Politthriller: „Im Namen der Lüge“ von Horst Eckert – Da kann einem Angst und Bange werden!
Kassel 22.10.2020 Buchbesprechung von Elsa Lund | Horst Eckerts neuester Politthriller „Im Namen der Lüge“ erzählt – teilweise aus innerer Sicht – über die Machenschaften und Intrigen des Geheimdienstes im Zusammenspiel auch mit den willfährigen Medien, z. B. den Tageszeitungen.
Melia Khalid, Tochter einer politisch verfolgten Somalierin und eines hochrangigen deutschen Politikers ist beim Inlandsgeheimdienst zuständig für die „Roten Socken“. Diese müssen kontrolliert und geführt werden, mit allen Mittel. Informanten werden aufgebaut und benutzt, Abhöraktionen sind selbstverständlich. Auch Melia schreckt nicht vor selbst inszenierten Aktionen zurück, um die „Roten Socken“ aufzumischen und den richtigen Informanten in die Hände zu treiben. Ist ja alles für die gute Sache.
Aber es kommt natürlich alles noch viel schlimmer: ein angebliches Geheimpapier einer neuen RAF, ein (Beziehungs-)Mord um Umfeld der Reichsbürger und der Mord an einer ehemaligen RAF Terroristin rufen den Hauptkommissar Vincent Che Veih auf den Plan.
Beide Protagonisten sind stigmatisiert, er durch seinen zweiten Vornamen aus der linken Vergangenheit seiner Mutter, Melia durch ihre Hautfarbe. Hier ist Raum für Vorurteile, mit denen sich beide (zusammen mit dem Leser) auseinander setzen müssen.
Im weiteren wird die Handlung eskaliert um den Lesern die Machenschaften des Geheimdienstes – auch im Zusammenspiel mit der Kriminalpolizei – vor Augen zu führen, bis hin zum Mord. Die Presse spielt mit. Viele Protagonisten sind nötig, um das weite Feld der Verstrickungen deutlich zu machen. Die unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen werden in kurzen Kapiteln beleuchtet, so entsteht ein Puzzle, das erst zusammengenommen die perfiden Pläne offenbart.
Auch Melia begreift erst zum Schluss wofür sie benutzt wurde, und das die wirkliche Gefahr nicht von links kommt. Die Unterstützer rechter Pläne sitzen sogar in ihren eigenen Reihen. Und in der Politik.
Ist der Geheimdienst wirklich so skrupellos? Der Autor zwingt uns dazu genauer hinzusehen und die (wenigen) uns bekannten Fakten zu deuten. Allein der Umgang mit den NSU Morden, den verschlossenen Akten in Hessen und den ungeklärten Vorkommnissen um die angeblichen Selbstmorde von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos lassen die Vermutung zu, dass neben V-Leuten auch Politiker geschützt werden sollen.
Weitere Versäumnisse und Unstimmigkeiten im Umgang mit bereits als rechtsextrem bekannten Personen geben zu denken – bis hin zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
Mir jedenfalls sind bei der Lektüre genügend Beispiele eingefallen um das Buch nicht als reine böse Fiktion abzutun.
Es wird deutlich, dass der Autor uns nicht einfach unterhalten will, sondern den Thriller als Möglichkeit zur Aufklärung nutzt. Das ist ganz sicher gelungen. Trotzdem bleibt es ein wenig schade, dass die eigentlich gut ausgedachten Figuren ein wenig zu blass bleiben. Auch verlieren sich die vielen Protagonisten in den vielen kurzen Kapiteln, eine echte Einlassung auf die Personen unterbleibt.
Aber ist das wichtig? Mir scheint die politische Aussage viel wichtiger. Immerhin lässt sich das Buch flüssig und spannend lesen. Das Spannendste ist die Auseinandersetzung mit Methoden des Geheimdienstes – selbst wenn nur die Hälfte des Geschilderten zutreffend wäre kann einem das Gruseln kommen.
Lesenswert:
Horst Eckert: Im Namen der Lüge
München: Heyne, 2020 | 573 Seiten, 2. Auflage
ISBN 978-3-453-43966-5 | 12,99 Euro