Künstliche Intelligenz in der Kunst – nur ein Werkzeug oder kreatives Genie?
Kassel 01.10.2010 (pm/red) Mithilfe von intelligenten Algorithmen werden inzwischen Gemälde geschaffen, Gedichte geschrieben und Musikstücke komponiert. Ob Künstliche Intelligenz (KI) dabei die geniale Erschafferin von Kunst ist oder bloß ein weiteres Werkzeug von KünstlerInnen, hängt davon ab, wie man über KI-Kunst berichtet. Das zeigt eine Studie eines internationalen Forscherteams vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und vom Forschungsbereich Mensch und Maschine am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Die Ergebnisse sind im Journal iScience erschienen.
Im Oktober 2018 wurde im Aktionshaus Christies das Kunstwerk Edmond de Belamie, das mithilfe von einem intelligenten Algorithmus erstellt wurde, für 432.500 Dollar versteigert. Das Portrait sei von einer Künstlicher Intelligenz (KI) kreiert worden, bewarb Christies die Versteigerung. Auch Medien sprachen oft von dem ersten Kunstwerk, das nicht von einem Menschen, sondern selbstständig von einer Maschine erstellt worden sei.
Das Geld bekam aber nicht die Maschine, sondern das französische Künstlerkollektiv Obvious. Sie waren es, die einen Algorithmus mit Bildern von echten Gemälden von echten MalerInnen fütterten, den Algorithmus trainierten eigenständig Bilder zu kreieren, anschließend ein bestimmtes Bild aussuchten, es ausdruckten, ihm einen Namen gaben und es vermarkteten. Die Programmierer*innen hingegen, die die verwendeten künstlichen neuronalen Netze und Algorithmen entwickelten, wurden weder erwähnt, noch bekamen sie etwas von dem Verkaufserlös.
„Viele Menschen sind bei KI-Kunst beteiligt: Künstler*innen und Kurator*innen, genauso wie Programmierer*innen. Gleichzeitig gibt es besonders in den Medien eine Tendenz, KIs mit menschenähnlichen Eigenschaften auszustatten. Dann liest man: Die kreative KI erschafft selbständig geniale Kunstwerke. Wir wollten wissen, ob es einen Zusammenhang gibt, von Vermenschlichung von KI und der Frage, wer die Anerkennung für KI-Kunst bekommt“, sagt Ziv Epstein, Doktorand am MIT Media Lab und Erstautor der Studie.
Dazu beschrieben die Forschenden fast 600 Teilnehmenden wie KI-Kunst entsteht und fragten, wer für das Kunstwerk die Anerkennung bekommen sollte. Gleichzeitig ermittelten sie, wie stark jede*r Teilnehmende KIs vermenschlicht. Die einzelnen Antworten fielen sehr unterschiedlich aus, aber im Durchschnitt zeigte sich, dass Menschen, die die KI vermenschlichten und nicht bloß als Werkzeug wahrnahmen, auch der Meinung waren, dass der KI die Anerkennung für KI-Kunst zusteht und nicht den Menschen, die am Entstehungsprozess beteiligt waren.
Auf die Frage, welche Menschen im Entstehungsprozess von KI-Kunst die meiste Anerkennung verdienen würden, zeigte sich, dass die Anerkennung zunächst den Künstler*innen zugesprochen wurde, die die Lernalgorithmen mit Daten versorgten und sie trainierten. Erst dann wurden KuratorInnen sowie als nächstes TechnikerInnen genannt, die die Algorithmen programmierten. Und zum Schluss wurde schließlich die Crowd genannt, das heißt die Masse von InternetnutzerInnen, die das Datenmaterial produzieren, mit dem KIs häufig trainiert werden. Befragte, die die KI vermenschlichten, gaben den TechnikerInnen und der Crowd stärkere Anerkennung, den KünstlerInnen hingegen proportional weniger. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch, wenn nach der Verantwortung gefragt wird, zum Beispiel, wenn ein KI-Kunstwerk gegen Urheberrecht verstößt. Auch hier sahen Befragte, die KIs vermenschlichten, die KI stärker in der Verantwortung.
Eine entscheidende Erkenntnis der Studie ist, dass man aktiv manipulieren kann, ob Menschen KIs vermenschlichen, indem man die Sprache verändert, mit der man über KI-Systeme in der Kunst berichtet. Man kann den Entstehungsprozess beschreiben, indem man erklärt, dass die KI, lediglich unterstützt von einem künstlerischen Mitarbeiter, auf kreative Art und Weise neue Kunstwerke konzipiert und gestaltet. Oder indem man sagt, dass eine Künstlerin das Kunstwerk konzipiert und die KI einfache Befehle ausführt, die die Künstlerin ihr sagt. Die unterschiedlichen Beschreibungen veränderten den Grad der Vermenschlichung und damit auch, wem die Teilnehmenden von den menschlichen Akteur*innen Anerkennung und Verantwortung für KI-Kunst zuschrieben.
„Da KI immer mehr in unsere Gesellschaft eindringt, werden wir uns in Zukunft stärker damit beschäftigen müssen, wer für das, was mit KI erschaffen wird, die Verantwortung trägt. Letztlich stehen hinter jeder KI Menschen. Das ist vor allem auch dann relevant, wenn KI versagt und Schaden anrichtet – zum Beispiel bei einem Unfall mit einem autonomen Fahrzeug. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass Sprache unsere Sicht auf KI beeinflusst und eine Vermenschlichung von KI Probleme bei der Zuweisung der Verantwortung mit sich bringt“, sagt Iyad Rahwan, Direktor des Forschungsbereichs Mensch und Maschine am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Koautor der Studie.