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Zentrum für seltene Erkrankungen bei Kindern setzt erstmalig in Hessen Gentherapie mit Zolgensma ein

Tabitha Dreiz, die Mutter von Samuel, hofft auf eine wirksame Therapie. Foto UKGM

Kassel 12.03.2020 (pm/red) Die durchsichtige kleine Atemmaske, die sich eng um seine Nase schmiegt und der große Schlauch daran, sind auf den ersten Blick das Einzige, was den kleinen Samuel von anderen Babys in seinem Alter unterscheidet. Lachend und freudig vor sich hin glucksend liegt er im schicken Strampler mit roter Fliege auf Mamas Schoß und schaut fröhlich und aufgeweckt in die Runde. Dabei war Samuel in seinem noch so jungen Leben dem Tod schon zweimal ganz nah. Er leidet an spinaler Muskelatrophie (SMA), einer Erbkrankheit, die zur Folge hat, dass sich seine Muskulatur nicht richtig ausbilden kann. Unter anderem ist sein Zwerchfell betroffen, der wichtigste Atemmuskel. Weil ihm die Kraft zum Atmen fehlt, musste der kleine Kämpfer schon zweimal widerbelebt werden und wird seither über die Atemmaske dauerbeatmet.

Nach einer völlig problemlosen Schwangerschaft und Geburt war die Erkrankung im Alter von sechs Wochen bei Samuel festgestellt worden. „Ein Glück, dass das relativ früh geschehen ist“, sagt Prof. Bernd Neubauer, Leiter des Gießener Zentrums für seltene Erkrankungen (ZSEGi) am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM). Mit seinem Team behandelt der Kinderneurologe im Jahr rund 80 Kinder mit dieser seltenen Erbkrankheit, die aus ganz Deutschland nach Gießen kommen: „Je eher die spinale Muskelatrophie erkannt wird, umso größer sind die Chancen, dass wir den Kindern mit einer gezielten Therapie helfen und den Verlauf abmildern oder aufhalten können.“ Anders als in den USA, gehört der Test auf SMA in Deutschland noch nicht zu den regelhaften Untersuchungen bei Neugeborenen. Unbehandelt haben die meisten Kinder eine Lebenserwartung von rund 18 Monaten. Heilbar ist die Erkrankung noch nicht, aber es gibt derzeit zwei Medikamente, die den fortschreitenden Verlust von Bewegungsfähigkeit aufhalten und somit Leben deutlich verlängern und Lebensqualität verbessern können.

Bei Samuel war die schwerste Form der Erkrankung, SMA Typ I, festgestellt worden. Seither wurde er in Gießen mit Spinraza behandelt. Ein Medikament, das seit 2017 in Deutschland zugelassen ist, lebenslang gegeben wird und auch bei ihm zunächst geholfen hat, sagt seine Mutter, Tabitha Dreiz: „Mit sieben Wochen hat er die erste Spritze bekommen, da hat er sich fast gar nicht bewegen können. Nach der dritten Spritze konnte er dann am Daumen lutschen, den Kopf ein wenig drehen und auch die Füße etwas bewegen. Ich konnte ihn sogar stillen und er hat aus der Flasche getrunken.“ Im November verschlechterte sich Samuels Zustand aber drastisch. Wiederkehrende Atemnot, eine Lungenentzündung, zweimalige Widerbelebung und Aufenthalte auf der Intensivstation waren die Folge. Der Kleine muss nun über eine Sonde künstlich ernährt und über die Maske dauerbeatmet werden und für ihn und seine Mutter ist die Gießener Kinderklinik seit November durchgängig zum zweiten Zuhause geworden. Für die Eltern war dann klar: „Wir möchten, dass Samuel Zolgensma bekommt, weil wir hoffen, dass ihm diese Therapie hilft zu überleben.“

Teuerstes Medikament der Welt gibt neue Hoffnung

Mit Kosten von 2,15 Millionen Euro für eine einmalige Gabe ist Zolgensma das derzeit teuerste Medikament der Welt. Einmal per Infusion verabreicht soll es, laut Hersteller, lebenslang wirken. Zolgensma ist eine Gentherapie, bei der ein gesundes Gen in den Körper eingeschleust wird, das fehlerhafte Funktionen ausgleicht und so den Muskelschwund bremst.  Zugelassen ist es bislang nur in den USA nicht aber in Europa. Abgesehen von den Kosten muss beim Einsatz eines nicht zugelassenen Medikamentes vor allem die medizinische Notwendigkeit gegeben sein, betont Prof. Neubauer: „Kinder mit Spinaler Muskelatrophie (SMA) werden bei uns mit dem einzigen in Deutschland zugelassenen Medikament (Spinraza) behandelt.

Dieses Medikament ist sehr gut wirksam, lässt aber keine Heilung erwarten. Ob das neue, bisher nur in den USA zugelassene Medikament (Zolgensma) besser wirkt, ist bisher nicht untersucht und daher auch nicht bekannt. Wenn allerdings, wie jetzt in diesem Fall, Spinraza nicht mehr ausreichend wirkt, dann sehen wir durchaus eine medizinische Notwendigkeit, Zolgensma zu geben, wenn die Eltern das wünschen.“

Über ein Härtefallprogramm der Herstellerfirma wurde es in dieser Woche schließlich möglich, dass Samuel das Medikament kostenlos zur Verfügung gestellt werden konnte. „Wir haben es am Montag erfahren und freuen uns sehr. Wir sind Prof. Hahn, Prof. Neubauer und dem Pflegepersonal der Station Pfaundler sehr dankbar, dass sie alles getan haben, damit unser Sohn diese Therapie erhalten durfte.  Natürlich sind wir auch sehr aufgeregt und alles in allem freudig nervös“, sagt Tabitha Dreiz. Am Mittwoch hat der kleine Patient die Infusion mit Zolgensma erhalten. Vier bis fünf Wochen wird er jetzt zur weiteren Behandlung in der Klinik bleiben. „Dann müsste man auch sehen können, wie und ob das Medikament wirkt“, sagt der Kinderneurologe Neubauer.

Samuels Eltern hoffen, dass ihr derzeit größter Wunsch in Erfüllung geht: „Wir wollen ihn aufwachsen sehen und zwar zuhause als Familie, mit einem etwas normaleren Alltag und ohne die ständige Angst, ihn zu verlieren. Das wäre schön.“

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