Nanostrukturen, KI, Lungenkrebs-Behandlung und die Kommunikation von Bakterien: LOEWE-Förderung für vier neue Schwerpunkte 17 Millionen Euro Landesgeld für hervorragende Forschungsprojekte
Kassel, 09.12.2020 (pm) Vier neue LOEWE-Schwerpunkte erhalten in der 13. Staffel des hessischen Forschungsförderungsprogramms Unterstützung aus Landesmitteln. Das hat die LOEWE-Verwaltungskommission auf Grundlage der Bewertungen der externen Fachgutachtenden und der Empfehlungen des LOEWE-Programmbeirats entschieden. Die ausgewählten Forschungsprojekte erhalten ab 1. Januar 2021 aus dem Landesprogramm Projektmittel in Höhe von insgesamt rund 17 Millionen Euro für die Laufzeit von vier Jahren.
Es handelt sich um folgende LOEWE-Schwerpunkte:
- PriOSS – Prinzipien von oberflächengestützten Synthesestrategien (Universität Gießen): LOEWE-Förderung ca. 4,2 Millionen Euro
- WhiteBox – Erklärbare Modelle für menschliche und künstliche Intelligenz (TU Darmstadt): LOEWE-Förderung ca. 4,7 Millionen Euro
- Impact of diffusible signals at human cell-microbe interfaces (Universität Marburg): LOEWE-Förderung ca. 4,8 Millionen Euro
- iCANx: Cancer – Lung (Disease) Crosstalk (Universität Gießen): Tumor and Organ Microenvironment: LOEWE-Förderung ca. 3,2 Millionen Euro
„Die Corona-Pandemie führt uns sehr anschaulich vor Augen, wie wichtig Wissenschaft ist: Forschungsergebnisse entscheiden aktuell über Leben und Tod. Unsere hessischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind in der Corona-Forschung auch deshalb ganz vorn dabei, weil wir sie mit unserem bundesweit herausragenden LOEWE-Programm unterstützen“, erklärt Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Wir wollen, dass Hochschulen und Forschungsinstitute zukunftsfähig und vielfältig aufgestellt sind, denn wir wissen heute nicht, welche Herausforderungen morgen oder übermorgen auf uns zukommen. Das tun wir mit einer sehr guten Ausstattung der Hochschulen insgesamt, der Unterstützung für ihre Strategiefähigkeit und in der exzellenten Spitzenforschung ganz besonders mit LOEWE. Dass vier von fünf eingereichten Vollanträgen sich bei unabhängigen Gutachtenden und im LOEWE-Programmbeirat durchgesetzt haben, spricht für ihre wissenschaftliche Exzellenz.“
„Die inhaltliche Vielfalt der Anträge zeigt die breite Forschungskompetenz, aber auch die intensive Vernetzung und Innovationsfähigkeit hessischer Hochschulen und Forschungseinrichtungen“, ergänzt Prof. Dr. Karl Max Einhäupl, Vorsitzender des LOEWE-Programmbeirats. „In diesem Jahr hat die Corona-Pandemie den LOEWE-Programmbeirat vor neue Herausforderungen gestellt, da einige Begutachtungen videogestützt stattfinden mussten. Wir haben im Beirat streng auf die Vergleichbarkeit der Evaluierungsverfahren geachtet und wie immer an alle Projekte dieselben strengen Auswahlkriterien nach den Maßgaben wissenschaftlicher Exzellenz angelegt. Ich freue mich darauf, die Entwicklung der vier ausgewählten herausragenden Projekte in den kommenden Jahren verfolgen zu können.“
Die Projekte im Einzelnen:
Wie baut man funktionelle Nanostrukturen aus einzelnen Molekülen zusammen?
PriOSS – Prinzipien von oberflächengestützten Synthesestrategien
Wissenschaftliche Koordination: Prof. Dr. André Schirmeisen; Federführung: Justus-Liebig-Universität Gießen; Antragspartnerin: Philipps-Universität Marburg
Komplexe, funktionale Nanostrukturen können etwa als elektronische Bauelemente in Mikrochips und Quanten-Rechnern künftiger Generationen eingesetzt werden. In jüngster Zeit hat sich herausgestellt, dass solche Nanostrukturen sehr erfolgreich direkt auf Oberflächen zusammengebaut werden können, man spricht von „oberflächengestützter Synthese“ („on-surface synthesis“). Sie steckt aber im Gegensatz zur etablierten Synthese in Lösungen, wie sie seit 200 Jahren praktiziert wird, noch in den Kinderschuhen. Ziel des LOEWE-Schwerpunkts ist es, grundlegende Modelle der oberflächengestützten Synthese zu entwickeln und einen Werkzeugkasten für diese neue Methodik zu schaffen.
