Kassel 09.12.2020 (pm) War der Zivilprozess während der NS-Zeit eine „Insel nationalsozialismusfreier Normalität“? Auf Grundlage der überlieferten 2.800 Entscheidungen des OLG Frankfurt am Main aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 wird zum ersten Mal für ein deutsches Oberlandesgericht eine empirisch abgesicherte Studie über die Rechtsprechung in Zivilsachen während des NS-Staates vorgelegt. Die Autoren, sämtlich erfahrene Richter, machen plastisch deutlich, wie die Rechtsfindung in die damaligen Rahmenbedingungen eingebunden war.
Die dargestellten Fallgeschichten schaffen einen konkreten Eindruck von den ausgetragenen Konflikten. Hatte eine Klage auf Rückzahlung des einem jüdischen Makler von der SS abgepressten Geldes Erfolg? Was geschah mit dem von einem Vermieter gegen seine deportierten jüdischen Mieter missbräuchlich erwirkten Arrest? Konnte von einem SA-Mann die Entfernung eines diskriminierenden Plakates verlangt werden? Haftete „Der Stürmer“ für unwahre hetzerische Behauptungen?
Die Studie legt Unrechtsurteile ebenso offen wie mutige Entscheidungen. Zugleich wird dem Schicksal jüdischer Prozessparteien nachgegangen und gezeigt, dass selbst ein Prozessgewinn keinen Schutz vor Entrechtung, Deportation und Ermordung bot.
Georg D. Falk, Ulrich Stump, Rudolf H. Hartleib, Klaus Schlitz, Jens-Daniel Braun: Willige Vollstrecker oder standhafte Richter? Die Rechtsprechung des Oberlandesgericht Frankfurt am Main in Zivilsachen von 1933 bis 1945. XI und 1.123 S., 62 s/w Abb. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 90) Marburg 2020. ISBN 978-3-942225-49-6 Ladenpreis 38,00 €