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Bundesregierung verkürzt Genesenenstatus auf drei Monate, will es aber nicht gewesen sein: Delegation wichtiger Impf- und Fristentscheidungen auf das RKI und das Paul-Ehrlich-Institut

18.01.2022 (pm) Es ist keine Falschnachricht, sonder veranlasst das Netzwerk Kritischer Richter und Staatsanwälte zu einer Eilmeldung, die nachstehend veröffentlicht wird. Mit Wirkung ab dem 15. Januar 2022 wird der Genesenenstatus von bisher sechs auf drei Monate verkürzt. Die Bundesregierung hat diese Entscheidung nicht etwa selbst getroffen, sondern sie bedient sich hierzu eines verordnungsrechtlichen „Verweisungstricks“ auf das Robert Koch-Institut (RKI).

Wie das?

Für viele rechtliche Regelungen ist es ein entscheidender Anknüpfungspunkt (Tatbestandsmerkmal), ob jemand im Rechtssinne eine „geimpfte“ oder „genesene“ Person ist; z.B. auch für die einrichtungsbezogene Impfpflicht gemäß § 20a Infektionsschutzgesetz.

Wann und wie lange jemand eine „genesene“ Person ist, wurde bisher unmittelbar in der „Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV)“ geregelt.

Dort hieß es in der bis Freitag, 14. Januar 2022 geltenden Fassung
in § 2 Nummer 4:
„eine genesene Person [ist] eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises ist,“
und in § 2 Nummer 5:
„ein Genesenennachweis [ist] ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrundeliegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist und mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt“.

Hieraus lässt sich der bisher geltende Sechs-Monats-Zeitraum ablesen.

Am 14. Januar 2022 gab es nun einschneidende Veränderungen dieser Verordnung, die am Tag nach der Verkündung, also am 15. Januar, in Kraft getreten sind.

Dazu muss man wissen: Schon bisher war es rechtlich äußerst zweifelhaft, dass solche Regelungen, die eine extrem weitreichende Auswirkung auf die Grundrechtsausübung haben, nur in einer Verordnung der Regierung, statt in einem Parlamentsgesetz getroffen werden. Im Parlament gibt es mehrere Lesungen eines Gesetzes, Ausschussberatungen, Anhörungen und vieles mehr, so dass wichtige Regelungen öffentlich diskutiert werden (auch wenn die vergangenen Monate gezeigt haben, dass man selbst wichtige Parlamentsgesetze in einem undemokratischen „Schweinsgalopp“ beschließen kann). Eine Verordnung kann die Regierung demgegenüber in den meisten Fällen „still und leise“ ändern.

In diesem Fall kommt aber eine Tatsache hinzu, die – man soll den Begriff nicht inflationär verwenden, aber hier erscheint er sogar noch als zu schwach – absolut skandalös ist. Denn die Bundesregierung, deren verfassungsrechtliche Legitimation für eine solche Regelung ohnehin schon zweifelhaft war (s.o.), delegiert diese jetzt einfach weiter an das Robert Koch-Institut. Das ist gleich zur Tat geschritten und hat den Status auf drei Monate verkürzt:

Nach der neuen Nummer 5, ist ein Genesenennachweis:
„ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entspricht:

a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion,

b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Infektion erfolgten Absonderung,

c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf“.

Ruft man den Link auf, heißt es dort:
Fachliche Vorgaben für Genesenennachweise, mit Wirkung vom 15.01.2022:

Ein Genesenennachweis im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung muss aus fachlicher Sicht folgenden Vorgaben entsprechen:

a) Die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion muss durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt sein
UND
b) das Datum der Abnahme des positiven Tests muss mindestens 28 Tage zurückliegen
UND
c) das Datum der Abnahme des positiven Tests darf höchstens 90 Tage zurückliegen.

Diese Vorgaben werden regelmäßig überprüft und können sich gemäß Stand der Wissenschaft ändern.“

So kann die Bundesregierung über ihre Weisungsmöglichkeit an das RKI die Basis für die Grundrechtsentzüge definieren, ohne diese nach Außen verantworten zu müssen. Änderungen sollen also offensichtlich weder im Bundesgesetzblatt noch im Bundesanzeiger, sondern auf einer Internetseite erscheinen. Gerichte und Behörden werden Screenshots speichern müssen, um zu wissen, wann was galt. Änderungen sind jederzeit möglich.

Ein absurder Zustand, wenn man die Tragweite der Regelung bedenkt. Entgegen dem Anschein, der sich aus der bisherigen medialen Berichterstattung ergibt, geht es nicht nur um eine Regelung zu Quarantäne-Zeiten, sondern um sämtliche infektionsschutzrechtliche Einschränkungen, die daran anknüpfen, dass eine Person geimpft oder genesen ist und zur Beantwortung dieser Frage auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung verweisen.

