Marburg will Gleichberechtigung in 41 Schritten stärken
Marburg 9.3.2018 (pm/red) Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und Dr. Christine Amend-Wegmann, Leiterin des Gleichberechtigungsreferats der Stadt, haben im Rathaus den Zwischenbericht zum Aktionsplan für die EU-Charta vorgestellt. Mit insgesamt 41 Maßnahmen soll der Aktionsplan die Gleichberechtigung der Geschlechter in Marburg weiter stärken. Er umfasst die Schwerpunkte politische Beteiligung, Erwerbsbeteiligung, Gender Budgeting sowie Gesundheit, darunter auch präventive Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen.
„Die Gleichstellung von Mann und Frau ist eine zentrale Aufgabe und ein elementares Menschenrecht“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, als er mit dem Gleichstellungsreferat und dem Fachdienst Sport eine erste Bilanz der Umsetzung der EU-Charta zog. „Wir haben immer noch einen weiten Weg vor uns – in den Köpfen und der Praxis.“ Das Gleichstellungsreferat in Marburg sei dabei außerordentlich aktiv und mit enormen Engagement dabei. Das zeigt auch der Zwischenbericht zu EU-Charta. Er zeigt auf, was von April 2017 bis Februar 2018 geschafft wurde: Neun Projekte laufen aktuell oder wurden bereits umgesetzt. Weitere acht Projekte starten noch im ersten Halbjahr diesen Jahres.
„Die Unterzeichnung der Charta hat unsere Arbeit effizienter gemacht“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte Dr. Christine Amend-Wegmann. Die Arbeit sei überprüfbar, habe eine klare Priorisierung bekommen. Gemeinsam mit Laura Griese und Janis Loewe arbeitet sie seit fast einem Jahr an der Umsetzung. In dieser Zeit ist in der Stadtverwaltung im April 2017 ein Kontakthalte- und Wiedereinstiegskonzept bei familienbedingten Auszeiten eingeführt worden. Das Konzept hat die Arbeitsgruppe Familienfreundliche Stadtverwaltung erarbeitet. „Im Sommer überprüfen wir, ob das Angebot gut angenommen wurde“, so Amend-Wegmann.
Gespräche zur Maßnahme „Stadtteilarbeit gegen Partnergewalt“ haben ergeben, dass eine stadtweite Arbeit gegen Partnergewalt notwendig ist. Der Arbeitskreis „Prävention bei Gewalt gegen Frauen und Kinder“ am Runden Tisch „Keine Gewalt gegen Frauen und Kinder“ hat das Thema mehrfach beraten. Dort wurde auch eine Projektidee entwickelt. Dafür hat das Gleichberechtigungsreferat gemeinsam mit Marburger Anti-Gewalt-Projekten im November 2017 einen Förderantrag bei der Europäischen Kommission eingereicht. Ein Entscheid wird im April erwartet.
Auch ganz neue Kooperationen seien entstanden, wird mitgeteilt: Im Schwerpunkt politische Beteiligung erstellt die Universitätsstadt Marburg in Kooperation mit der Evangelischen Hochschule Darmstadt, Studienstandort Schwalmstadt-Treysa, eine Studie zur politischen Teilhabe von Frauen mit Beeinträchtigungen. Die Studie ist gleichzeitig eine Maßnahme im Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. „Ziel der EU-Charta ist es ja, Diskriminierung und Benachteiligung entgegenzuwirken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Menschen, insbesondere Frauen, Diskriminierung auf mehreren Ebenen erleben: Sei es wegen ihres Geschlechts, ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft, wegen ihrer Religion, ihrer körperlichen Gegebenheiten oder ihrer sexuellen Orientierung oder Identität. Das untersucht die Studie an der Schnittstelle von Geschlecht und Behinderung“, erläuterte Spies. Im Juli 2017 begann die erste Projektphase, die Prof. Dr. Susanne Gerner unter Mitarbeit von Anneliese Mayer leitet. Ende März soll diese abgeschlossen sein. Die zweite Projektphase wird aktuell vorbereitet.
