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Interview Heinrich Vesper – 24 Jahre Bürgermeister in Willingshausen

Bürgermeister Heinrich Vesper, mitte, im Hof vor der Kunsthalle Willingshausen bei der Eröffnung des 2. Malersymposiums 2020. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

16.12.2021 (red) In Willingshausen ist im September ein neuer Bürgermeister gewählt worden. Seit 1998 und damit 24 Jahre lang war Heinrich Vesper dort Bürgermeister. Das veranlasst ein Interview über seine Zeit als Gemeindeoberhaupt, Entwicklungen und Veränderungen in der Großgemeinde.

24 Jahre als Bürgermeister sind eine sehr lange Zeit, Herr Vesper. Können Sie sich an Ihren ersten Tag im Amt und Rathaus erinnern und daran was Sie damals empfunden und gedacht haben?
BM Vesper: Ich kann mich an meinen ersten Arbeitstag noch sehr gut erinnern. Es war Montag, der 05. Januar 1998. Ich durfte zwei Jubilaren zu ihrem 80. Geburtstag gratulieren. Ich wurde freundlich aufgenommen und habe mich sehr wohl gefühlt. Durch meinen intensiven Wahlkampf 1997 konnte ich unsere Gemeinde schon gut kennenlernen und auch viele Bürgerinnen und Bürger.

Wie sind Sie überhaupt Bürgermeister in Willingshausen geworden. Hat es eine Ausschreibung oder Suche nach einem Bewerber gegeben?
BM Vesper: Die Stelle eines Bürgermeisters muss ausgeschrieben werden. Das war auch in
Willingshausen so. Aufmerksam darauf hat mich ein Freund gemacht.


Wir leben in schnelllebigen Zeiten. Die Welt, auch im dörflichen Umfeld, verändert sich grundlegend. Wie war Willinghausen vor 24 Jahren und wie hat sich die Großgemeinde verändert?
BM Vesper: Vor 24 Jahren war von Internet und Digitalisierung noch keine Rede. Flurkarten und Pläne hingen noch in einem Kartenschrank. Heute haben wir eine moderne digitalisierte Verwaltung. Wir stellen in allen Ortsteilen eine gute Breitband-/Internetversorgung zur Verfügung. Wir haben in allen Ortsteilen Bauplätze zur Verfügung gestellt. Insgesamt ca. 130. Dennoch hat der demografische Wandel zu einem Einwohnerrückgang von über 5.000 auf jetzt aktuell 4.804 geführt.


Was haben sie als Bürgermeister als größere Aufgaben und Probleme in Willingshausen gesehen?
BM Vesper: Eine wesentliche große Aufgabe war die Umsetzung der Eigenkontrollverordnung. Das heißt wir haben in allen Ortsteilen Kanäle erneuert und damit über 90 % der vorhandenen Schäden beseitigt und die Voraussetzungen nach der Eigenkontrollverordnung erfüllt. Dies waren enorme Kraftanstrengungen für unsere Gemeinde. Damit einher ging auch sehr oft eine grundhafte Erneuerung der Straßen. Insgesamt haben wir ca. 40 Mio. Euro in die Infrastruktur investiert. Aber auch Zuwendungen in Höhe von 18 Mio. Euro erhalten.
In Willingshausen war das Ortsteildenken stark ausgeprägt. Mein Ziel war es, Investitionen nicht nach Ortsteilproporz durchzuführen, sondern nach der Notwendigkeit. Das haben wir dann auch erreicht. Wir waren mit den Ortsteilen Loshausen, Wasenberg, Merzhausen, Ransbach, Gungelshausen und Leimbach jeweils in der Dorferneuerung. In diesem Rahmen haben wir wichtige
Infrastrukturprojekte wie z.B. Kulturhaus der Generationen in Wasenberg oder das „Weiße Haus“ als Vereinsheim in Merzhausen umgesetzt.

Was sagt Ihnen der heutige Rückblick? War und wurde es so, wie am Anfang gedacht, oder sind viele unvorhergesehene Wirkkräfte und Aufgaben gekommen?
BM Vesper: Rückblickend bin ich sehr zufrieden mit dem, was wir in unserer Gemeinde Willingshausen gemeinsam erreicht haben. Wir hatten immer einen strategischen Plan, welche Maßnahmen wie und in welchem Zeitraum umgesetzt werden sollen. Dieser konnte auch im Wesentlichen eingehalten werden.


