Der Aufschwung geht weiter – IMK prognostiziert BIP-Wachstum von 1,6 und 1,7 Prozent
Marburg 20.12.2018 (pm/red) Die abflauende weltweite Konjunktur setzt dem deutschen Außenhandel zu. Der erratische Ablauf des Brexit, der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie das schwache Wachstum bei gleichzeitig hoher Verschuldung in Italien sind schwer zu kalkulierende Risiken.
Angetrieben durch die kräftige Konsumnachfrage, eine weiterhin gute Arbeitsmarktentwicklung, steigende Löhne und solide Investitionen geht der moderate Aufschwung der deutschen Wirtschaft aber weiter. Die Wachstumsdelle im dritten Quartal diesen Jahres bleibt ein Ausrutscher, der auf Sondereffekten beruht, 2019 gewinnt die Konjunktur sogar wieder etwas an Fahrt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nimmt im Jahresdurchschnitt 2018 um 1,6 und 2019 um 1,7 Prozent zu, prognostiziert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Damit geht der Aufschwung ins siebte Jahr und stellt die längste Wachstumsphase seit der deutschen Vereinigung dar. Die Arbeitslosigkeit dürfte im Jahresdurchschnitt 2019 unter 5 Prozent sinken.
Deutsche Konjunktur trotzt Abkühlung im Welthandel
Gegenüber der Vorhersage vom Oktober senkt das IMK seine Prognose für dieses und das kommende Jahr um jeweils 0,3 Prozentpunkte. „Ganz klar: Der Aufschwung muss Federn lassen“, sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK. Das signalisiere auch der IMK-Konjunkturindikator, der aktuell ein Rezessionsrisiko von 23 Prozent ausweist – nach 15 Prozent im November. „Allerdings“, so Horn, „haben in diesem Jahr neben Trump & Co. auch die Probleme der Autokonzerne mit dem neuen Abgasmessverfahren WLTP und das lange schöne Wetter, bei dem viele Menschen wenig Neigung für Käufe hatten, einiges an Wachstum gekostet. Und gemessen an den heftigen Turbulenzen auf der Bühne der globalen Wirtschaftspolitik sind die Verluste noch moderat. Im Kern bleibt der Aufschwung intakt und im kommenden Jahr legt die konjunkturelle Dynamik noch eine Schippe drauf.“
Das liege zum einen an den nach wie vor günstigen Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft und an einer bislang stabilen Nachfrage aus den USA. Zum anderen zahle sich immer mehr aus, dass das Wachstum in Deutschland nicht mehr so extrem abhängig vom Außenhandel ist wie noch vor einer Dekade. „Die Binnennachfrage hat mittlerweile wieder das Zeug zum konjunkturellen Standbein. Das macht deutlich: Eine ausgewogenere Verteilung der Einkommenszuwächse ist nicht nur gerechter, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Auf diesem Weg sollten wir weitergehen“, sagt Horn.
In ihrer Prognose gehen die Düsseldorfer Konjunkturforscher davon aus, dass der Handelskonflikt zwischen den USA und China nicht so weit eskaliert, dass das Wachstum in beiden Ländern einbricht. Zudem rechnen sie damit, dass es keinen „harten“ Brexit geben wird, sondern zumindest auf absehbare Zeit eine Verständigung, die Großbritannien in den Handelsbeziehungen einen Status ähnlich dem von Norwegen oder der Schweiz einräumt. Mit Blick auf die unsichere internationale Lage halten es die Forscher gleichwohl für notwendig, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei der Straffung ihrer Geldpolitik weiterhin behutsam vorgeht.
Kerndaten der Prognose für 2018 und 2019
– Arbeitsmarkt –
Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland nimmt weiter kräftig zu – um rund 570.000 Personen oder 1,3 Prozent im Jahresdurchschnitt 2018 und weitere 1,2 Prozent im Jahresmittel 2019. Somit werden 2019 erstmals mehr als 45 Millionen Menschen im Jahresdurchschnitt erwerbstätig sein. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt weiter: Für 2018 prognostizieren die Forscher einen Rückgang um etwa 190.000 Personen, so dass im Jahresdurchschnitt rund 2,34 Millionen Menschen ohne Job sein werden. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 5,2 Prozent. Für 2019 erwartet das IMK, dass die Arbeitslosenzahl um jahresdurchschnittlich etwa 130.000 auf etwa 2,21 Millionen Personen zurückgeht. Die Quote sinkt damit auf 4,9 Prozent.
– Außenhandel –
Auch der Euroraum befindet sich im Aufschwung, der sich allerdings abschwächt: 2018 wächst das BIP in der Währungsunion um 2,0 Prozent, 2019 sind es 1,7 Prozent. Unter der Voraussetzung, dass der Handelskonflikt zwischen Washington und Peking nicht eskaliert, bleibt die Konjunktur in den USA, China und anderen Schwellenländern ebenfalls insgesamt dynamisch, die deutschen Exporteure verfügen über eine hohe preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Allerdings bremst allein schon die gestiegene Verunsicherung angesichts der aggressiven US-Politik die Nachfrage nach deutschen Gütern. Ein weiterer Risikofaktor ist der Brexit, hinzu kamen in diesem Jahr die Verzögerungen bei deutschen Autobauern, die neuen WLTP-Abgasmessregeln umzusetzen. Daher geht das IMK davon aus, dass die deutschen Ausfuhren in diesem Jahr um lediglich durchschnittlich 1,9 Prozent wachsen werden. 2019 dürften die Exporte dann aber wieder um 4,0 Prozent im Jahresmittel zulegen. Die Importe nehmen in diesem Jahr wegen der kräftigen Konsumnachfrage um durchschnittlich 3,2 Prozent zu, 2019 dann um 4,7 Prozent. Der hohe deutsche Leistungsbilanzüberschuss wird damit leicht sinken.
– Investitionen –
Bei hoher Auslastung und weiterhin günstigen Finanzierungsbedingungen investieren die Unternehmen spürbar, wenn auch nicht ganz so stark wie noch vor kurzem erwartet: 2018 steigen die Ausrüstungsinvestitionen um durchschnittlich 4,5 Prozent, 2019 sind es 5,1 Prozent im Jahresdurchschnitt. Bei den Bauinvestitionen bleibt die Dynamik kräftig, wobei sich allerdings der Wohnungsbau weitaus stärker entwickelt als der Wirtschaftsbau. Insgesamt nehmen die Bauinvestitionen 2018 um 3,3 Prozent und 2019 um 3,1 Prozent zu.
– Einkommen und Konsum –
Die verfügbaren Einkommen wachsen 2018 real um durchschnittlich 1,8 und 2019 um 1,9 Prozent. Bei in diesem Jahr spürbar steigender (0,3 Prozentpunkte) und 2019 konstanter Sparquote nehmen die realen privaten Konsumausgaben um 1,3 und 1,9 Prozent zu. Damit trägt der private Konsum in diesem Jahr 0,7 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum von 1,6 Prozent bei. Im kommenden Jahr sind es 1,1 Prozentpunkte von 1,7 Prozent.
– Inflation und öffentliche Finanzen –
Die allgemeine Preisentwicklung in Deutschland liegt nahe beim EZB-Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent: 2018 steigen die Verbraucherpreise um 1,9 und 2019 um 1,8 Prozent.
Der von der Binnennachfrage getragene Aufschwung sorgt weiterhin für starke Steuereinnahmen und Einnahmeüberschüsse bei Gebietskörperschaften und Sozialkassen: 2018 beträgt der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo 1,6 Prozent vom BIP, im kommenden Jahr sind es 1,4 Prozent.