Am 29. und 30. Januar 2025 Hochschulerkundung

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Buch „Mord und Sühne“: Die letzte öffentliche Hinrichtung in Hessen

Marburg 27.3.2018 (red) Buchvorstellung von Johannes Linn. In Marburg-Ockershausen am Südhang des Dammelsberges wurde eine Leiche gefunden. Ihr war der Hals durchgeschnitten worden, dazu wies sie zahlreiche Messerstiche auf. Ein Förster hatte den weiblichen Leichnam bei einem Waldbegang entdeckt. Sie musste schon einige Tage gelegen haben. Das Gesicht der Frau war unkenntlich, von Blut und Maden bedeckt. Nach erfolgter Reinigung des Gesichtes wurde sie als Dorothea Wiegand aus Marburg-Ockershausen identifiziert. Sie war eine 24 Jahre junge Tagelöhnerin, die etwa im 4. Monat schwanger war. Da ein Selbstmord rasch ausgeschlossen werden konnte, stellte sich die Frage: Wer war der heimtückische Mörder?

Der Autor Matthias Blazek hat diesen Mordfall in seinem gerade erschienenen Buch „Mord und Sühne – Der Prozess gegen den Schuhmacher Ludwig Hilberg, der 1864 vor großem Publikum hingerichtet wurde“ akribisch aufgearbeitet.

Letzte öffentliche Hinrichtung in Hessen
Anhand von Gerichtsakten und Presseberichten wird die schwierige Lebensgeschichte der Beteiligten geschildert in dem damals vergleichsweise armen Ockershausen. Die Ermordete war als Tagelöhnerin nicht gut angesehen, wurde gar von einigen bösartigen Menschen als „das Hinkel“ verspottet.
In einem langen Gerichtsprozess wurde schließlich der Schuldige überführt und letztendlich im Jahre 1864 hingerichtet. Viele Schaulustige wohnten der letzten öffentlichen Hinrichtung mit dem Schwert in Hessen bei. Aberglaube, daß das Blut des Enthaupteten Heilkraft hätte, war damals noch verbreitet.

Der Scharfrichter Christian Schwarz

Scharfrichter Christian Schwarz

Der Autor Matthias Blazek, erfahrener Publizist und Regionalhistoriograf, stellt neben den Prozess-Beteiligten zusätzlich den Lebenslauf des letzten hannoverschen Scharfrichters Christian Schwarz vor, der die traurige Hinrichtung auf dem Rabenstein bei Marburg vollzog.
Einige ältere und jüngere Bilder, z. B. von der heute noch stehenden Mordeiche, vervollständigen die lesenswerte Dokumentation aus dem ibidem-Verlag mit der ISBN 978-3-8382-1147-3 auf 118 Seiten für 18,80 Euro. Nichts für schwache Nerven, aber Zeitgeschichte, aus der jeder lernen kann.

Marburger haben unterstützend an dem Buch mitgewirkt: Reinhold Drusel hat die kleine Ortschronik von Ockershausen zur Verfügung gestellt. Helmut Klingelhöfer vom Hessischen Staatsarchiv in Marburg überließ dem Autor drei Zeichnungen der Hinrichtung. Johannes Linn steuerte aktuelle Fotos bei. Dr. Lutz Münzer stellte ein Foto von der Mordeiche zur Verfügung und übernahm die Durchsicht des Buches. Universitätsmitarbeiterin Lena Terlisten lieferte Bildmaterial aus dem Bildarchiv der Universität Marburg.

Leseprobe
Es ist wohl einer der wenigen Umstände, die dazu führen, dass Charakterstudien von Personen auch unterer Gesellschaftsschichten angefertigt wurden: Mord. Im Falle von Mordanklagen wurde damals wie heute akribisch ermittelt, recherchiert, gesammelt und dokumentiert. Gerade in den Gerichtsverhandlungen im 19. Jahrhundert erkennt man zunehmend Sittenbilder und Beschreibungen von Personen, die sonst möglicherweise nie in den Genuss gelangt wären, namentlich für die Zukunft festgehalten worden zu sein. Und dafür musste leider erst ein Mord geschehen.

Das 1864 in Marburg benutzte Richtschwert mit der Inschrift des Herstellers in der Schwerthohlkehle „Peter Munich MDCLXIII Solingen“ (Foto: Corinna Colf). Solingen war damals eine Hochburg der Waffenschmieden.

Die Gerichtsakten enthalten genaue Beschreibungen aller Umstände und Vorgänge, von denen hier nur ein kleiner Auszug gegeben werden kann. Insofern sind die Akten vor allem in sozialgeschichtlicher Hinsicht interessant, da sich hier Aussagen zu Tagesablauf, Wohnverhältnissen, Ernährung, Kleidung und Bildungsstand der Volksschichten machen lassen, die ansonsten quellenmäßig schwer zu fassen sind.
Ein solcher Fall datiert vom Zeitraum 1861-1864, der mit einem Mord unweit Marburgs einsetzt und mit einer der letzten öffentlichen Hinrichtungen in Deutschland endet.
Am Morgen des 12. September 1861, einem Donnerstag, wurde vom Forstlaufer (Forstknecht) Lorenz Reinhardt die Anzeige gemacht, im Dammelsberg, nahe bei Marburg, liege eine weibliche Leiche. Er habe sie um acht Uhr morgens im Blut liegend vorgefunden.[1]

Das kurz nach zehn Uhr morgens eintreffende Gerichtspersonal fand auf dem südlichen Abhang und im Wald des Dammelsbergs auf einem in der Nähe des Waldrandes herführenden Wege einen mit bäuerlichem Frauenanzug bekleideten leblosen Körper liegen, in dessen linker Hand sich ein zusammengefaltetes blutiges Tuch befand. Dem Gerichtspersonal bot sich ein schauderhafter Anblick dar. Der Länge nach mitten auf dem Weg lag der kräftige Körper, am Hals eine 5 Zoll lange, 4 1/2 Zoll tiefe, klaffende, scharfkantige Wunde, das Gesicht unkenntlich und mit Blut überdeckt.[2]

[1] Laut Kurfürstlich Hessischem Hof- und Staats-Handbuch auf das Jahr 1862 stand das Forstrevier Marburg damals unter der Leitung von Revierförster Heinrich Arhold (späterer Oberförster in Treisbach). Forstaufseher war Heinrich Metz aus Marburg (auftragsweise). Hierarchisch übergeordnet war die Forst-Inspektion Marburg mit Forstinspektor Oberförster Ludwig Wilhelm Dehnert zu Marburg. Zum Forstrevier Marburg gehörten (1847) immerhin sieben Forstlaufer. In der 73. öffentlichen Sitzung der Ständeversammlung am 2. November 1837 in Kassel verlautete zum Job des Forstlaufers: „Ein Forstlaufer wohnt in der Regel ganz nah an seinem Walde, den er begehen soll, er geht Mittags zu seinem Heerde zurück, ißt, und geht dann wieder hinaus in den Wald.“ Lorenz Reinhardt wohnte (1868) im Haus Weidenhausen 755.
[2] Der Zoll entsprach in Kurhessen (1819-1871) 2,397 Zentimetern.

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