Welche Fehler haben Sie gemacht und was würden Sie heute anders machen oder anders angehen?
BM Vesper: Wer arbeitet, macht auch Fehler. Ich würde die Arbeit wieder genauso angehen und auch machen.


Was betrachten Sie im Rückblick als Ihre größten Aufgaben, Herausforderungen und Leistungen als Bürgermeister von Willingshausen?
BM Vesper: Die größte Herausforderung habe ich immer darin gesehen, politische Mehrheiten von vernünftigen Entscheidungen zu überzeugen und den Bürgerinnen und Bürgern die Entscheidungsprozesse transparent zu machen. Besonders schwierig war diese Überzeugungsarbeit bei der Standortfindung für unsere neue Grundschule. Es erfüllt mich mit Stolz, dass wir es trotz vieler Widerstände gemeinsam mit dem Schwalm-Eder-Kreis geschafft haben, eine neue zukunftsweisende Grundschule für unsere Kinder zu errichten. Die Bewertung meiner Leistungen überlasse ich den Bürgerinnen und Bürgern von Willingshausen.


Was ist in Willingshausen inzwischen anders, besser und verändert worden und wo steht die Gemeinde besser da?
BM Vesper: Unsere Gemeinde hat eine hervorragende Infrastruktur. Jungen Familien bieten wir attraktive Spielplätze, Kindertagesstätten und Schule. Leider haben 3 Gaststätten in Wasenberg zu.
Gut ausgestattete Gemeinschaftseinrichtungen in jedem großen Ortsteil für Jung und Alt.

BM Vesper: 1996 kam das Künstlerstipendium, 2005 kam die Kunsthalle. „Künstlerkolonie“ und „Malerkolonie“ werden häufig gebraucht um Willingshausen zu beschreiben. Wie schätzen Sie diesbezüglich die Entwicklung ein? Ist erreicht worden, was erreichbar war?

Willingshausen ist eine der ältesten Künstlerkolonien Europas. Dies ist ein unverwechselbares Allein-stellungsmerkmal, das wir als Gemeinde haben. Der Bau der neuen Kunsthalle im Jahr 2005 war ein entscheidender Schritt um hochwertige Ausstellungen zu zeigen und auch das Künstlerstipendium über all die Jahre zu sichern. Die nächste große Investition mit der grundhaften Erneuerung des Gerhardt-
von-Reutern-Hauses steht bevor. Sie wird den Standort Willingshausen
weiterentwickeln. Wir hatten in 2013 die Jahreshauptversammlung der Vereinigten
Europäischen Künstlerkolonien in Willingshausen. Das hat die Bedeutung und Bekanntheit Willingshausens auf europäischer Ebene weiter verfestigt.


Das Gerhard-von Reutern-Hauses in Willingshausen, rechts die Kunsthalle. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Sehen Sie für Willingshausen unausgeschöpftes kulturtouristisches Potential und was sollte oder könnte dafür in der Zukunft angegangen werden?
BM Vesper: Willingshausen hat sich kulturtouristisch entwickelt und viel Potential entfaltet. Mehr geht immer.


Das Künstlerstipendium hat junge Kunstschaffende, Impulse und finanzielle Fördermittel in den Ort gebracht. Konnten Sie die Weiterführung des Stipendiums absichern?
BM Vesper: Für das Jahr 2022 ist das Künstlerstipendium gesichert. Die Träger dieses Stipendiums entscheiden über den jeweiligen Fortbestand. Ich hoffe jedoch sehr, dass es noch auf lange Zeit bestehen bleibt. Denn es steht für die zeitgenössische Kunst und Zukunft. Das ist wichtig für die Entwicklung des Kunststandortes Willingshausen. Historie allein reicht nicht aus.


Werden Sie weiter in Willingshausen wohnen und auf was und welche Freizeitbetätigung freuen Sie sich am meisten?
BM Vesper: Meine Familie und ich werden weiter in WillingshausenWasenberg wohnen. Ich freue mich, dass ich mehr Zeit für meinen Radsport habe.

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