„Die Crux mit dir“ in der Kunsthalle Willingshausen – Martha Frieda Friedel fokussiert und transzendiert
Kassel 06.05.2021 (red) Es ist eine Crux derzeit, in und mit der Kunsthalle Willingshausen. Den ganzen April bereits hängen dort Bilder einer Ausstellung und keine/r kann sie betrachten. Die 51. Stipendiatin Martha Frieda Friedel haben die Corona-Restriktionen gleich doppelt erwischt. Zunächst lastete über ihrer dreimonatigen Arbeitsphase im Herbst des letzten Jahres der Shut-Down. Inzwischen – der Winter ist längst vergangen – bleibt im Mai die Kunstpräsentation noch immer verschlossen und unzugänglich. Ob es diese Bedingungen sind und sie darob zu dem kryptischen Ausstellungstitel „Die Crux mit dir“ veranlaßt haben, könnte als Vermutung vielleicht naheliegen. Seit Wochen schon hängen die Fotografien von Martha Frieda Friedel einsam in der Kunsthalle Willingshausen. Publikum und Ausstellungsbesuch – geplant, auf Plakat und Einladung für April ausgerufen – bleibt wg. Corona nicht möglich. Das Ausstellungsplakat ohne Kopf, fokussiert auf kraftvolle Hände, die in Ruhe verharren, wirkt geradezu als ein vorwegnehemendes Schlüsselbild.
Die 1989 in Borna bei Leipzig geborene Künstlerin lebt und arbeitet mit zwei Kindern in Kassel. Sie studierte 2011 bis 2018 Fotografie und Kunst an der Kunsthochschule Kassel bei Bernhard Prinz und Florian Slotawa und beschickte seit 2012 in Ausstellungen in Berlin, Kassel, Leipzig, Dresden, Hamburg, Montpellier, Valencia – zuletzt im Museum of Contemporary Art Zagreb, Kroatien. Sie hat verschiedene Preise erhalten und Kataloge und Bücher herausgebracht.
„Die Crux mit dir“ als Ausstellungstitel in Willingshausen kommt vieldeutig daher und läßt die Adressierung offen. Soll sich darin Besucher/in angesprochen sehen? Oder ist Crux (Kreuz) Hinweis für eine Last? Beim Eintreten in die Ausstellung offenbart sich eine Überraschung. Der Ausstellungssaal ist stark kontrastierend zweigeteilt gestaltet worden. Die gesamte rechte Längsseite wurde dafür durchgehend in blauer Farbe grundiert. Damit ist sie zum einem Fond geworden für übergroße weiße Versalien, gereihte Großbuchstaben als eine dominierende Textphrase.
Es braucht schon einige Schritte in den halben Saal hinein, bis sich die Textaussage erschließt und lesen läßt. „MEIN HERZ IST TOT, DER KOPF SAGT OK“ – der abschließende Buchstabe >K< gespiegelt. Womit aus OK von rechts gelesen KO wird. KO (Knock out} oder OK (okay) ensteht als Assoziation im Auge und Deutungsalternative auf Betrachterseite. Fotografien Hartwig Bambey
Diese in ein räumliches Extrem ausgedehnte Wandgestaltung gehe zurück auf ein Graffito als „eine der ersten >Entdeckungen<, die Martha Frieda Friedel auf ihren Touren durch die Schwalm nach Willingshausen anhalten und den Fotoapparat zücken ließ“, ist dazu erläuternd mitgeteilt worden. Für Ausstellungsbesucher/in zeigt sich diese „Fortschreibung“ ohne Hinweis, als Über-Setzung in ein raumgroßes Wandbild. Eine plakative übergroße Wandinschrift, solitär, unübersehbar. Auf jeden Fall lesbar und zugleich widersinnig. Wenn das Herz tot ist, kann dann der Kopf noch etwas sagen?
Vom Grafitto zum Wandmal
Die Künstlerin nutzt also die halbe Kunsthalle nicht als Fläche für Bilderhängung, hat stattdessen eine Inszenierung geschaffen, weiße Schrift auf blauem Grund. Der Ausstellungsraum wird damit gewissermaßen zu einem Atelier gewandelt, dessen Längswand mutiert ist zu einer grundierten Leinwand mit Textbotschaft. Deren leuchtend klare äußere Gestaltung eröffnet und irritiert beim Lesen, offenbart einen in Sprache mit knappen Worten gefassten Widerspruch, eine eigentliche Unmöglichkeit.
Wie kann oder könnte die Zeit der eskalierenden, lähmend anhaltenden Pandemie, die beinahe alle Lebensbereiche niederwirft, am künstlerischen Wirken und Präsentieren ohne Folgen und Spuren vorbeigehen. Martha Frieda Friedel macht sichtbar und erfahrbar. Jede/r kann es wahrnehmen, nachlesen, nachdenken, wenn diese Rauminszenierung zugänglich wird.
Ihre Fotografien präsentiert sie in schwarz-weiß und in Farbe, lakonisch ohne Titel und Texterläuterungen. Es gibt fotografische Entdeckungen, „falsches Kotelett und Schweinebauch paniert“ auf Plakat angepriesen, eine pralle Inszenierung roter Würste und ein Haus, dessen Fassade mit geformten Fenstern ein menschliches Gesicht andeutet. Drei Menschen aus Willingshausen finden sich portraitiert, darunter herausragend der auf einem Stuhl sitzende Mann mit bedecktem Kopf und Händen in stiller Würde. Außerdem gibt es Videoaufnahmen aus Willingshausen auf einem Monitor. Es ist mitgeteilt, dass die Austellung ab 11. Mai besucht werden kann. —>Auf der Webseite der Künstlerin finden sich Bilder und weitere Zeugnisse ihres Schaffens.
Die Crux mit Dir
Martha Frieda Friedel
Kunsthalle Willingshausen
Di – So 10 – 12 und 14 – 17 Uhr
01.April – 26. Mai 2021
derzeit wegen Lockdown geschlossen
Merzhäuser Straße1 34628 Willingshausen