Regierungspräsidium Gießen verbietet Protestcamps gegen A49-Bau – Eine Behörde der Landesregierung im Einsatz gegen gegen KritikerInnen der Landesregierung
Kassel 03.09,2020 (pm/red) Vor wenigen Tagen hat das Regierungspräsidium Gießen die Zuständigkeit für die ersten Versammlungsanmeldungen rund um die bevorstehende Räumung der Waldbesetzung im Dannenröder Forst und die Rodung von 110 Hektar gesunden Mischwaldes wegen des Weiterbaues der Autobahn A 49 an sich gezogen. Jetzt werde langsam sichtbar, warum, wird dazu von Autobahngegnern mitgeteilt. Mit absurden Begründungen erhielten drei der vier bislang ergangenen Verfügungen totale Versammlungsverbote, während in einem der vier Bescheide das Versammeln in größerer Entfernung zum Dannenröder Forst erlaubt wurde – nicht aber die Übernachtung auf der Fläche.
„Wir bewerten alle vier Bescheide als faktische Verbote“, stellte der Versammlungsanmelder fest, der die Anträge an die Behörden in einem Team erfahrener AktivistInnen und AnwältInnen vorbereitete. Alle schütteln über die Bescheide nur den Kopf: „Wir haben das RP gefragt, ob es mit Versammlungsrecht überhaupt Erfahrungen hat. Uns wurde gesagt, es sei das erste Mal, dass das RP direkt zuständig ist.“
Das sei den Verfügungen anzusehen: „Hier handelt eine Behörde, die von Versammlungsrecht keine Ahnung hat – aber sanscheinend den Auftrag bekommen hat, die Proteste zu verhindern.“ Überraschend sei das nicht, schließlich sei das RP Gießen eine Behörde der Landesregierung. Diese sei gleichzeitig auch die durchführende Instanz des Baus der A 49, gegen den sich die Proteste richten.
So ist ausgerechnet der Trinkwasserschutz, gegen deren Gefährdung sich der Protest unter anderem richtet, als Verbotsgrund benannt worden. Die Versammungsanmelder halten das für Unsinn. Das Trinkwasser würde vielmehr durch die Autobahn gefährdet, weil der Bau schützende Bodenschichten zerstört und durch den Verkehr Schadstoffe und Mikroplastik sowie bei Unfällen Gefahrenstoffe in das Trinkwasser gelangen können. Wir sind die Grundwasserschützer, sollen aber durch unseren Protest nun eine Gefahr für die Allgemeinheit sein.“ Selbst wenn Menschen, die der RP als Begründung anführt, mal an den Waldrand pinkeln würden, sei das Grundwasser nicht gefährdet. „Die Verfügungsgründe sind vorgeschoben, das haben uns auch Fachleute bestätigt.“
Hinzu kommt, dass die „Feststellung“, Übernachtungen gehörten nicht zu Versammlungen dazu, nicht nur gegen geltende Rechtsprechung verstößt, sondern auch das faktische Aus der einzigen nicht komplett verbotenen Versammlung bedeutet, da viele DemonstrantInnen von weiter weg kommen würden.
Der Versammlungsanmelder hat gegen die Verfügungen Widerspruch eingelegt und würde, so die faktischen Verbote aufrechterhalten bleiben, beim Verwaltungsgericht Gießen klagen. Dieses hatte bei der Auseinandersetzung im April – bei der es um das totale Versammlungsverbot aufgrund der COVID-19-Pandemie ging, welches damals auch in Gießen ausgesprochen worden war – die Verbote noch durchgewunken, war dann aber vom Verfassungsgericht korrigiert worden.
„Wir hoffen, dass Gerichte und dann auch die Behörden dazugelernt haben und endlich das tun, was sie laut Grundgesetz tun müssen: Versammlungen schützen und unterstützen statt behindern!“