documenta 15: „ruangrupa“ als Künstlerische Leitung berufen – 10 Künstlerinnen und Künstler aus Indonesien kuratieren die Weltkunstausstellung 2022
Kassel/Marburg 23.02.2019 (red) Die documenta-Halle in Kassel war am 22. Februar gut besetzt als der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle zusammen mit Wissenschaft und Kunstministerin Angela Dorn und der Generaldirektorin der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, Dr. Sabine Schormann, das Ergebnis der Arbeit der Findungskommission bekannt machten. „ruangrupa“, ein im Kern zehnköpfiges Kollektiv aus Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen aus dem indonesischen Jakarta ist von der internationalen Findungskommission einstimmig zur Künstlerischen Leitung der documenta 15 ausgewählt worden und vom Aufsichtsrat berufen worden. Das erklärte die beiden zunächst leeren Stühle auf dem Podium, die mit der gespannt erwarteten Namensverkündung von Ade Darmawan und Farid Rakun besetzt wurden.
Die documenta wird in ihrer fünfzehnten Auflage dann erstmals von einem Kollektiv ausgerichtet. Sie findet vom 18. Juni bis 25. September 2022 in Kassel statt. „Wir ernennen ruangrupa, weil sie nachweislich in der Lage sind, vielfältige Zielgruppen – auch solche, die über ein reines Kunstpublikum hinausgehen – anzusprechen und lokales Engagement und Beteiligung herauszufordern. Ihr kuratorischer Ansatz fußt auf ein internationales Netzwerk von lokalen Community-basierten Kunstorganisationen. Wir sind gespannt, wie ruangrupa ein konkretes Projekt für und aus Kassel heraus entwickeln wird. In einer Zeit, in der innovative Kraft insbesondere von unabhängigen, gemeinschaftlich agierenden Organisationen ausgeht, erscheint es folgerichtig, diesem kollektiven Ansatz mit der documenta eine Plattform zu bieten“, forumlierte für die achtköpfige Findungskommission Elvira Dyangani Ose (Direktorin von The Showroom, London) und Philippe Pirotte (Rektor der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule, und Direktor Portikus, Frankfurt Main) das einstimmige Votum.
ruangrupa operiert mit partizipativen kuratorischen Anspruch
ruangrupa kann aus dem Indonesischen mit „Raum der Kunst“, oder auch „Raum-Form“ übersetzt werden. Ein Spannungsfeld, indem sich der zentrale kuratorische Ansatz des Kollektivs bereits andeutet. Farid Rakun und Ade Darmawan, die ruangrupa heute in Kassel vertraten, formulieren ihren dezidiert partizipativen kuratorischen Anspruch für die Weltkunstausstellung 2022: „Wir wollen eine global ausgerichtete, kooperative und interdisziplinäre Kunst- und Kulturplattform schaffen, die über die 100 Tage der documenta 15 hinaus wirksam bleibt. Unser kuratorischer Ansatz zielt auf ein anders geartetes, gemeinschaftlich ausgerichtetes Modell der Ressourcennutzung – ökonomisch, aber auch im Hinblick auf Ideen, Wissen, Programme und Innovationen. Wenn die documenta 1955 antrat, um Wunden des Krieges zu heilen, warum sollten wir nicht versuchen, mit der documenta 15 das Augenmerk auf heutige Verletzungen zu richten. Insbesondere solche, die ihren Ausgang im Kolonialismus, im Kapitalismus oder in patriarchalen Strukturen haben. Diesen möchten wir partnerschaftliche Modelle gegenüberstellen, die eine andere Sicht auf die Weltermöglichen.“
Zum Wirken der Künstlergruppe ruangrupa
Das Kollektiv gründete sich im Jahr 2000 in Jakarta, Indonesien. ruangrupa betreibt einen Kunstraum in South Jakarta und realisiert Ausstellungen, Festivals, Publikationen und Rundfunkformate. Das Kollektiv war an vielen Kooperations- und Ausstellungsprojekten beteiligt, darunter an Ausstellungen wie der Gwangju Biennale (2002 und 2018), der Istanbul Biennale (2005), der Asia Pacific Triennial of Contemporary Art (Brisbane, 2012), der Singapore Biennale (2011), der São Paulo Biennale (2014), der Aichi Triennale (Nagoya, 2016) und Cosmopolis im Centre Pompidou (Paris, 2017). Im Jahr 2016 kuratierte ruangrupa TRANSaction: Sonsbeek 2016 in Arnheim, Niederlande. Im Jahr 2018 gründeten die Akteure GUDSKUL, ein Bildungs- und Vernetzungsprojekt für Kreative, das auf kooperativer Arbeit basiert. Bei der documenta 14 war ruangrupa mit ihrem Internetradio als Partner des dezentralen Radioprojekts Every Time a Ear di Soun beteiligt, das vom 8. April bis zum 17. September 2017 acht Radiosender weltweit vernetzte.
