Interventionistische Linke Marburg: Der Schutz vor Corona braucht ein Zuhause! Auch in Marburg
Kassel 06.04.2020 (pm/red) Die Corona-Krise beleuchte schlaglichtartig bereits bestehende Missstände in der Gesellschaft und verschärfe die daraus folgenden Konsequenzen, wird von der „Interventionistische Linke Marburg“ zur aktuellen Lage konstatiert. Aus ihrem Selbstverständnis als Interventionistische Linke versucht sie sich die daher an einer kritischen Bestandsaufnahme, die Marburg und den Umkreis in den Blick nimmt. Gleichzeitig soll die Perspektive dahingehend geöffnet werden, „dass sich aus der Krise auch Türen aufstoßen lassen.“
Das UKGM und Privatisierung
Die Privatisierung des Universitätsklinikums habe den Pflegenotstand verschärft und zu unzumutbaren Bedingungen für Beschäftigte und PatientInnen geführt, wird mitgeteilt. Die Zustände spitzen sich anhand der Corona-Krise noch weiter zu. Bemerkbar mache sich das unter anderem daran, dass die Aufstockung der Intensivkapazitäten nur durch massive finanzielle Zuwendungen des Staates möglich sei.
In der Kliniklandschaft zeige sich ein verheerendes Bild: Noch im Februar forderte unter anderem Gesundheitsminister Spahn eine umfassende Schließung von Kliniken. Unter den aktuellen Vorraussetzungen wirkt das mehr als zynisch. Kleinere Krankenhäuser und Fachgebiete, die üblicherweise Kapazitäten vorhalten müssen, weil die Auslastung nicht berechenbar ist, stehen auf der Abschussliste – exemplarisch dürfte die Schließung der Geburtsstation im Diakoniekrankenhaus Wehrda diesen Hintergrund haben.
Geflüchtete, Illegalisierte und Marginalisierte
Die Corona-Krise treffe wie jede Krise die armen Klassen, Illegalisierte und Marginalisierte als erstes und am allerhärtesten. Wohnungslosen fehlt durch die Schließung der Tagesaufenthaltsstätte jegliche Rückzugsmöglichkeit. Noch Ende letzten Jahres startete die Stadt Marburg das Projekt „Probewohnen“, mit dem Wohnungslosen ein Übergang zu einem festen Wohnsitz erleichtert werden sollte. OB Thomas Spies betonte damals: „In unserer Stadt soll niemand ohne Dach über dem Kopf leben müssen.“ Jetzt sei es an der Zeit dieses Versprechen nicht nur für einige wenige in die Tat umzusetzen, sondern für alle, die Bedarf haben, wird festgestellt.
Von der Einschränkung der Bewegungsfreiheit betroffen sind insbesondere auch Geflüchtete, die an den EU-Außengrenzen und in Erstaufnahmeeinrichtungen wie in Gießen in überfüllten Lagern untergebracht sind und nicht die Möglichkeiten haben, dem geforderten “Social distancing” nachzukommen. Dabei bedarf es nur wenig Fantasie, um sich die Konsequenzen von großen Ansammlungen von Menschen, deren Zugang zu Hygiene sowie gesunder Ernährung nicht gesichert ist, auszumalen. Ein Ausbruch von Corona hätte in diesen Lagern katastrophale Folgen. Ein Blick auf Lesbos zeige auch, wie wenig den europäischen Regierungen daran gelegen ist, Menschenleben zu retten.
Als „sicherer Hafen“ habe sich Marburg zwar bereits dazu bereit erklärt, Menschen aus den griechischen Lagern aufzunehmen, doch die hessische Landesregierung und die Bundesregierung stellen sich dagegen. Auch hier gelte es nicht nur seitens der Stadtregierung weiter Druck aufzubauen.
Marburg hat Platz
In der Stadt Marburg würden währenddessen zahlreiche Liegenschaften ungenutzt bleiben: komplett als AirBnB-Unterkünfte dienende Häuser in der Oberstadt stehen leer, Wohnungen werden seit Jahren als Spekulationsobjekte gebraucht und deshalb nicht neu vermietet und auf Grund der aktuellen Situation haben auch Marburgs Hotels nahezu vollständig leerstehende Zimmer und viel Platz.
Doch der Bedarf an Unterkünften sei größer denn je, denn Kontaktsperren und Isolation führen nachweislich auch zu einer Zunahme an häuslicher Gewalt, die zumeist Frauen und Kinder trifft. Die Folge: das chronisch unterfinanzierte Marburger Frauenhaus platzt aus allen Nähten.
Praktische Solidarität
Immerhin: In extremem Tempo sei in den letzten Wochen ein Verein zu Zwecken der Nachbarschaftshilfe aus dem Boden gewachsen – Solidarburg. Aber ein funktionierendes Netzwerk aus hilfsbereiten Menschen entlasse die Stadt Marburg, die Landesregierung und den Bund nicht aus ihrer Verantwortung für die Menschen. Die Notwendigkeit für zivilgesellschaftliche Hilfsmaßnahmen ergab sich nicht zuletzt auch und vor allem aus der massiven Aushöhlung der sozialen Infrastruktur der letzten Jahre. Auch hieran zeigt sich, dass sich Bewältigungsstrategien nicht nur an den Teilen der Gesellschaft, die ohnehin weniger von den Auswirkungen zu befürchten haben, orientieren dürfen.
Mit solidarischer Organisierung von unten und konkreten linken Positionen innerhalb dessen sei eine Chance auf ihre Verankerung in der Gesellschaft gegeben. „Es ist nicht nur die Tür, sondern das Scheunentor für linke Politik, das es zu nutzen gilt.“
Zusammenfassend wird von der Interventionistische Linke Marburg gefordert:
– Rückführung des UKGM in öffentliche Trägerschaft: das Gesundheitswesen muss demokratisch gesteuert und finanziert werden
– Zugang zum regulären Gesundheitssystem für alle Geflüchteten, Marginalisierten & Illegalisierten
– Dezentrale Unterbringung Geflüchteter und Einhaltung allgemeinverbindlicher Hygienestandards
– Ausnahmslose Aussetzung von Abschiebungen und Schließung aller Abschiebungshaftanstalten
– Nutzung des aktuellen Leerstand wie Hotelzimmer und Ferienwohnungen als Rückzugsmöglichkeit für Wohnungslose
– Bedarfsgerechte Räumlichkeiten und eine auskömmliche Finanzierung für das Frauenhaus