Hiroshima und Nagasaki – Vor 75 Jahren geschah das Furchtbare
Kassel 29.07.2020 | Gastbeitrag von Ursula Wöll Kurz hinter Cochem an der Mosel windet sich eine kleine Straße in die Eifel hoch. Es bieten sich die reizvollsten Ausblicke ins Tal. Oben liegt der Ort Büchel mit dem nahen Fliegerhorst der Bundeswehr. 20 US-Atombomben lagern dort, nur 200 km Luftlinie von uns entfernt. Jede einzelne hat die mehrfache Sprengkraft derjenigen, die vor 75 Jahren am 6. August und 9. August auf Hiroshima und Nagasaki fielen. In einem künftigen ‚Ernstfall‘ werden deutsche Kampfjets Atombomben transportieren und abwerfen, ‚Nukleare Teilhabe‘ nennt sich das. Unzählige BürgerInnen fordern seit Jahren, dieses Teufelszeug aus Büchel zu entfernen. Auch in diesem August demonstrieren Menschen wieder für eine Welt ohne Atombomben.
Weg mit den mörderischen Waffen!
Nie werde ich eine bewegende Ansprache des bekannten, nun verstorbenen Professors Horst Eberhard Richter aus Giessen vergessen. Vor einer Menschenmenge in Büchel plädierte er für eine Welt ohne Atomwaffen. Er erinnerte daran, dass damals etwa 90.000 JapanerInnen sofort verbrannten, 130.000 bis zum Jahresende 1945 qualvoll starben und abertausende Hibakusha (Überlebende) dauerhaft krank wurden. Im Alltag verdrängen wir notgedrungen, dass solche Massenmordwaffen ganz in unserer Nähe lagern. Doch in diesem August, in dem sich die Hölle von Hiroshima und Nagasaki zum 75.mal jährt, wird der Protest besonders stark anschwellen.
Weltweiit werden Menschen eine Welt ohne Massenvernichtungsmittel fordern. Allein die Terminliste der ‚friedenskooperative.de‘ listet zahllose Orte auf. Die deutschen Proteste werden sich auf zwei konkrete Forderungen konzentrieren. Die erste lautet: Weg mit den Atombomben aus Büchel und damit ein Ende der deutschen nuklearen Teilhabe. Repräsentative Umfragen zeigen, dass über dreiviertel der Bevölkerung das gut finden. Die zweite Forderung lautet: Der Bundestag soll über den Atomwaffenverbotsantrag der UNO abstimmen, damit ihn unsere Bundesregierung endlich unterschreibt.
Der UN-Atomwaffenverbotsantrag
Die Generalversammlung der UN hat bereits 2017 einen Atomwaffenverbotsvertrag verabschiedet, und zwar mit einer satten Mehrheit von 122 Ländern. Im Vorfeld hat die ICAN, die ‚International Campaign to Abolish Nuclear Weapons‘, immer wieder für ein solches Verbot geworben. Für ihr beharrliches Wirken bekam die Organisation im Jahr 2017 den Friedensnobelpreis. Die Dankesrede in Oslo hielt eine der letzten Überlebenden aus Hiroshima, Mrs. Setsuko Thurlow. Sie war 1945 13 Jahre alt und hat sich danach ihr ganzes Leben für die Abschaffung der Atombomben eingesetzt.
Der UN-Verbotsantrag tritt inkraft, wenn ihn 50 Staaten ratifiziert haben. Mitte Juli 2020 hat ihn der 40. Staat ratifiziert. Danke, Botswana! Die deutsche Unterschrift fehlt noch immer. In Berlin scheint eine negative Kehrtwende stattzufinden. Denn im Jahr 2009 hatten CDU, CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, sich „im NATO-Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten dafür einzusetzen, dass die in Deutschland verbliebenen Atomwaffen abgezogen werden“.
Im Jahr 2010 forderte der Bundestag die Regierung auf, sie solle sich für den Abzug der Bomben aus Büchel einsetzen. Jahr für Jahr protestieren auch über 100 Städte als Mitglieder der ‚Mayors of Peace‘ und flaggen im August vor ihren Rathäusern Friedensfahnen. Die ‚Bürgermeister für den Frieden‘ vereinen alle Kommunen, die im Zweiten Weltkrieg ganz besonders leiden mussten. Hiroshima und Nagasaki sind Mitglieder dieser weltweiten Vereinigung.
Keine neuen deutschen Atombomber
Doch was passiert im Jahr 2020 in Berlin? Unsere Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will die in die Jahre gekommenen Tornado-Flieger ersetzen durch neue Kampfflieger, und zwar durch 93 Eurofighter und 45 Kampfjets F-18 der Firma Boeing. 30 der letzteren sollen in der Lage sein, Atomwaffen so aufzunehmen, zu transportieren und abzuwerfen wie es bisher die Tornados konnten. De facto bleibt also Deutschland der 10. Atomstaat.
Die Bomben in Büchel sollen nicht mehr weg, die USA werden sie sogar modernisieren. Aktuell hat jede eine mehrfache Sprengkraft der historischen Hiroshima-Bombe. Die neuen Bomben sollen auch kleinere Flächen verwüsten können. So mutmaßen es die Experten, denn die 20 Büchel-Bomben umgibt leider viel Geheimniskrämerei. Die neuen Mordwaffen würden also sogar dazu verführen, schneller einen ‚begrenzten‘ Atomkrieg zu beginnen.
Für die geplante Modernisierung der Fighter und ihre Atombombentauglichkeit will die Verteidigungsministerin über 12 Milliarden Euro locker machen. Das Geschäft mit Boeing hat sie bereits ihrem US-Kollegen angekündigt. Und das, obwohl der Bundestag bislang das Thema nicht behandelte. Und obwohl sich in der SPD, etwa beim Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich und der Doppelspitze der Partei Widerstand regt.
Denn der Kauf bei Boeing würde die „nukleare Teilhabe“ der Bundeswehr fortschreiben, und das auf Jahre. An der Mahnwache vor dem Fliegerhorst Büchel am 6. August 2020 um 16 Uhr wollen auch Abgeordnete teilnehmen, die gegen eine deutsche nukleare Teilhabe sind. Warten wir ab, wer kommen wird!
Reden statt Rüsten
Nicht nur die Bundesrepublik, sondern auch die echten 9 Atommächte haben den UN-Verbotsantrag bislang nicht ratifiziert. Sobald 50 Staaten ihn ratifiziert haben, wäre es illegal für jeden Staat der Welt, diese Mordwaffen zu besitzen, herzustellen oder zu lagern. Auf dem Papier, denn es unterschreiben sicher nur kleinere der 193 Staaten der UNO. Und doch wird es einen Fortschritt darstellen, wenn die Atomstaaten angeprangert werden können, gegen das Völkerrecht zu verstoßen.
Insofern bin ich keine Fantastin, wenn ich die Ratifizierung des Verbotsvertrags durch mindestens 50 Staaten für wichtig halte. Wie mühsam es doch ist, diese Massenvernichtungsmittel wieder aus der Welt zu bringen! Eigentlich lernt man schon im Kindergarten, dass Konflikte durch Reden und nicht durch Rüstung sprich Gewalt gelöst werden.
Aktionen in Kassel am Donnerstag, 6. August 2020
15 Uhr Königsplatz
Gegen den Atomtod! Kundgebung der DFG-VK Kassel mit Aktionen
20 Uhr, Hiroshima-Ufer, neben der Spitzhacke
Gedenken an Hiroshima und Nagasaki des Kasseler Friedensforums