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Die unterirdische Flut: Marburger Geographen forschen zur Entstehung von Hochwasser in Mittel- und Hochgebirgen

Die wissenschaftliche Analyse von Wasserabflüssen ist für die Wasserwirtschaft und das Ökosystemmanagement, aber auch für den Hochwasserschutz von großer Bedeutung. Foto Stefan Achleitner

11.12.2021 (pm) Eine neue Forschungsgruppe unter Federführung des Fachbereichs Geographie der Philipps-Universität Marburg wird in den kommenden vier Jahren den sogenannten „Subsurface Stormflow“ (SSF) genauer erforschen. Was nach allerfeinstem Blockbuster-Kino klingt, sind in Wirklichkeit schnelle, unterirdische Wasserbewegungen in Mittel- und Hochgebirgen, die Einfluss auf die Qualität von Fließgewässern und Grundwasser haben und Erdrutsche sowie Hochwasser begünstigen können. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert mit insgesamt über 4,8 Millionen Euro, wird von der Universität mitgeteilt.

Geographinnen und Geographen unterscheiden zwischen verschiedenen Formen von Wasserabflüssen. Unter dem Einfluss der Schwerkraft bewegt sich Wasser auf und unter der Landoberfläche innerhalb eines bestimmten Zeitraums, schnell oder langsam, von den Hängen zu den Fließgewässern. Dabei kann es zum Beispiel sein, dass es sich lediglich an der Oberfläche fortbewegt oder in den Boden versickert, dort lateral in einzelnen Bodenschichten hangabwärts fließt, oder tiefer ins Grundwasser eindringt.

Gelangen unterirdische Nähr- und Schadstoffe von Agrarflächen in den Bach?
Die wissenschaftliche Analyse dieser Wasserabflüsse ist für die Wasserwirtschaft und das Ökosystemmanagement, aber auch für den Hochwasserschutz von großer Bedeutung. Wie wird die Wasserqualität vor Ort durch die Abflüsse mitbestimmt? Wie gelangen unterirdische Nähr- und Schadstoffe von den Agrarflächen in den Bach? Wohin fließt das Wasser, wenn es regnet? Wo entstehen Überschwemmungen und warum?

In der neuen Forschungsgruppe „Fast and Invisible: Conquering Subsurface Stormflow through an Interdisciplinary Multi-Site Approach“ soll ein konkreter Abflussprozess genauer erforscht werden: Der sogenannte „Subsurface Stormflow“ (SSF) – eine schnelle, unterirdische Wasserbewegung. „In erster Linie entsteht SSF in vertikal strukturierten Böden, also zum Beispiel an Berghängen, in denen das Grundgestein oder eine weniger durchlässige Bodenschicht von einer durchlässigen Bodenschicht überlagert wird“, sagt Prof. Dr. Peter Chifflard vom Fachbereich Geographie der Universität Marburg, der gemeinsam mit Dr. Theresa Blume vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) die Sprecherschaft für den Forschungsverbund übernimmt.

Grundwasser ist wichtigster Trinkwasserspeicher
Der SSF hat großen Einfluss auf die Wasserversorgung und den Abtransport von Verwitterungsprodukten, Nährstoffen und Pestiziden – und damit auch auf die Qualität von Fließgewässern und dem Grundwasser, unserem wichtigsten Trinkwasserspeicher. Darüber hinaus kann der SSF Subrosion verursachen: Er verursacht unterirdische Verwitterungen und die Auslaugung von Gesteinen, wodurch Hohlräume entstehen und Erdrutsche begünstigt werden können. „In Deutschland ist Letzteres zwar seltener der Fall, aber unsere Forschung wird auch international hohe Aussagekraft haben“, sagt Chifflard.

Obwohl SSF bereits seit den 1970er Jahren erforscht wird, ist es ein noch immer schwer zu erfassender Prozess in der Einzugsgebietshydrologie. Das größte Problem: Der SSF ist für die Augen unsichtbar im Boden verborgen und schnell und tritt nur bei bestimmten Wetterereignissen und damit in sehr knappen Zeitfenstern auf. Es fehlen systematische Studien, die sich nicht nur auf wenige Standorte oder Ereignisse beschränken. „Daher ist immer noch unklar, welche wesentlichen Faktoren die räumliche und zeitliche Verteilung des SSF steuern und wie dieser Prozess in Niederschlag-Abfluss-Modellen parametrisiert werden kann“, sagt Chifflard.

Die neue Forschungsgruppe setzt genau hier an. „Wir streben eine systematische Untersuchung von SSF in verschiedenen Landschaften an – im Erzgebirge, dem Schwarzwald, dem Sauerland und den Tuxer Alpen, skalenübergreifend und mit innovativen, interdisziplinären Methoden, die bislang unzureichend beachtete Faktoren mitberücksichtigen“, sagt Chifflard. Das Ziel ist ein besseres Verständnis von der Entstehung von Hochwasser, Speicherdynamik und Wasserverfügbarkeit in den betroffenen Regionen.

 

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