Neuer Lebensmut für ältere Menschen – Stadt Marburg und Arbeit und Bildung starten Projekt „In Würde teilhaben“
Marburg 08.03.2019 (pm/red) Mehr persönliche Kontakte sollen bei Menschen ab 65 Jahren einer möglichen Vereinsamung entgegenwirken. Dafür sorgen die Projektmitarbeitenden von „In Würde Teilhaben Marburg“ durch Gespräche, Unterstützung und mit Tipps für Angebote in der Nachbarschaft. Das Projekt starten die Stadt Marburg und der Verein Arbeit und Bildung nun.
Sie habe immer nur für andere gelebt, sagt eine 69-Jährige. Nun lebe sie allein in Marburg, ihr Mann verstorben, die Tochter weit weg, Sie selbst krank, aber nicht bettlägerig. Ihre Haltung ist gebeugt, der Blick verrät Einsamkeit aber auch Neugier. „Mein größter Wunsch ist es, eine Freundin zu haben“, verrät sie. Was tun, wenn Menschen im Alter sich einsam fühlen, weil sie die Wohnung nicht mehr verlassen können? Was tun, wenn sie alleine leben und der Wunsch nach mehr mitmenschlichen Kontakten da ist? „Mir ist es wichtig, dass sich in Marburg kein älterer Mensch einsam und isoliert fühlt“, sagt Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Denn: „Der Demografische Wandel soll nicht nur mehr Jahre heißen – sondern vor allem mehr gute Jahre für alle“, betont das Stadtoberhaupt. „Deshalb freue ich mich, dass wir gemeinsam mit Arbeit und Bildung einen Weg gehen, um diejenigen, die uns verlorengehen und denen Einsamkeit droht, zu finden und wieder in die Gemeinschaft zurückzuholen.“
„Wir beobachten alle, dass immer mehr Menschen in zunehmendem Alter etwas vereinsamen“, sagt Rainer Dolle, Geschäftsführer von Arbeit und Bildung. „Man ist nicht mehr so mobil und scheut zunehmend das Treffen mit anderen. Hier möchten wir helfen, Menschen wieder zueinander bringen und ihnen auch wieder die Lust am Kennenlernen anderer neu vermitteln.“ Es gibt einen Bedarf an einer besuchenden Beratung, insbesondere bei Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, berichtet Peter Schmidt, Leiter des städtischen Fachbereichs Arbeit, Soziales und Wohnen: „Dafür haben wir hier nun ein maßgeschneidertes Konzept.“
Die Stadt Marburg mit der Altenplanung und der Verein Arbeit und Bildung starten gemeinsam das Projekt. Das Gleichberechtigungsreferat der Stadt ist mit dem Blick auf die Isolation älterer Frauen miteingebunden. Projektleiterin Angela Schönemann von Arbeit und Bildung e.V. baute auf den positiven Erfahrungen und der Bekanntheit des von der Deutschen Fernsehlotterie geförderten und von ihr realisierten Pilotprojektes „In Würde teilhaben“ im Landkreis Marburg-Biedenkopf auf. Drei Mitarbeitende stehen in Marburg für kostenfreie und vertrauliche Kontakte am Telefon oder durch Hausbesuche zur Verfügung: Die Diplom-Gerontologin und Projektleitung Angela Schönemann, die sozialgerontologische Fachkraft Martina Schwinghammer, der Altenpfleger Thomas Hohl sowie freiberufliche Mitarbeiter*innen.
„Wir hören den Menschen zunächst erst mal zu und zeigen unsere Wertschätzung für ihre Lebensleistungen. Wir finden heraus, was unser Gegenüber braucht und begleiten erste Schritte. Das kann ein Gang zum Arzt sein oder ein Einkauf“, so Schwinghammer. Die Mitarbeitenden bringen Informationen über Angebote in der Nachbarschaft, vermitteln professionelle Hilfe und neue Kontakte für mehr Begegnungen. Dieses persönliche Angebot ist kostenfrei, damit es auch von Personen mit geringem Einkommen in Anspruch genommen werden kann.
„Das Problem der Vereinsamung wird in den kommenden Jahren noch zunehmen. Mit der Zeit will ,In Würde teilhaben Marburg‘ Solidarität mit den Älteren in der Gesellschaft erreichen und Marburg dafür sensibilisieren“, sagt Charles Guillaume, Abteilungsleiter beim Sozialverein. Für Dr. Petra Engel, Fachdienstleitung Altenplanung der Stadt Marburg, ist es wichtig, „alle älteren Menschen zu erreichen und niemanden zurückzulassen“. Bisher habe es kein systematisches Angebot für eine aufsuchende Beratung gegeben. „Deswegen freuen wir uns sehr über das neue Projekt – denn es gibt viele Gründe, warum ein Mensch von sich aus keine offenen Angebote aufsucht.“ Das könnten neben Mobilitätseinschränkung auch ein Migrationshintergrund, Armut oder schlicht fehlendes Wissen über die Angebote sein.
Alle älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger ab 85 Jahren erhalten persönlich einen Brief, der auf das Projekt aufmerksam macht verbunden mit Fragen zur Wohnsituation und der Frage, ob eine persönliche Kontaktaufnahme per Telefon gewünscht wird. Wer das Angebot von „In Würde teilhaben Marburg“ in Anspruch nehmen oder andere darauf hinweisen möchte, kann Angela Schönemann kontaktieren, (06421) 68 51-326 oder (01520) 9 03 76 53, Arbeit und Bildung e. V., Biegenstr. 44 in Marburg.