Spielerische Vermittlung digitaler Kompetenzen beim Familien-Medientag

21.12.2024 (pm/red) Das Programm zum „Familien-Medientag“ im Marburger Haus der Jugend hat teils spielerischen Einstieg in den Umgang mit digitalen Medien geboten. So gab es interaktive Stationen um Apps auszuprobieren, Drohnen zu steuern oder Stop-Motion-Filme …

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Vom Leben und Überleben in Zeiten der Corona-Pandemie – Welche Aussichten bietet die Kryonik?

Kassel 07.06.2020 (yb) Das Thema Tod und Sterben ist in Zeiten der Corona-Pandemie verstärkt in das Bewußtsein vieler Menschen gerückt worden. Nicht alleine ältere Menschen sind veranlasst worden sich damit zu beschäftigen, weil eine neuartige Bedrohung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bekannt wurde und in zahlreichnen Ländern zu vielen Tausend Todesfällen geführt hat. Begriffe wie Pandemie, Todesrate und Reproduktionszahl bestimmen seit Monaten die Nachrichtenlage und können zum Nachdenken über das eigene Leben und Überleben veranlassen. Die Betroffenheit ist nahezu allumfassend. Auch wer dem Lockdown seit März 2020, also der Stillegung des öffentlichen Lebens, Schließung von Schulen, Kultureinrichtungen, Einzelhandel und vielen Gewerbebetrieben kritisch oder ablehnend gegenübersteht, ist den Regeln unterworfen. Das Abstandsgebot gilt für jeden, ebenso die Pflicht zum Tragen von Mund-Nase-Schutzmasken. Wie sollte es verwundern, wenn eine solche von oben hereingebrochene Entwicklung als „Corona-Krise“ Menschen zum Nachdenken über ihr Leben, resp. über ihr verbleibendes „Restleben“ veranlasst. Dazu mag es gehören, dass Mensch sich über neue, heutige oder zukünftige Möglichkeiten für ein längeres Leben oder eine Lebensverlängerung kundig machen will. Eine Variante für ein (späteres) Weiterleben und Überleben verspricht die Kryonik.

Was ist Kryonik?

Dieser Beitrag ist weitgehend einem Kapitel des soeben erschienen Sachbuchs von Hans-Joachim Bauer „Großvater will ewig leben | Schritte zur Unsterblichkeit | Wie es geht und wieviel es kostet“ entnommen:
Das Wort Kryonik kommt aus dem von altgriechischen Eis, Frost: Bei der Kryonik werden Menschen, die nach heutigem Stand der Medizin als „verstorben“ gelten, bei extrem niedrigen Temperaturen, minus 196 Grad Celsius, konserviert. Zerfallsprozesse sollen bei diesen niedrigen Temperaturen aufgehalten und der Sterbeprozess am Fortschreiten gehindert werden.
Dahinter steckt die Hoffnung, dass zukünftige Medizin den Menschen auftauen, wieder zum Leben erwecken und die Todesursache heilen könnte. Die dazu benötigte Medizin müsste so fortschrittlich sein, dass sie auch Schäden heilen würde, die im Körper durch Alterungsprozesse entstanden sind.

Dass Kryonik viele Menschen und längst auch die Medien beschäftigt, lässt sich mit einer Suchanfrage im Internet leicht überprüfen. Als ein Beleg sei hier auf die Fernsehsendung von Sandra Maischberger „Dem Tod entrinnen“ verwiesen. Das Sendedatum 30. Juli 2010 macht anschaulich, dass hier bereits vor 10 Jahren ein größeres Fernsehpublikum mit dem Thema konfrontiert worden ist.

Es gibt weltweit nur wenige verschiedene Kryonik-Dienstleister: zwei existieren in den USA, einer ist in Russland tätig und ein weiteres Unternehmen befindet sich noch im Aufbau in Spanien (Valencia).
Die Preise für eine tiefgefrorene Konservierung als Ganzkörperkonservierung sind erheblich: 35.000 Dollar beim Cryonic Institute (USA), 200.000 Dollar bei ALCOR (USA), bei KrioRus (Moskau) Ganzkörper 36.000 Dollar, nur den Kopf einfrieren 12.000 Dollar.
Die Anzahl der inzwischen eingefrorenen „Patienten“ – so werden diese Leichen genannt – in den drei Instituten beläuft sich auf etwa 366. Auch Hunde, Katzen und andere treue Weggefährten der Konservierten können ihre Halter auf dem Weg durch die Kälte begleiten.

Wie funktioniert die Kryonik?

Hier ein tatsächlicher Fall, wie er in der Wochenzeitung „Die Zeit“, Ausgabe 23.3.2016, geschildert worden ist: Schauplatz ist die Stadt Harrisburg (USA), in einem Wohnhaus. Der Patient Aron Winborn, 47 Jahre alt, leidet an der Nervenkrankheit ALS, Nervenlähmung. Er liegt im Sterben, seine Frau, seine Töchter nehmen Abschied. Um 12:30 Uhr wird der behandelnde Arzt das Atemgerät abschalten. Draußen vor dem Haus sitzt Dennis Kowalski mit zwei Helfern, Mitarbeiter des Cryonic Institutes, in einem Transporter; im Laderaum 100 kg Eis, gekauft in einem Supermarkt, und ein wannenförmiger Transportbehälter.

