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Unzufriedenheit mit InteA-Schulunterricht für Geflüchtete

Expert/innen beim Fachgespräch des Netzwerkes „BLEIB In Hessen II“:
von links: Angelika Funk (Geschäftsführerin Mittelhessischer Bildungsverband e.V.), Annette Wippermann (Referentin für Grundsatzfragen und Arbeitsmarktpolitik Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e.V.), Julia Becker (Beraterin BLEIB in Hessen II), Lydia Koblovsky und Merle Drusenbaum (Koordination BLEIB in Hessen II), Dr. Ralf Siebert (INTEA-Koordinator Wirtschaftsschule Oswaldsgarten in Giessen), Christoph Rettler (Berater BLEIB in Hessen II), Gerlind Jäckle (Geschäftsführerin Praxis GmbH)
Foto:nn, Mittelhessischer Bildungsverband e.V.

Marburg 6.2.2018 (pm/red) Innerhalb von zwei Schuljahren sollen junge Geflüchtete im Alter von 16 bis 20 Jahren an Berufsschulen Deutsch lernen und gleichzeitig einen Hauptschulabschluss schaffen, um damit in Ausbildung und Beruf zu gehen. Mit diesem Ziel – „Integration durch Abschluss und Anschluss (InteA)“ – wurden 2015 die InteA-Klassen vom hessischen Kultusministerium ins Leben gerufen. Im Rahmen eines Treffens der Geschäftsführer/innen von „BLEIB in Hessen II“ wurden Dr. Ralf Siebert, InteA-Koordinator an der Wirtschaftsschule am Oswaldsgarten in Gießen und Annette Wippermann vom PARITÄTISCHEN Hessen zum Fachgespräch geladen zum Thema „InteA: Hürden und Perspektiven für geflüchtete Menschen“. Gemeinsam mit den BLEIB-Berater/innen der Praxis GmbH aus Marburg, Julia Becker und Christoph Rettler, waren sie sich einig, dass das Ziel von InteA ohne Verbesserungen und alternative Angebote nur bedingt erfüllt werden kann.

„InteA war eine notwendige und wichtige Maßnahme, als kurzfristig Schulplätze für geflüchtete junge Menschen geschaffen werden mussten. In einigen Punkten muss dringend nachgebessert werden“ sagt Anette Wippermann, Vorsitzende des Arbeitskreises Arbeitsmarktpolitik der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen. Sie sieht eines der Probleme in der Altersbeschränkung und spricht sich für eine Erhöhung der Altersgrenze auf 27 Jahren aus, damit mehr Geflüchtete die Chance auf einen Hauptschulabschluss erhalten.

Dr. Ralf Siebert beschreibt den hohen Erwartungsdruck, dem die InteA-Schüler/innen ausgesetzt sind: „Nur ca. 3 Prozent unserer InteA-Schüler und Schülerinnen haben eine Bildungsbiografie, die es ihnen erlaubt, rasch die deutsche Sprache zu lernen und ins Schul- oder Ausbildungssystem überzugehen. Die übrigen, also der Großteil, mit mehrheitlich geringerer Schulbildung, sollen in zwei Jahren nicht nur eine fremde Sprache erlernen, sondern auch den Hauptschulabschluss machen. Der Zeitdruck arbeitet hier deutlich gegen diese jungen Leute. Pro Jahr erreichen im Schnitt 10 bis 15 von etwa 190 Schüler und Schülerinnen an meiner Schule den Hauptschulabschluss und haben dann – in für sie neuen Situationen – immer noch mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen“ berichtet Siebert und betont: „Wir brauchen mehr Zeit für die angemessene Sprachreife und Integration!“

Eine weitere Schwierigkeit ist, dass bei InteA nur ein geringer Stellenanteil pro Klasse für sozialpädagogische Begleitung der Schüler/innen vorgesehen ist. Die Verträge der
Sozialpädagog/innen enden in der Regel mit den Sommerferien und somit ist die Betreuung und Weiterbegleitung der Schüler/innen während einer anschließenden Praktikumsphase nicht gewährleistet.
Das Projekt „BLEIB“ wird im Rahmen der ESF-Integrationsrichtlinie Bund, Handlungsschwerpunkt Integration von Asylbewerber/-innen und Flüchtlingen (IvAF) durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert.

