtbarkeit und Geringschätzung der häuslichen Arbeit von Frauen wird darin als Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaften gesehen, wohingegen sich Ehepaare in der frühen Neuzeit wesentlich als Arbeitspaar definierten, das den gemeinsamen Haushalt gleichberechtigt bewirtschaftete. 1998 wurde die Monographie ins Englische übersetzt.

Heide Wunder ist Mitbegründerin des Internationalen Forschungsnetzwerkes „Gender Difference in the History of European Legal Cultures“ und war Mitherausgeberin zweier wissenschaftlicher Reihen sowie der Zeitschrift „Historische Anthropologie“. Im Jahr 2008 wurde Heide Wunder mit der Ehrendoktorwürde der Universität Basel ausgezeichnet. Wunder gehört zu den international profiliertesten Vertreterinnen der deutschsprachigen Forschung über die Frühe Neuzeit.

Brüder Grimm-Preis der Philipps-Universität

Die Philipps-Universität Marburg verleiht den Brüder Grimm-Preis in der Regel alle zwei Jahre für hervorragende Leistungen auf den Forschungsgebieten der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, insbesondere den Sprach- und Literaturwissenschaften, der Volkskunde, der Rechtsgeschichte und der Geschichtswissenschaft. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Zu den früheren Preisträgern gehören unter anderem die US-amerikanische Autorin Ruth Klüger (2014) und Prof. Dr. Heribert Prantl aus der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung (2012).

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