Zur Rolle von Traumata bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten
Kassel 25.08.2020 (pm/red) Das Flüchtlingsberatungsnetzwerk BLEIB in Hessen II hat eine Handreichung für BeraterInnen aus der Arbeitsverwaltung und anderen Beratungseinrichtungen herausgegeben. Sie soll dabei unterstützen, Menschen mit psychischen Belastungen angemessen zu beraten. „Ich habe in der Vergangenheit viel Schlechtes erlebt. Ich will nicht aufgeben dagegen zu kämpfen. Dabei hilft mir meine Arbeit. Wenn ich nicht arbeite, kann ich meinen schlechten Gedanken nicht widerstehen“ sagt ein 29-jähriger Mann aus Afghanistan, der seit fünf Jahren in Deutschland lebt. Nicht wenige Geflüchtete müssen mit ihren „schlechten Gedanken“ umgehen. „Schlechte Gedanken“ beziehen sich hierbei häufig auf Ereignisse in der Vergangenheit und Belastungen, die mit dem Leben im Exil einhergehen.
Sie können für die Betroffenen eine große Belastung darstellen und als Traumafolge verstanden werden. Wenn Ratsuchende zum Beispiel ohne ersichtlichen Grund von der Beratung fern bleiben, resigniert oder scheinbar grundlos impulsiv sind, erscheinen diese Verhaltensweisen auf den ersten Blick unverständlich oder werden falsch interpretiert. Die Ursachen können jedoch in traumatischen Erfahrungen liegen. „KlientInnen mit einer Traumafolgestörung sind nicht pauschal arbeitsunfähig“, sagt die Autorin und Psychologin Irina Dannert. „Stattdessen stellt der Zugang zu Bildung und Arbeit für die meisten Betroffenen einen großen Mehrwert dar“.
Dannert schlägt zum einen eine bedürfnisorientierte und traumasensible Beratung vor. So soll Druck und Überforderung in der Beratung vermieden und Stress reduziert werden. Fortbildungsangebote sollten so konzipiert werden, dass Krisen und Rückschläge eingeplant sind. Zum anderen ist es wichtig, dass Ratsuchenden in der Beratung große Entscheidungsfreiheiten zugestanden werden, so Dannert. „Die Beratung sollte auf Augenhöhe stattfinden. Betroffene Ratsuchende sollten sich als handlungsfähig erleben und selbst über Möglichkeiten entscheiden können, um ein Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben
wiederzuerlangen.
Angebote zur Integration in den Arbeitsmarkt sollten viel Sicherheit und Kontinuität bieten“, so die Psychologin. So werde die Chance erhöht, dass traumatisierte Personen auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft bestehen. Berater können und sollten jedoch nicht die Rolle von Psychologen, Therapeuten und Medizineren übernehmen, stellt die Autorin eindeutig klar. Ziel der Handreichung ist, dass sich Beratende im Umgang mit traumatisierten Menschen sicherer fühlen, Verhaltensweisen einordnen und angemessen reagieren können. Auch eigene Belastungen wie erlebte Hilflosigkeit und Ohnmacht können Beratende mit Hilfe der Handreichung besser verstehen.