Kurz vor 12:30 Uhr schafft Kowalski mit seinen Helfern das Eis und die Stahlwanne in die Wohnung des todkranken Patienten, Nebenraum. Kurz nach 12 Uhr gibt der Arzt dem Todkranken eine Beruhigungsspritze. Nebenan legt Kowalski den Behälter mit Eis aus.
12:30 Uhr: Der Arzt stellt das Atemgerät ab.
12:31 Uhr: Das Herz von Aron Winborn steht still. Der Arzt unterschreibt den Totenschein. Die Familie verlässt das Haus.
Kowalski transportiert die mit Eis ausgelegte Stahlwanne neben das Bett des Toten, die Leiche wird hineingelegt und mit dem restlichen Eis eingepackt. Dann installiert Kowalski eine Herzkompressionsmaschine und verbindet sie durch einen Luftröhrenschnitt mit dem Körper des Toten.
Sauerstoff fließt wieder in seine Lungen, der Gasaustausch funktioniert, das Herz pumpt (mit Hilfe der Maschine) Blut durch den Körper, der Zerfall des Körpers ist gestoppt. Etwa eine Stunde später, die Körpertemperatur des Toten ist auf 15 Grad gesunken, wird der Behälter in den Transporter geschoben und die Fahrt geht zum Cryonic Institute, wo schon ein Team darauf wartet, den Körper weiter zu behandeln.
Dort wird das Blut abgelassen und durch eine Flüssigkeit aus Ethylenglycol und Dimethylfoxid (Frostschutzmittel) ersetzt, um die Zerstörung von Körperzellen durch das Gefrieren des Wassers im Blut zu verhindern. In den folgenden Tagen wird der Tote langsam bis auf minus 196 Grad gekühlt, um danach, kopfüber in einen Spezialsack verpackt, um in einem großen Stahltank, zusammen mit zwei oder drei anderen Patienten, seine vorläufige Warteposition in flüssigem Stickstoff zu finden.

Viel Geld für Kryonik – welche Chancen gibt es?

Ein Kryostat genannter Behälter, worin die die Körper der „Kryonauten“ gelagert werden. Foto Alcor Life Extension Foundation: This „bigfoot“ Dewar is custom-designed to contain four wholebody patients and six neuropatients immersed in liquid nitrogen at -196 degrees Celsius. The Dewar is an insulated container which consumes no electric power. Liquid nitrogen is added periodically to replace the small amount that evaporates.

Der Preis für eine Ganzkörperbehandlung (Köpfe werden beim Cryonic Institute nicht eingefroren) ist mindestens 28.000 Dollar, dazu kommen für europäische Patienten die nicht unbeträchtlichen Transportkosten in die USA. Ganz grob geschätzt betragen die Gesamtkosten 40.000 bis 70.000 Dollar. Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Dienstleistungen des Instituts ist eine Mitgliedschaft, Kosten 1.250 Dollar, einmalige Zahlung, gilt lebenslang. Der Grundbetrag bei CI fürs Einfrieren beträgt zwar nur 28.000 Dollar, aber die Nebenkosten für Vorbereitungen und den Transport eines Körpers in die USA sind immens.

Aber wird der Zug, den Menschen besteigen, wenn sich sie in der Hoffnung auf ein späteres Leben und Weiterleben Einfrieren lassen, jemals ankommen?

Es gibt verschiedene Vorstellungen, wie man einen Toten wieder zum Leben erwecken könnte.
Unter dem Namen ReAima wollen Wissenschaftler der Firma BIOQUARK (USA) die Körper von 20 Hirntoten wiederbeleben. Zu diesem Zweck werden Biopräparate, und aus den Körpern der Verstorbenen entnommene Stammzellen den Toten direkt ins Rückenmark gespritzt. Diese Behandlung soll das Wachstum neuer Zellen auslösen. Die Neurologin Ariane Lewis und der Bioethiker Arthur Kaplan beurteilen diese Behandlungsmethode als Quacksalberei. (n-tv/panorama 13.7.2017)

Einsatz von Nanobots

Doch es gibt ein anderes Verfahren, welches schon teilweise in der Medizin – zur Zerstörung von Krebszellen – angewendet wird: der Einsatz von Nanorobotern, kurz Nanobots genannt. Der Wissenschaftler Marin Sitti von der Max-Planck-Gesellschaft in Stuttgart forscht mit winzigen Nanobots. Mit einer hohen Präzision sollen sie Medikamente an bestimmte Stellen des Körpers transportieren oder sogar Operationen durchführen.
Unter Nanobots oder Nanorobotern versteht man hypothetisch-autonome Maschinen (Roboter) oder molekulare Maschinen im Kleinstformat als eine Entwicklungsrichtung der Nanotechnologie. Nanobots, die zur Manipulation fähig sind, werden auch Assembler genannt. (Wikipedia)

Somit wird es in Zukunft vielleicht möglich sein, die aus ihrem eisigen Tiefschlaf erlösten Patienten mit Hilfe von Nanobots – gesteuert von intelligenten Computerprogrammen (KI) – zu untersuchen, schadhaftes Gewebe zu entfernen oder zu reparieren. © Hans-Joachim Bauer 2020

Hans-Joachim Bauer
Großvater will ewig leben
Schritte zur Unsterblichkeit
Wie es geht und was es kostet
120 Seiten, 17 x 24 cm, geb. mit Fadenheftung
Sternbald Verlag | Burgwald, Kassel 2020
ISBN 78-3-924296-63-6  geb. Ladenpreis 18,80 Euro

—>Webseite Sternbald Verlag

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