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Marburger erhält Memento Forschungspreis 2020 für vernachlässigte Krankheiten

Mit dem Rasterelektronenmikroskop werden mit Orientia tsutsugamushi infizierte Zellen sichtbar. Das Bakterium verursacht das Tsutsugamushi-Fieber – eine der häufigsten Erkrankungen aus der Gruppe der Rickettsiosen. Foto: Christian Keller

Kassel 26.03.2020 (wm/red) Dr. Christian Keller vom Institut für Virologie der Philipps-Universität Marburg und Dr. Anke Osterloh vom Forschungszentrum Borstel wurden Anfang März mit dem „Memento Preis für vernachlässigte Krankheiten“ ausgezeichnet. Die internationale Jury würdigte durch den mit 5.000 Euro dotierten Preis ihre Beiträge und ihr Engagement für die Forschung an Rickettsien-Infektionen. Ziel der Initiatoren des Preises – Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, BUKO Pharma-Kampagne und DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. – ist, Aufmerksamkeit für vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten zu schaffen.

Rickettsien sind Bakterien der Gattung Rickettsia, die sich in vielen Zecken, Flöhen, Milben und Läusen finden. Rickettsien-Infektionen kommen weltweit vor und betreffen viele Menschen, insbesondere in ärmeren Regionen der Erde. In den vergangenen Jahren wurden steigende Fallzahlen und eine zunehmende räumliche Verbreitung der Erreger beobachtet. Mit über einer Million geschätzter Infektionen pro Jahr weltweit gehört das vor allem in den tropischen Regionen Asiens beheimatete Tsutsugamushi-Fieber zu den häufigsten Erkrankungen aus der Gruppe der Rickettsiosen. Es wird durch das Bakterium Orientia tsutsugamushi verursacht und kann lebensbedrohliche Verläufe nehmen.

Dennoch sind Rickettsien-Infektionen vielen bislang nur wenig bekannt. „Vernachlässigt heißt oft auch unbekannt. Infektionen durch Rickettsien kennen die wenigsten, und doch haben sie große Bedeutung als Erreger schwerer, oft sogar lebensbedrohlicher Infektionskrankheiten auf allen Kontinenten“, sagte Jurymitglied Prof. Dr. August Stich, Chefarzt der Tropenmedizinischen Abteilung der Missioklinik Würzburg, in seiner Laudatio.

In vielen Ländern mangelt es an zuverlässigen, breit verfügbaren und erschwinglichen Diagnostika als Grundlage für die Behandlung mit einem passenden Antibiotikum. „In Afrika und Asien wird die Diagnostik häufig an teure Labore außerhalb der Krankenhäuser vergeben und verkauft. Patientinnen und Patienten mit niedrigen Einkommen sind so kaum adäquat zu versorgen“, so der Infektionsmediziner Dr. Christian Keller vom Institut für Virologie der Philipps-Universität. Bei falscher oder verzögerter Behandlung können Rickettsien-Infektionen dann oft tödlich verlaufen.

Gerade in schweren Fällen fehlt es außerdem an innovativen therapeutischen Strategien und neuen Wirkstoffen, da Rickettsien auf nur sehr wenige Antibiotika ansprechen. Auch eine Schutzimpfung ist nicht verfügbar. „Für die Entwicklung eines Impfstoffes ist es wichtig, die Immunmechanismen zu verstehen, die zu einem Schutz gegenüber den Erregern beitragen“, sagt Dr. Anke Osterloh.

In den vergangenen Jahren entwickelten Keller und Osterloh neue Labormodelle für die Infektion mit Orientia tsutsugamushi und Rickettsia typhi, zwei der weltweit am häufigsten vertretenen Rickettsien. „Diese Modelle haben sehr viel zum Verständnis der Immunantwort gegenüber Rickettsien beigetragen und erlauben uns nun, neue Wirkstoffe und potentielle Impfstoffe auszutesten“, sagt Keller. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) zeigten Keller und Osterloh in diesen Modellen die Wirksamkeit einer neuen Antibiotikaklasse gegen Rickettsien. Sie entwickelten zudem den weltweit ersten transgenen Stamm von Rickettsia typhi, ein wichtiges Instrument für die Entwicklung neuer Therapieansätze und Impfungen.

Neben der Identifizierung neuer Wirkstoffe und der Entwicklung eines Impfstoffes ist auch die translationale, patientennahe Forschung ein wichtiges Anliegen von Keller und Osterloh. Dabei steht die Identifizierung von Biomarkern für schwere Infektionsverläufe und klinische Studien im Vordergrund. Wichtige Kooperationsstandorte der beiden Forschenden für diese Arbeiten befinden sich in Nepal, Ghana, Kamerun und Madagaskar.

„Mit diesem Preis erfahren Rickettsien-Infektionen eine ganz neue und dringende Aufmerksamkeit. Er bestärkt uns sehr in unseren Arbeiten und würdigt außerdem den Beitrag aller daran Beteiligten, denen wir hier auch persönlich noch einmal unseren Dank aussprechen möchten“, sagen Keller und Osterloh.

Zum Institut für Virologie

Das Institut für Virologie der Philipps-Universität Marburg befasst sich mit der Erforschung hochpathogener Viren und neuauftretender Infektionen, sowie der Entwicklung von neuen Impfstoffen – auch für das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2). Das Institut verfügt über Laboratorien der biologischen Sicherheitsstufe 3 und 4 (BSL3 und BSL4) und ist Konsiliarlabor der Bundesrepublik Deutschland für Filoviren.

 

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