Umschulung zur Erzieherin: eine Situation im akuten Fachkräftemangel
Marburg 30.04.1954 (pm/red) Ann-Kathrin Siebert hat sechs Jahre lang in einer Bank gearbeitet. Ihrem eigentlichen Wunsch nach einer Erzieher-Ausbildung kam sie damals aber aus finanziellen Gründen nicht nach. Eine sichere Sache erschien eine Bankausbildung. Der Wunsch nach einer Arbeit mit Kindern blieb jedoch bestehen. Als sie schließlich wusste, dass sie als Bankerin langfristig nicht glücklich werden wird, suchte sie einen Neuanfang und ging zur Arbeitsagentur. Hier wurde ihr die Umschulung zur Erzieherin von Arbeit und Bildung e.V. vorgeschlagen.
Zusammen mit der Käthe-Kollwitz-Schule können hier Menschen mit Berufserfahrung, die arbeitslos geworden sind, eine dreijährige Teilzeitausbildung durchführen. Heute ist die junge Frau ausgebildete Erzieherin und seit August letzten Jahres in Festanstellung in der Kindertagesstätte Löwenzahn in Cölbe.
Erika Völker, Leiterin der Kindertagesstätte in Cölbe sagt: „Am Anfang war ich skeptisch über eine Umschulung, die arbeitslose Menschen aus allen möglichen beruflichen Richtungen in die Kindergärten bringen sollte. Denn zum Erzieherberuf braucht es eine echte Berufung“. Jedoch habe sie ihre meine Meinung geändert: „Es ist schwer geworden, gute Leute zu finden. Da ist die Reife und Lebenserfahrung, die die Umschüler/innen mitbringen von großem Vorteil“. Die langjährige Kindergartenleiterin berichtet, dass der Kindergarten früher eher eine familienergänzende Funktion hatte. „Heute muss viel aufgefangen werden, was die Familie häufig nicht mehr leisten kann.
Umso wichtiger ist ein gut funktionierendes und verlässliches Team“, so Völker. Uli Preis, Kursleiter der Umschulung, bestätigt: „Wir schauen sehr genau auf die Eignung unserer Bewerber/innen. Was wir finden ist oft eine hohe Motivation der Umschüler/innen.“ Monika Forneck ergänzt: „Wichtig ist auch eine gute Absprache zwischen Einrichtung und Kursleiter/innen. Hier können aufkommende Probleme zeitnah besprochen und Lösungen gefunden werden.“
Ein Vorteil gegenüber der klassischen Erzieher-Ausbildung ist das enge Zusammenspiel von Schule und Praxis: „Durch den Wechsel von zwei Tagen Schule und drei Tagen Praktikum in der Woche konnte ich Gelerntes gleich im Arbeitsalltag anwenden und umgekehrt. Verunsichernde Situationen mit den Kindern konnte ich gleich im Kurs ansprechen“ erzählt Siebert. Auch die Vielfalt der beruflichen und persönlichen Hintergründe der Umschüler/innen empfand die Erzieherin für ihre jetzige Tätigkeit als Bereicherung.
Nach aktuellen Zahlen der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) fehlen bundesweit akut 100.000 Erzieherinnen und Erzieher. Bis 2025 soll die Lücke den Angaben zufolge sogar auf 583.000 Arbeitskräfte anwachsen. Kita-Leiterin Erika Völker sieht angesichts dieses Hintergrundes die Umschulung als echte win-win-Situation: Arbeitslose Menschen erhalten eine neue Chance und die Einrichtungen und Kindertagesstätten werden unterstützt in ihrer immer schwerer werdenden Suche nach geeignetem Personal.