In Marburg gedachten 4500 Menschen der Opfer von Hanau
Kassel 25.02.2020 (pm/red) 4500 Menschen haben am Samstag in Marburg ein deutliches Zeichen gesetzt gegen Hass und Hetze, gegen Ausgrenzung, gegen Terror und Gewalt. Sie sind in einem Demonstrationszug durch die Stadt gezogen und haben der Opfer des Anschlags in Hanau mit einer Mahnwache auf dem Marktplatz gedacht – dort haben sie eine Menschenkette gebildet und skandiert „Wir stehen zusammen!“.
Tausende Menschen haben sich an diesem 22. Februar vor dem Erwin-Piscator-Haus versammelt – um gemeinsam der Menschen zu gedenken, die in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag mutmaßlich aus rassistischen Motiven ermordet wurden. Sie sind gemeinsam durch die Stadt gezogen um ihre Anteilnahme mit den Angehörigen der Opfer zu demonstrieren und um zu zeigen „Wir stehen zusammen!“ Angeführt wurde der Zug durch die Innenstadt von Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, Stadträtin Kirsten Dinnebier, Bürgermeister Wieland Stötzel, Stadtverordnetenvorsteherin Marianne Wölk, Landrätin Kirsten Fründt, Angela Dorn, der Ministerin für Wissenschaft und Kunst, den Landtagsabgeordneten Dirk Bamberger und Jan Schalauske, der Vorsitzenden des Ausländerbeirats, Goarik Gareyan, sowie Asim Alqusaibi, dem Imam der muslimischen Gemeinde. Mit dabei war auch das Marburger Prinzenpaar samt Hofstaat. Sie hielten ein Banner mit der Aufschrift „Ein Helau gegen den Hass“ hoch. Als die ersten hundert Menschen den Marktplatz füllten, zog die Kette aus Demonstrationsteilnehmer*innen sich noch durch die Barfüßerstraße und die Universitätsstraße bis zur Alten Universität.
„Dieser Anschlag macht uns fassungslos und erfüllt uns mit großer Trauer und Mitgefühl für die Opfer, ihre Angehörigen und Freunde“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Dieser Anschlag habe Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Haarfarbe gegolten – aufgrund von Zeichen, die niemand selbst bestimmen kann. „Es war ein Akt von rassistischem Terror“, so das Stadtoberhaupt. Und er betonte: Rassismus im Alltag, rassistischer Terror, zerstört unser Zusammenleben. Rassismus ist ein alltägliches Gift!“
Der OB versicherte allen Menschen, die sich durch den rassistischen Terror bedroht fühlen: „Ihr seid wir. Ihr seid ein Teil von uns. Ohne Euch sind wir nicht komplett. Was Euch verletzt, verletzt uns alle. was Euch bedroht, bedroht uns alle.“ Er forderte die mehr als 4.000 Menschen auf dem Marktplatz auf, sich an den Händen zu fassen. Diese reichten sich die Hände und skandierten laut im Chor „Wir stehen zusammen!“ – und bildeten „eine Mauer gegen Hass, gegen Rassismus, gegen Hetze, gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit.“ Er versprach weiter – unter anhaltendem Applaus und Bestätigung aus der Menge: „Wir wollen aufmerksam sein und dann klar, eindeutig, stark und unverrückbar bei einander stehen, heute und jeden Tag. Kein Raum für Rassismus nicht in unserer Stadt und nicht irgendwo sonst, heute und jeden Tag!“ Mit allen Mitteln der wehrhaften Demokratie und des Rechtsstaats müssten Gesellschaft, Stadt und Staat gegen VolksverhetzerInnen und RassistInnen vorgehen.
Für den Ausländerbeirat sprach die Vorsitzende Goarik Gareyan: „Gegen jede Krankheit gibt es ein Mittel! Wir müssen gegen Faschismus ein Gegenmittel finden als Gesellschaft!“ Und sie gab zu, selbst ängstlich geworden zu sein. „Aber es ist ermutigend, euch alle hier zu sehen – auch hessenweit und deutschlandweit! Alle stehen draußen und sagen ,wir halten zusammen!‘“
„Denen, die seinem Hass ein Ziel gaben, gilt unser Zorn“, fand der Dekan des evangelischen Kirchenkreises Marburg, Burkhardt zur Nieden, klare Worte. Es gebe nur einen Weg, sich in die Nähe von Rassismus und Diskriminierungen zu begeben, ohne sich schmutzig zu machen: „Indem man sie bedrängt und bekämpft!“, forderte er unter Applaus. Und er betonte: „Machen wir uns nichts vor: es geht längst um unsere Republik.“
Imam Asim Alqusaibi hat für die Opfer des Anschlags gebetet – und gesagt: „Wir trauern hier und heute um die Opfer. Auch wenn wir sie nicht persönlich kannten, so sind sie unsere Geschwister in der Menschlichkeit, in diesem Land. Es bleiben die Erinnerungen an sie und die drängende Hoffnung, dass sich so ein Attentat nie wieder wiederholen darf!“
Für emotionale Momente sorgte auch die Schauspielerin und Sängerin Franziska Knetsch: Sie verlas das Gedicht „Deutschland erwache!“, das Kurt Tucholsky bereits 1930 veröffentlichte. Nach den Redebeiträgen sang sie – begleitet von Michal Bandac an der Gitarre und den Stimmen der 4000 Teilnehmenden – „Imagine“ von John Lennon. „Stell dir vor, alle Menschen teilen sich die Welt“, zitierte OB Spies dann aus dem Lied und ergänzte: „Lassen Sie uns alle gemeinsam dafür sorgen, dass dies kein Traum bleibt!“