Stadt Marburg will mit 3,7-Mio-Euro-Hilfsprogramm der Krise gegensteuern
Kassel 26.05.2020 (pm/red) Mit einem Sofortprogramm über 3,7 Millionen Euro will die Stadt das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben in Marburg in der Corona-Krise stabilisieren. Das finanzielle Schwergewicht im 14-Punkte-Plan soll der Stadt-Geld-Gutschein sein: Mit ihm sollen Marburgs Gewerbetreibende binnen sechs Wochen mehrere Millionen Euro Umsatz machen. Dazu komme Mieterschutz, vergünstigte Park- und Bustickets, Kampagnen zum lokalen Einkauf, Förderung von SchülerInnen, SeniorInnen, Handwerk und Bauwirtschaft, Erlass städtischer Gebühren, Stundung von Steuern und mehr. Am Freitag, 29. Mai, liegt das Programm den Stadtverordneten zur Abstimmung vor, wird aus dem Rathaus mitgeteilt.
„Wir sind mitten in einer Krise von noch nie dagewesener Dimension. Das verlangt hier in Marburg mutige Lösungen von ebenso außerordentlicher Dimension, um unsere lebendige Stadt zu erhalten. Wie wichtig dafür der kleine Einzelhandel, Gastronomie und Kultur sind, haben wir während des Lockdown schmerzlich gespürt“, sagt Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies.
Vor gut einem Monat, am 23. April, hatte der Magistrat angekündigt, ein eigenes städtisches Hilfsprogramm für Marburg aufzulegen. Die Vorlage „Marburg Miteinander – Gemeinsam sicher durch die Krise“ ist in den vergangenen Wochen erarbeitet und im Magistrat angenommen worden. Sie schafft die Voraussetzung, mit der der Magistrat finanziell handlungsfähig ist. Jetzt sei es an der Stadtverordnetenversammlung, das zusätzliche Geld freizugeben, damit wir losgelegt werden kann. Die Mittel für das Hilfsprogramm seien da, wird mitgeteilt, die Stadt habe in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet und Geld – zum Beispiel Gewerbesteuernachzahlungen des Pharma-Standorts – beiseitegelegt statt ausgegeben.
Das Krisen-Programm soll kurzfristig starten
– Ganze 1,9 Mio. Euro und damit mehr als die Hälfte des gesamten Pakets entfällt auf den Stadt-Geld-Gutschein – ein neues und einmaliges Gutschein-System zur Stärkung des örtlichen Gewerbes. Alle erwachsenen MarburgerInnen erhalten einen Gutschein über 20 Euro, alle Kinder und Jugendlichen einen über 50 Euro. Die Stadt gibt so rund 76.000 Gutscheine aus, gültig für sechs Wochen. Damit kann in Läden, Gastronomie, Kultureinrichtungen sowie bei Dienstleistern eingekauft werden, die wegen der Pandemie monatelang geschlossen waren.
– Sowohl kurz- als auch langfristig kann das Programm „Sicher Wohnen“ im Maßnahmenpaket wohnen. Es besteht aus einem Mietendeckel für GeWoBau-Wohnungen, der Zusicherung, dass bei Corona-bedingten Zahlungsausfall Wasser und Strom trotzdem fließen, kurzfristige zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten für von Gewalt bedrohte Frauen und Kinder, für Obdachlose, für Geflüchtete. Ebenfalls enthalten ist ein Marburger Notfallfonds zum Mieterschutz, die greift, wenn Corona-bedingte Mietschulden nicht getilgt werden können. Volumen: ca. 210.000 Euro.
– Insgesamt 120.000 Euro sind vorgesehen, um ab Anfang Juni Parkscheine im Parkhaus Oberstadt und Bustickets (Einzelfahrscheine) für KundInnen der Marburger Gewerbetreibenden zu bezuschussen. Dazu kommt eine kurzfristige Werbe- und Anzeigenkampagne „Komm nach Marburg“ in der Region (15.000 Euro).
– Der erfolgreich gestartet iPad-Verleih für SchülerInnen soll erweitert und mehr Geräte angeschafft werden. Nachhilfegutscheine für alle Stadtpass-Kinder sind ebenso veranschlagt wie kostenfreie Internet-Zugänge für Schüler*innen bei Bedarf. Kostenansatz für „Bildungschancengleichheit“ im Gesamtpaket: 150.000 Euro.
– Ebenfalls kurzfristig soll der Programmpunkt „Sicher in die Stadt“ für ältere MitbürgerInnen greifen, die sich in der Corona-Krise als Risikogruppe nicht den ÖPNV nutzen wollen oder können. 50.000 Euro sollen für Taxi-Gutscheine zu Verfügung stehen, verteilt über die niedergelassenen Ärzte, zu nutzen für Fahrten zum Arzt, zur Physiotherapie oder einfach zum Einkaufen.
– Parallel baut die Stadt ihren digitalen Service weiter aus. Außerdem entwickelt sie neue, digitale Beteiligungsformen und gute barrierefreie Online-Verfahren, damit Veranstaltungen und Diskussionsrunden nicht ausfallen, damit die notwendige Beteiligung und Mitwirkung an Vorhaben der Stadt weiterhin möglich sind. Volumen für zusätzliche technische Ausstattung insgesamt: 150.000 Euro.
– Nicht nur gestundet, sondern bis Ende 2020 komplett erlassen werden sollen den Marburger Gewerbetreibenden die Gebühren für die Nutzung von öffentlichen Flächen für Außenbestuhlung und dergleichen. Die Stadt rechnet mit Einnahme-Minus von 55.000 Euro.
– Ein Notlagenfonds für Soloselbstständige in Höhe von 200.000 Euro soll existentiell bedrohte Menschen in den Bereichen Kunst, Kreative und Bildung unterstützen, die nicht von den umfangreichen Hilfsprogrammen von Bund und Land erreicht werden. Zusätzlich werden die Förderrichtlinien des bereits verabschiedeten Hilfspakets für KünstlerInnen und Kulturbetriebe überarbeitet und an die Bedarfe angepasst.
– Das Herzstück von „Marburg Miteinander“ in den Sommermonaten inklusive Ferienzeit ist der „Sommer in der Stadt“ – ein dezentrales und der Corona-Krise angepasstes Kultur- und Veranstaltungsprogramm für alle Marburger, vor allem für Familien, die wegen Corona zu Haus bleiben, und zur Unterstützung von Kulturschaffenden, Kreativwirtschaft, Schaustellergewerbe, Handel und Gastronomie. Die Mitwirkung von Vereinen, sozialen Trägern und anderen ist ausdrücklich erwünscht, Sponsoren sollen sich finanziell beteiligen. Hauptveranstalter sollen die Organisatoren des Stadtfestes sein. Ansatz: 150.000 Euro.
– Der Baustein „Förderprogramm lokales Handwerk und Bauwirtschaft“ im Marburger Hilfspaket bezuschusst die nachhaltige energetische Sanierung und den Erhalt denkmalgeschützter Bauten. Mit zusätzlichen 300.000 Euro will die Stadt zusätzliche Investitionen anschieben und so Arbeitsplatzverlusten in der Baubranche vorbeugen. Wirkung erzielen kann das auch noch in einer Phase vier ab 2021 und bei Bedarf darüber hinaus.
Es solle jetzt kraftvoll losgelegt werden, wird aus dem Rathaus mitgeteilt. Niemand könne dabei heute voraussehen, wie sich die Situation bis Ende des Jahres und darüber hinaus entwickele.