Die Verkürzung des Genesenenstatus ist praktisch in jeder Hinsicht dramatisch, zum Beispiel in Bezug auf die Impfpflicht im Gesundheitswesen. Schließlich hätten genesene Pflegekräfte den bisherigen Zeitraum ausschöpfen können, ohne sich impfen lassen zu müssen. Dieser Zeitraum wird nun halbiert. Noch mehr Pflegekräfte, die sich keiner Impfung unterziehen wollen, drohen aus dem Dienst auszuscheiden. Die Pflegekatastrophe wird so nochmals verschärft, statt das Gesundheitswesen zu entlasten.

Ob und unter welchen Bedingungen zumindest ein Bestandsschutz für den eigentlich sechsmonatigen Zeitraum für diejenigen besteht, die bereits zum 15. Januar 2022 einen Genesenenstatus hatten, ist unklar.

Will die Bundesregierung die Wut der durch Impfungen Geschädigten und derjenigen, die ihre wirtschaftliche Existenz verlieren, auf das RKI umlenken, um später, wieder einmal in Deutschland, sagen zu können: Wir haben es nicht gewusst? Die Wissenschaft war es?

Auch in Bezug auf „geimpfte“ Personen, d.h. den künftigen Verlust des Impfschutzes, die sog. Auffrischimpfungen und Impfintervalle, wurde übrigens nun das gleiche Regelungssystem gewählt. Nach dem neuen § 2 Nummer 3 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung darf nun das Paul-Ehrlich-Institut im Benehmen mit dem RKI diese Regelungen bezüglich der Impfung treffen. Auch hierfür wird also nicht der Gesetzgeber, nicht die Regierung, sondern wieder eine Internetseite zuständig sein.

Ruft man die genannte Internetseite auf, findet man dort allerdings an dieser Stelle noch ein Schweigen bezüglich der aktuell zentralen Fragen:

„Hinweis  Derzeit sind noch keine Angaben zu Auffrischimpfungen und entsprechenden Intervallzeiten veröffentlicht.“

Bei Rechtsverordnungen haben alle Gerichte eine eigene Verwerfungskompetenz und -pflicht, wenn sie diese für verfassungswidrig halten. Dies ist anders als bei formellen Gesetzen, für deren Prüfung allein die Verfassungsgerichte zuständig sind. Durch die hier besprochene Verordnungsänderung wird der Inhalt von Vorschriften, die extrem bedeutsam sind für die Ausübung von Grundrechten und auch für ihre Beschränkung bzw. ihren Entzug, an die genannten Einrichtungen delegiert. Es wird zu prüfen sein, ob dies noch mit Verfassungsrecht vereinbar ist. Hierzu ist jede Richterin und jeder Richter in Deutschland berufen. Auch die Beamtinnen und Beamten sollten die auf der Hand liegende Frage der Verfassungsmäßigkeit im Rahmen ihrer Remonstrationspflicht prüfen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich auf diese Normen keinerlei Bescheide, Bußgeldbescheide oder Urteile mehr stützen lassen.

Dies gilt erstens wegen der bereits bekannten Problematik der Bestimmtheit von Normen angesichts solcher Blankettvorschriften und Verweisungsketten. Zweitens ist es höchst zweifelhaft, ob der verfassungsrechtliche Grundsatz „nulla poena sine lege scripta (keine Strafe ohne geschriebenes Gesetz) erfüllt ist (Art. 103 Abs. 2 GG), wenn zur Schaffung von Ordnungswidrigkeitstatbeständen lediglich auf eine dynamische(!) Internetseite verwiesen wird. Dieses – soweit ersichtlich bislang nicht gelöste – Problem hat sich bereits bei der Ausweisung ausländischer Risikogebiete durch das RKI und der hieran anknüpfenden Verpflichtung zur Quarantäne von Reiserückkehrern gestellt.

Es ist daher unverantwortlich, dass die Bundesregierung diesen verfassungsrechtlich zweifelhaften Zustand schafft. Hunderttausende, vielleicht sogar mehrere Millionen Maßnahmen werden auf diesen Regelungen beruhen. Sollten sie Gerichte als verfassungswidrig bewerten, werden diese Maßnahmen rechtswidrig sein und die diesbezügliche Behördentätigkeit zum Erliegen kommen.

Quellen:

Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022:

https://www.bundesanzeiger.de/pub/publication/yW2hBRkcEPpvCQIb8IT/content/yW2hBRkcEPpvCQIb8IT/BAnz%20AT%2014.01.2022%20V1.pdf?inline

Begründung: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/MantelVO_SchAusnahmV_und_CoronaEinreiseV_mit_Begruendung.pdf

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