Die Stadt hat es sich auch zur Aufgabe gemacht, den Mädchen-Zukunftstag Girls‘ Day stärker inklusiv auszurichten. Diese Maßnahme gehört zum Schwerpunkt Erwerbsbeteiligung des Aktionsplans und ebenfalls zum Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention. Für den Girls‘ Day am 26. April wird wieder gezielt mit 43 barrierefreien oder barrierearmen Plätzen geworben. Außerdem wird die Öffnung der Stadtverwaltung für Inklusion durch eine Fortbildung zum Thema unterstützt, die für Beschäftigte der Stadtverwaltung in Kooperation mit „Inklusion bewegt“ angeboten wurde.
Der Schwerpunkt Gesundheit und Gewaltprävention ist auf vielfältige Weise Thema: Mit Körperbild und Gesundheitsverhalten befasste sich die Kampagne „Vielfalt ist Schönheit“, die von der Gesunden Stadt und dem Gleichberechtigungsreferat organisiert wurde. Über das neue Sexualstrafrecht wurde auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Frauennotrufs Marburg und des Gleichberechtigungsreferats informiert. Es gab Ortsbegehungen zum subjektiven Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum. Auch organisierten das Projekt „EinSicht – Marburg gegen Gewalt“, das Frauenbüro der Philipps-Universität und das Gleichberechtigungsreferat eine Podiumsdiskussion anlässlich des 20. Geburtstages der „Angst-Räume“-Studie. Die Ergebnisse der Begehungen sowie Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Arbeiten am Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität werden in einer Broschüre zum subjektiven Sicherheitsempfinden zusammengefasst, die demnächst fertiggestellt wird.
Im Dezember 2017 luden der Fachdienst Altenplanung, die Marburger Altenhilfe St. Jakob und das Gleichberechtigungsreferat ein zum Fachtag „Gewaltprävention in der Pflege“. Die Marburger Altenhilfe St. Jakob arbeitet aktuell ein eigenes Gewaltpräventionskonzept aus. Es soll im ersten Halbjahr 2018 vorliegen. „Was brauchen pflegende Angehörige?“ war zentrale Frage einer Umfrage von Pflegebüro Marburg und Gleichberechtigungsreferat. Von September 2017 bis Januar 2018 konnten pflegende Angehörige über einen Fragebogen mitteilen, wie ihre Situation in Marburg ist und welche Unterstützung sie benötigen. Die Ergebnisse der Umfrage liegen mittlerweile vor und werden demnächst öffentlich vorgestellt.
Mit der gerechten Verteilung des Haushaltes haben sich 2017 die Fachdienste Kultur und Sport befasst: Sie sind die Pilotbereiche, in denen Gender Budgeting angewandt werden soll. Beide Fachdienste haben 2017 Daten erhoben und ausgewertet: Welche Angebote fördert der jeweilige Fachdienst? Wie nutzen Frauen und Männer diese Angebote? Björn Backes, Leiter des Fachdienstes Sport, zeigte auf, dass besonders der Fußball von der Sportförderung in Marburg profitiert – was vor allem daran liege, dass die Stadt die Platzpflege der Sportanlagen überwiegend übernehme. Diese Förderung, ebenso wie die Förderung anderer Sportarten, komme überwiegend Männern zugute. „Das liegt auch daran, dass unsere Zahlen nicht den Freizeitsport erfassen, etwa Radfahren oder Laufen im öffentlichen Raum“, erklärte Backes. Frauen seien mehr im Freizeitbereich aktiv, die Mitglieder in den Sportvereinen hingegen seien überwiegend männlich. Der Fachdienst Kultur wird die Ergebnisse für die Kulturförderung am 10. März auf dem Kulturforum vorstellen. Die Ergebnisse und das weitere Vorgehen werden in den nächsten Monaten in den städtischen Gremien diskutiert.