Wie wird künstliche und menschliche Intelligenz besser erklärbar?
WhiteBox – Erklärbare Modelle für menschliche und künstliche Intelligenz
Wissenschaftliche Koordination: Prof. Dr. Kristian Kersting; Federführung: Technische Universität Darmstadt
Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Dank KI lernen Computer Fähigkeiten, mit denen wir Herausforderungen besser lösen können, zum Beispiel in der Medizin, im Umgang mit Umweltproblemen oder zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen. Teilweise übertrifft die Künstliche die menschliche Intelligenz dabei schon um ein Vielfaches, etwa beim Schach- oder Pokerspielen. Der momentane Fortschritt in der KI basiert zum großen Teil auf sogenannten tiefen neuronalen Netzen. Sie sind dem menschlichen Gehirn nachempfunden und können selbstständig Zusammenhänge aus großen Datenmengen lernen. Solche Netze können dann Vorhersagen und Entscheidungen treffen, die selbst für die Forschenden, die sie entwickelt haben, oft nicht nachvollziehbar sind. Für viele Anwendungen in Wirtschaft und Gesellschaft sind aber nachvollziehbare und zuverlässige Vorhersagen und Entscheidungen unverzichtbar. Daher will das Forschungsvorhaben „WhiteBox“ Methoden entwickeln, die KI für den Menschen verständlich macht.
Wie kommunizieren Bakterien und unser Immunsystem?
Impact of diffusible signals at human cell-microbe interfaces
Wissenschaftliche Koordination: Prof. Dr. Bernd Schmeck; Federführung: Philipps-Universität Marburg; Antragspartner: Justus-Liebig-Universität Gießen, Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie Marburg
Bakterielle Infektionskrankheiten gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Weil Bakterien gegen Antibiotika resistent werden, sind unsere wichtigsten Medikamente gegen Infektionskrankheiten zunehmend wirkungslos. Dieses Problems will sich das Forschungsvorhaben „Diffusible Signals“ annehmen. Es will eine zentrale Grundlage der Infektionsprozesse untersuchen und verändern: die Kommunikation zwischen Bakterien und menschlichen Entzündungszellen. Gemeinsam erforschen Ärzte, Biologen und Informatiker den Austausch löslicher (diffusibler) Signale an den Grenzflächen klinisch wichtiger Bakterien und Entzündungszellen. Neue Einblicke in Infektionsprozesse können helfen, neue zielgerichtete Therapien zu entwickeln, die die menschliche Immunabwehr stärken und den bakteriellen Angriff schwächen.
Wie lässt sich das Wachstum von Lungentumoren und Tumorabsiedlungen in der Lunge verhindern?
iCANx: Cancer – Lung (Disease) Crosstalk: Tumor and Organ Microenvironment
Wissenschaftliche Koordination: Prof. Dr. Till Acker; Federführung: Justus-Liebig-Universität Gießen; Antragspartner: Philipps-Universität Marburg, Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung Bad Nauheim
Krebs ist als weltweit zweithäufigste Todesursache ein globales Gesundheitsproblem. Das Auftreten von Lungentumoren und Tochtergeschwulsten in der Lunge verringert die Lebensqualität und -erwartung erheblich. Wie schnell Lungentumore wachsen und wie gefährlich sie sind, hängt entscheidend von ihrer Wechselwirkung mit der Umgebung ab. Ziel des LOEWE-Schwerpunkts „iCANx“ ist zu untersuchen, wie Tumorzellen die Lunge im wechselseitigen Austausch mit dem Organmikromilieu besiedeln und welchen Einfluss Erkrankungen wie COPD, pulmonale Hypertonie und Fibrose hierauf haben. Das verspricht innovative Therapie- und Heilungsansätze, um etwa die Besiedlung der Lunge durch Tochtergeschwulste zu verhindern.
Das hessische Exzellenzprogramm LOEWE hat seit 2008 bereits 15 LOEWE-Zentren und 60 LOEWE-Schwerpunkte sowie 310 LOEWE-KMU-Verbundvorhaben zur Förderung ausgewählt. In den Jahren 2008 bis 2020 hat das Land Hessen dafür rund 917 Millionen Euro bereitgestellt. Hinzu kommen von den LOEWE-Zentren und -Schwerpunkten der ersten bis elften Förderstaffel bis einschließlich 2019 eingeworbene Drittmittel in Höhe von gut 1,1 Milliarden Euro und Eigenmittel von Unternehmen in Höhe von rund 83 Millionen Euro. Im Koalitionsvertrag haben CDU und Grüne vereinbart, das LOEWE-Budget bis zum Jahr 2025 auf 100 Millionen Euro pro Jahr zu steigern.