Die BLEIB-Berater/innen der Praxis GmbH, Julia Becker und Christoph Rettler, haben diese Lücke erkannt. Sie beraten und begleiten die InteA-Schüler/innen der Adolf-Reichwein-Schule Marburg vor und während der Praktikumsphase. Julia Becker berichtet vom großen Unterstützungsbedarf der Schüler/innen während der Ferienzeit, in der freiwillige Praktika absolviert werden müssen. Daher bietet „BLEIB in Hessen II“ Sprechstunden in der Adolf-Reichwein-Schule an und arbeitet eng mit der dortigen Sozialpädagogin zusammen.

Expert/innen-Netzwerk BLEIB in Hessen II fordert Nachbesserung

Die Expert/innen und BLEIB-Berater/innen sehen großen Handlungsbedarf von Seiten der Politik, um jungen Menschen, die nach Deutschland kommen eine gute Perspektive zu ermöglichen. Es sollten alternative sozialpädagogische Maßnahmen zu InteA gefördert werden, wie beispielsweise die Produktionsschulen oder andere Angebote freier Träger, bei denen die Schüler/innen jenseits des Systems „Schule“ die Sprache lernen und sich auf das Arbeitsleben vorbereiten können. Eine kommunale Förderung, die zurzeit in diesem Bereich komplett fehlt, sei hier dringend notwendig, ist Annette Wippermann überzeugt.

Die gesamte Schulzeit der InteA-Klassen sollte auf mindestens vier Jahre verlängert und Pflichtpraktika in die Schulzeit integriert werden, sind sich die Expert/innen einig. Weiterhin müsse eine Aufenthaltssicherung während des Schulbesuchs der jungen Menschen gewährleistet sein, so wie es während einer Ausbildung der Fall ist: Bei Ausbildung wird die sogenannte Ausbildungsduldung gewährt. „Häufig entscheiden sich InteA-Schüler und Schülerinnen mit ungewisser Bleibeperspektive aus diesem Grund voreilig für eine Ausbildung zum Zweck der Aufenthaltssicherung, obwohl sie dafür noch nicht reif sind und brechen den InteA-Unterricht ab“, weiß Julia Becker.

„Und keine Schule und keine Alternative kann dann so gut sein, um diese Problematik aufzuheben“ ergänzt ihr Kollege Christoph Rettler. „Die Folge ist häufig, dass die
Ausbildung die jungen Azubis vor große Herausforderungen stellt, insbesondere fehlende Sprachkenntnisse führen dann häufig zu Schwierigkeiten in der Berufsschule und im
Ausbildungsbetrieb“, so der BLEIB-Berater.

Das Fachgespräch hat deutlich gemacht, wie wichtig gut verzahnte Förderketten für junge geflüchtete Menschen sind, die wechselseitige Ergänzungen der verschiedenen Träger ermöglichen. Die erfolgreiche Integration bedarf des Zusammenschlusses verschiedener Akteure. Lokale Netzwerke, bestehend aus Berufsschulen, Arbeitsmarktakteuren, Beratungsstellen wie „BLEIB in Hessen II“ und Betriebe helfen InteA-Schülerinnen und -Schülern einen qualifizierten Abschluss und dadurch gesellschaftlichen Anschluss zu erhalten.

Hintergrund
Das Beratungsnetzwerk „BLEIB in Hessen II“ berät Geflüchtete in sieben hessischen Landkreisen auf dem Weg in den Arbeitsmarkt und wird koordiniert vom Mittelhessischen Bildungsverband e.V. in Marburg. „BLEIB in Hessen II“ wird gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds. Mehr dazu unter www.bleibin.de.
Das Projekt „BLEIB“ wird im Rahmen der ESF-Integrationsrichtlinie Bund, Handlungsschwerpunkt Integration von Asylbewerber/-innen und Flüchtlingen (IvAF) durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert.

 

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