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Europäer wissen wenig über Algorithmen

Marburg 07.02.2019 (pm/red) Vielen Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union fehlen grundsätzliche Kenntnisse über Algorithmen. Im Rahmen einer europaweit repräsentativen Umfrage hat die Bertelsmann Stiftung erforscht, was die Menschen in Europa über Algorithmen wissen, von ihnen halten und sich erhoffen.
Fast die Hälfte der Europäerinnen und Europäer weiß nicht, was Algorithmen sind. Gerade einmal acht Prozent geben an, viel über sie zu wissen. Dabei haben die meisten nur wenige Vorstellungen davon, wo und wie Algorithmen zum Einsatz kommen. Am ehesten denken sie an personalisierte Werbung oder Dating-Plattformen, deutlich seltener hingegen an sensible Lebensbereiche, etwa die Vorauswahl von Jobbewerbungen oder die Diagnose von Krankheiten.

Ein Fünftel der Befragten hat hingegen überhaupt keine Vorstellung von den Anwendungsbereichen von Algorithmen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine repräsentative Umfrage der Bertelsmann Stiftung mithilfe des Instruments eupinions in den 28 Mitgliedsländern der Europäischen Union.

Die meisten Menschen in Europa können sich in vielen Anwendungsfeldern mit algorithmischen Entscheidungen anfreunden – allerdings vor allem in technischen Bereichen, die Menschen nicht unmittelbar betreffen wie automatische Rechtschreibkontrolle oder Navigationssysteme. Eine große Mehrheit – 64 Prozent – fühlt sich unwohl, wenn Computersysteme ohne menschliche Beteiligung Entscheidungen über sie treffen.

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, sagt dazu: „Die Menschen in Europa wissen zu wenig über Algorithmen, dabei werden sie für ihr alltägliches Leben immer bedeutender.“ Insgesamt überwiegt eine optimistische Grundhaltung: 46 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der EU sehen mehr Vorteile in algorithmischer Entscheidungsfindung, nur 20 Prozent mehr Probleme. Bei denjenigen, die viel über Algorithmen wissen, ist der Anteil der positiv Gestimmten sogar noch höher. Männer und Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss betonen stärker die Vorteile durch automatisierte Entscheidungsfindung.

Europa der Ungleichzeitigkeiten beim Einsatz von Algorithmen

In den Ländern der Europäischen Union gibt es dabei unterschiedliche Einstellungen zu Algorithmen. So geben etwa elf Prozent der Polinnen und Polen an, viel über Algorithmen zu wissen – der höchste Wert in den betrachteten Ländern. Sie zeigen sich zudem in Abgrenzung zu ihren europäischen Nachbarn besonders pragmatisch, was ihren Einsatz angeht. Nur drei Prozent der Menschen dort finden Algorithmen beängstigend.

In Frankreich hingegen fürchten sich 21 Prozent vor maschinellen Entscheidungen. Besonders wenig wissen die Menschen in Großbritannien über Algorithmen. Ein Viertel der dort Befragten gibt an, noch nie etwas von ihnen gehört zu haben.

Während in Deutschland Anfang 2018 46 Prozent keine Meinung darüber hatten, ob sie den Einsatz von Algorithmen positiv oder negativ bewerten, waren bei der Umfrage im Herbst nur noch 36 Prozent der Deutschen unentschieden. Im europäischen Durchschnitt sind 34 Prozent der Menschen unentschlossen, was sie von Algorithmen halten sollen.

Für Dräger verdeutlichen die Zahlen, dass „wir eine gesamteuropäische Diskussion und Strategie zum Einsatz von Algorithmen und künstlicher Intelligenz brauchen.“ Die Entwicklung in Deutschland sieht er als „klares Zeichen dafür, dass es sich lohnt, intensiv mit den Menschen über die Gestaltung neuer Technologien zu diskutieren.“ Er begrüßt deshalb, dass sich die Bundesregierung des Themas annimmt.

Europäer wünschen sich mehr Kontrolle von Algorithmen

Drei Viertel der europäischen Befragten wollen mehr Kontrolle über Algorithmen. So wünschen sich die Menschen, dass algorithmische Entscheidungen leichter nachvollziehbar sein sollen und sie ein Recht darauf erhalten, solche Entscheidungen durch einen Menschen überprüfen zu lassen. Für sinnvoll halten sie auch eine Kennzeichnungspflicht, also Transparenz darüber, wann, wo und wie computerbasiert entschieden wird.

Dräger teilt den Kontrollwunsch und fordert ein „Vermummungsverbot für Algorithmen“. Er sieht dabei insbesondere die Europäische Union in der Pflicht: „Die EU muss als globaler Akteur einen eigenen Weg ins Zeitalter der Algorithmen finden.“ Sie könne, so Dräger, ein starkes politisches Zeichen für den gemeinwohlförderlichen Einsatz von Algorithmen setzen.

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