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Hexenglaube und Hexenverfolgung: Stadt Marburg lädt ein zur Beteiligung an Kulturprojekt

Marburg 17.06.2019 (pm/red)  Es geht um den Umgang mit Anderssein und Ausgrenzung, um brutale Verfolgung und der Machtfrage zwischen Frauen und Männern – das Marburger Themenjahr stellt 2020 einen aktuellen Bezug zur Gegenwart her. Dabei setzt sich die Universitätsstadt mit einem traurigen, aber vielschichtigen Kapitel seiner Erinnerungskultur auseinander: Hexenglauben und Hexenverfolgung.„Es handelt sich um ein ganz finsteres Kapitel unserer Geschichte, das lange zurückliegt, aber trotzdem noch nicht aufgearbeitet ist“, sagt Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Auch in Marburg und Umgebung wurden – vor allem im 17. Jahrhundert – Frauen, Männer und sogar Kinder wegen eines Vergehens gefoltert und ermordet, das es so gar nicht gab: Hexerei.

Die ehemalige Stadtverordnete Elke Therre-Staal hatte den Anstoß zur Auseinandersetzung mit diesem Thema gegeben. Im vergangenen Jahr hatte dann der Magistrat auf Antrag von SPD, B90/Die Grünen, Marburger Linke und BfM beschlossen, durch ein Gedenksymbol zur Rehabilitation der Opfer der Hexenverfolgung im Raum Marburg beizutragen. 2020 soll das Gedenksymbol gestaltet und in der Stadt aufgestellt werden. „Mit der Aufarbeitung von Hexenglauben und Hexenverfolgung in Marburg wollen wir ein Zeichen setzen gegen Vorurteile, Diskriminierung und Ausgrenzung. Gewalt gegen Menschen, ganz gleich, ob sie anders denken, glauben, handeln oder aussehen, darf es in unserer Stadt nicht geben“, sagt der Rathauschef.

Das Thema habe daher einen sehr aktuellen Bezug: „Es geht um den Umgang mit dem Anderssein und die Ausgrenzung von Menschen bis hin zur brutalen Verfolgung. Solche rauschhaften Verfolgungen haben in einer zivilisierten Gesellschaft nichts zu suchen“, macht Spies deutlich. Die Hexenverfolgung sei ein historisches Symbol für solch archaisches Verhalten, das auf die Gegenwart übertragen werden könne. So beinhalte das Themenjahr auch die Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen, wie Menschen sich davor schützen können.

Das Gedenken an die Opfer der Hexenverfolgung soll das gesamte Jahr hindurch begleitet werden von Ausstellungen, Vorträgen, Lesungen, Führungen, einer wissenschaftlichen Tagung, Kunst, Konzerten und Film, die gemeinsam mit den Kirchen, der Universität und der Stadtgesellschaft erdacht und gestaltet werden. Während der vorbereitenden Planungen wurde außerdem schnell deutlich, „dass wir über Hexenverfolgung in Marburg kaum etwas wissen“, sagt Dr. Christoph Becker vom Fachdienst Kultur. Ein Historiker sei daher bereits mit einer Fachstudie beauftragt. Historische Fakten sollen aufgearbeitet und so beispielsweise die Namen aller in Marburg Hingerichteten erforscht werden. Außerdem werden auch Erkenntnisse zu Hinrichtungsstätten und die Rolle des Rathauses erwartet. Auf dieser Grundlage könne dann auch ein passender Standort für das Gedenksymbol festgelegt werden.

Darüber hinaus beschäftigen sich die bisher angedachten Veranstaltungen unter anderem mit dem Wandel, den das Bild der Hexe im Laufe der Jahrhunderte erfuhr. So wird es auch darum gehen, was Menschen in Märchen, im Volksglauben oder im Alltag über Hexen und Zauberei zu wissen glaubten. Thema kann dann auch die Wandlung des Hexenbildes im Laufe der Zeit sein, sodass Figuren wie etwa Bibi Blocksberg und Hermine Granger, die Halb-Hexe aus „Harry Potter“, ebenfalls Behandlung finden können, erläutert Ruth Fischer, Leiterin des Fachdienstes Kultur. Dabei sei immer die Balance zwischen der ernsthaften gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit dem Thema und leichteren Zugängen das Ziel, betont Dr. Christine Amend-Wegmann, Leiterin des Fachbereichs „Zivilgesellschaft, Stadtentwicklung, Migration und Kultur“ sowie Fachdienstleiterin des Referats für die Gleichberechtigung von Frau und Mann.

Außerdem ist geplant, unter dem Titel „Magie der Kräuter“ etwa mit Kräutergärten, Führungen und Begrünung die Heil- und Schadenskräfte von Pflanzen im Stadtraum erlebbar zu machen. Dieses Wissen wurde „Hexen“ oft als eine Form von Zauberei zugeschrieben – und greift laut Spies eine „tief feministische Frage“ auf: die Machtfrage zwischen Frauen und Männern im Gesundheitswesen vor rund 500 Jahren.

Das endgültige Jahresprogramm ist erst für November geplant – schließlich lädt die Universitätsstadt Marburg alle Bürger*innen zur Beteiligung ein. „Wir möchten das Thema auf ganz breite Füße stellen und eine große Beteiligung erreichen“, sagt Fischer. Daher können sich Menschen, die sich für Hexenverfolgung und Hexenglauben interessieren, vom 19. Juni bis 15. August mit einem eigenen Kulturprojekt beim Fachdienst Kultur bewerben. Die Projekte werden auf der Social-Media-Plattform Facebook online gestellt und zur Auswahl für die Stadtgesellschaft freigegeben. Der Abstimmungsschluss ist am 31. August: Fünf von der Community ausgewählte Projekte erhalten eine Förderung in Höhe von bis zu 1000 Euro, die für die Umsetzung des Vorhabens als Beitrag zum Themenjahr bestimmt sind.

Interessierte, die das Themenjahr mitgestalten möchten, können ihre Bewerbungen analog oder digital beim Fachdienst Kultur, entweder per Mail an kultur1@marburg-stadt.de oder per Post, Markt 7, 35037 Marburg, einreichen. Nähere Informationen gibt es im Internet unter www.marburg.de/hexen.

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