ruangrupa ist einen gemeinnützige Organisation.
Stimmen zum Votum der Findungskommission
Der Aufsichtsratsvorsitzende der documenta und Museum Fridericianum gGmbH Oberbürgermeister Christian Geselle begrüßt die Wahl der Findungskommission: „Für ruangrupa ist das Prinzip des Netzwerkens zentral. Von Kassel ausgehend werden interdisziplinäre künstlerische Interventionen initiiert: sie lassen die documenta Stadt international sichtbar werden und holen gleichermaßen die (Kunst-) Welt nach Kassel. Unsere Stadt kann dabei nur gewinnen. Nun freue ich mich, dass die documenta auf solch spannende Weise den Blick in die Zukunft richtet.“
Die Hessische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn betont: „Ich freue mich schon heute darauf, dass in drei Jahren mit der documenta 15 in Kassel wieder die weltweit bedeutendste Ausstellung zeitgenössischer Kunst stattfinden wird. Das Land Hessen ist stolz darauf, diese Plattform für die Diskussion um Positionen der Kultur von heute und Perspektiven für die Zukunft zu ermöglichen. Mit dem Ausbau des documenta archivs zu einem unabhängigen Forschungsinstitut werden wir die zeitgenössische Kunst in Kassel weiter stärken. Ich beglückwünsche die Findungskommission, die das indonesische Künstlerkollektiv ‚ruangrupa‘ für die künstlerische Leitung der nächsten documenta vorgeschlagen hat und freue mich, dass der Aufsichtsrat diesem Vorschlag gefolgt ist. Die documenta gibt damit bewusst den außereuropäischen Blick auf die Kunstwelt Raum und bringt auf ganz neue Art die Welt nach Hessen. Ruangrupa nutzt Kunst in ihrer Heimat, um öffentliche Angelegenheiten und Probleme zum Thema zu machen. Ich bin gespannt, wie sie diese Idee in die documenta 15 einfließen lassen.“
Hortensia Völckers, Leiterin der Kulturstiftung des Bundes blickt gespannt auf die weitere Entwicklung des Konzeptes: „Als Kulturstiftung des Bundes haben wir uns sehr über den erfolgreichen Verlauf des Findungsprozesses für die Künstlerische Leitung der documenta 15 gefreut und beglückwünschen alle Beteiligten zu einem Ergebnis, das eine interessante und anregende documenta erwarten lässt. Wir freuen uns, Teil dieses Prozesses zu sein und unsere Expertise für ein so renommiertes Ausstellungsprojekt einzubringen.“
Sabine Schormann würdigt den großen Einsatz aller Mitglieder der Internationalen Findungskommission: „Mein Dank gilt der Internationalen Findungskommission für einen engagierten und intensiven Auswahlprozess, der mit der Präsentation von ruangrupa als Künstlerischer Leitung ein starkes Signal für eine lebendige und nachhaltig wirkende documenta 15 sendet. Nun freue mich darauf zu erleben, wie die partizipativen Ansätze im Prozess konkretisiert werden.“