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Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Aufholen, ohne einzuholen

Marburg 20.03.2019 (pm/red) Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, das ist auf den ersten Blick eine Erfolgsgeschichte: Sie sind besser ausgebildet, arbeiten mehr und haben deutlich mehr Einkommen zur Verfügung als noch vor 40 Jahren. Dennoch sind sie häufiger überqualifiziert und hinken weiterhin der Einkommensentwicklung von Männern hinterher. Das zeigt eine Langzeitstudie zum Strukturwandel auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

Wer gewinnt? Wer verliert? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt einer von der Bertelsmann Stiftung geförderten Langzeitstudie. Dafür hat ein Forscherteam um Prof. Dr. Timm Bönke von der Freien Universität Berlin die Auswirkungen des Strukturwandels auf dem deutschen Arbeitsmarkt für verschiedene Bevölkerungsgruppen untersucht. Eines der zentralen Ergebnisse: Frauen gehören zu den Aufsteigern der letzten 40 Jahre. Sie sind besser ausgebildet, arbeiten mehr, sichern zunehmend das Haushaltseinkommen ab und verfügen über deutlich höhere Einkommen als noch in den 1970er Jahren.

Im Vergleich zu Männern zeigt sich jedoch: Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit und sind in Jobs tätig, für die sie formal überqualifiziert sind. Darüber hinaus haben sie über alle Bildungsstufen hinweg – damals wie heute – häufig weniger als die Hälfte der Einkommen der Männer zur Verfügung. Geringqualifizierte, insbesondere Männer, gehören dagegen mit Blick auf verfügbare Einkommen und Beschäftigungsquoten zu den größten Verlierern.

„Teilhabe und Aufstieg auf dem Arbeitsmarkt sind zentrale Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft. Deshalb müssen Politik und Wirtschaft dort Hürden abbauen, wo einzelne Bevölkerungsgruppen strukturell benachteiligt werden“, kommentiert Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, die Ergebnisse.

Bessere Bildung und mehr Arbeit: Frauen sichern immer öfter Familieneinkommen ab

Der Blick auf das Bildungsniveau und die Arbeitsmarktbeteiligung zeigt für Frauen im historischen Verlauf einen klaren Aufwärtstrend: Zwischen 1970 und 2013 ist der Anteil von Hochschulabsolventinnen in Westdeutschland von zwei auf 17 Prozent um das Achtfache gestiegen. Ebenso hat sich die Zahl erwerbstätiger Frauen in den alten Bundesländern zwischen 1973 und 2013 von rund sechs auf zwölf Millionen verdoppelt.

„Durch die gestiegene Erwerbstätigkeit der Frauen war es möglich, die Haushaltseinkommen gerade im Bereich der unteren Einkommen zu stabilisieren“, erläutert Manuela Barišić, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung, die Studienergebnisse. Zwar sind Männer in Paarhaushalten immer noch häufig die Haupteinkommensbezieher, jedoch tragen Frauen zunehmend zum Haushaltseinkommen bei. Insbesondere Frauen prekär beschäftigter Männer sind zu Zweitverdienerinnen geworden, um das Familieneinkommen abzusichern.

Konkret waren im Jahr 2013 westdeutsche Frauen in Paarhaushalten mit Kindern in der unteren Einkommenshälfte fast dreimal so häufig erwerbstätig wie noch 1973. Ihr durchschnittlich verfügbares Haushaltseinkommen ist lediglich um die Hälfte gestiegen.

Frauen arbeiten häufiger als Männer in Jobs, für die sie formal überqualifiziert sind

Knapp 61 Prozent der Akademikerinnen in Ost und West arbeiteten 2012 in Jobs, für die sie formal überqualifiziert waren (1976, Westdeutschland: 71 Prozent). Dies traf im selben Jahr in den alten Bundesländern nur auf 42 Prozent und in den neuen auf 47 Prozent der Männer zu. „Auch wenn im historischen Verlauf die Überqualifikation abgenommen hat, spiegelt sich der Bildungserfolg von Frauen immer noch nicht in den von ihnen ausgeübten Tätigkeiten wider“, sagt Barišić.

Dazu kommt: Während sich die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Westdeutschland von 1973 bis 2013 verdoppelt hat, ist die Summe ihrer wöchentlich geleisteten Arbeitsstunden um nur 50 Prozent gestiegen, da sie immer noch häufiger in Teilzeit mit geringer Stundenzahl arbeiten. Bei den westdeutschen Männern blieb die Summe der Wochenarbeitsstunden im selben Zeitraum konstant, obwohl die Zahl der Erwerbstätigen von zwölf auf 14 Millionen gestiegen ist.

Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern zeigen sich auch im verfügbaren Einkommen, das Arbeits- und Kapitaleinkommen sowie Transfers beinhaltet und die Belastung durch Steuern und Abgaben widerspiegelt: Während Akademikerinnen 1976 in Westdeutschland ein Einkommen in Preisen von 2015 von rund 1.650 Euro zur Verfügung hatten, waren es bei Akademikern mit rund 3.700 Euro gut doppelt so viel.

Auch 2013 – knapp 40 Jahre später – hatten Akademiker in den alten Bundesländern mit rund 3.800 Euro im Vergleich zu Akademikerinnen (2.050 Euro) ein fast doppelt so hohes Einkommen zur Verfügung. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch für gering- und mittelqualifizierte Arbeitnehmerinnen nachzeichnen. „Damit hinken Frauen der Einkommensentwicklung rund 40 Jahre hinterher, da sie 2013 immer noch nicht das Niveau erreicht haben, das Männer in den 1970ern hatten“, fasst Barišić die Ergebnisse zusammen.

Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit und Einkommensverlusten

Der historische Verlauf zeigt darüber hinaus, dass ein höheres Qualifikationsniveau eine wichtige Schutzfunktion darstellt – über alle Gruppen in Ost und West hinweg. „Mit den höchsten Arbeitslosenraten und Einkommensverlusten über die Zeit gehören Geringqualifizierte zu den größten Verlierern der vergangenen Jahrzehnte“, so Barišić. Seit den 1970er Jahren sind sie zunehmend stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Mittel- und Hochqualifizierte.

Die gestiegenen Arbeitslosenraten spiegeln sich auch in der Entwicklung der verfügbaren Einkommen wider. Insbesondere geringqualifizierte Männer in West und Ost mussten über die Zeit Einkommensverluste hinnehmen: Ein geringqualifizierter westdeutscher Mann hatte 2013 ein Einkommen von 1.460 Euro zur Verfügung – 1976 waren es in Preisen von 2015 rund 1.600 Euro.

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