Steigende Militarisierung trotz volkswirtschaftlicher Auswirkungen der Corona-Pandemie
22.01.2022 (pm) Auch wenn die Pandemie z. T. starke Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt hatte, nahm in der Mehrzahl der Staaten welt- und europaweit die Militarisierung im Vergleich zum Vorjahr zu. Zu diesem Ergebnis kommt der Globale Militarisierungsindex (GMI) 2021 des BICC (Bonn Interantional Centre for Conflict Studies), der alljährlich das relative Gewicht und die Bedeutung des Militärapparats von Staaten ins Verhältnis zur Gesellschaft als Ganzes setzt. Als „Jubiläumsausgabe“ beleuchtet der GMI 2021 zudem die globale und regionale Entwicklung von Militarisierung über die vergangenen 20 Jahre und kommt auch hier zu dem Schluss: Seit 2019 geht es aufwärts mit der Militarisierung.
Die zehn Länder, die im GMI 2021 den höchsten Militarisierungsgrad aufweisen, sind Israel, Oman, Aserbaidschan, Kuwait, Armenien, Saudi-Arabien, Brunei, Bahrain, Singapur und Russland. Diese Staaten stellen dem Militär im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Bereichen besonders viele Ressourcen zur Verfügung.
„Der GMI 2021 gibt eine noch genauere Einschätzung der Militarisierungsdynamiken als zuvor, da er zum ersten Mal nicht nur die Platzierung im Index, sondern auch die Veränderung des GMI-Wertes im Vergleich zum Vorjahr angibt (ΔGMI)“, erläutert Autor Dr. Markus Bayer. Während sich etwa Israel wie auch in den Vorjahren auf Platz 1 hält, dabei aber eine geringe Militarisierungstendenz aufweist (ΔGMI-Vergleichswert von 3,6), zeigen einige andere Länder aus der Spitzengruppe wie Oman (Platz 2, ΔGMI-Wert 31,5), Kuwait (Platz 4, ΔGMI-Wert 25,1) und Brunei (Platz 6, ΔGMI-Wert 28,1) eine starke Militarisierungstendenz gegenüber Vorjahr. „Bei den genannten Ländern im Mittleren und Nahen Osten hängt dies meist mit einem größeren Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder mit kostspieligen Käufen schwerer Waffensysteme zusammen“ , schätzt der Autor ein.
Die weltweit stärkste Militarisierungstendenz weist Aserbaidschan auf. Im Ranking stieg es von Platz 12 (GMI 2020) auf Platz 3 (GMI 2021). Sein ΔGMI-Wert liegt 2021 bei 54,5. Auch Armenien gehört nach wie vor zu den Top 10 (Platz 5, ΔGMI-Wert 1,4). In seiner Analyse verweist Markus Bayer auf den 2020 eskalierten militärischen Konflikt der Kaukasusstaaten um Nagorny Karabach: „Beide Länder rüsteten in den vergangenen Jahren merklich auf und investierten 2020 4,9 (Armenien) bzw. 5,4 Prozent (Aserbaidschan) Prozent des BIP in ihr Militär. Lieferanten waren neben Russland auch Israel und die Türkei.“
Regionale Schwerpunkte: Europa und Subsahara Afrika
Ein regionaler Schwerpunkt des GMI 2021 liegt auf Europa. Unter den weltweit Top 20 befinden sich die beiden EU-Mitglieder Griechenland (Platz 14) und Zypern (Platz 15) sowie Russland (Platz 10) und die Ukraine (Platz 16). „In diesem regionalen Fokus wird ein Gesamttrend des GMI 2021 besonders deutlich: Trotz des Absinkens des weltweiten BIP in Folge der Covid 19 Pandemie wenden Staaten in absoluten Zahlen und im Verhältnis zur Wirtschaftleistung mehr Ressourcen für das Militär auf“, erklärt Markus Bayer. „Auch Deutschland ist davon nicht ausgeschlossen“, fügt der Autor hinzu. Es rangiere dank seiner starken Volkswirtschaft zwar nur auf dem 103. Platz des GMI. Im Jahr 2020 investierte es aber mit 52,76 Milliarden US-Dollar 3,75 Milliarden US-Dollar mehr in seine Streitkräfte als im Vorjahr. Gemessen am BIP bedeutet dies eine Steigerung von 1,3 auf 1,4 Prozent.
Ein weiterer regionaler Fokus liegt auf Subsahara Afrika. Insbesondere in Westafrika verschlechterte sich die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren dramatisch. „So rangieren unter den subsaharischen Top 10 neben relativ stabilen Länder wie Botswana, Namibia, Mauretanien, Angola, Gabun und Guinea-Bissau auch Staaten mit aktuellen Gewaltkonflikten wie Tschad, Südsudan und Mali“, fasst Markus Bayer zusammen.
Globale und regionale Entwicklung von Militarisierung in 20 Jahren
Der zweite Teil des „Jubiläums-GMI 2021“ betrachtet die globale und regionale Militarisierung der letzten beiden Jahrzehnte, für die Forscher:innen des BICC seit 2000 Daten erheben. Bis auf ein Zwischenhoch im Jahr 2005, sinkt die Militarisierung bis 2018 zunächst kontinuierlich. „Es ist das Anwachsen sowohl der Weltbevölkerung und als auch der globalen finanziellen Mittel, die im GMI den Anteil des militärischen Sektors von 2000 bis 2018 geringer werden lässt“, erklärt Markus Bayer.
Dies bedeutet jedoch keine „echte Demilitarisierung“, wie die absolute Steigerung der Militärausgaben im Bezugszeitraum belegt (SIPRI 2020). So lautet Markus Bayers Fazit: „Seit 2019 hat sich dieser Trend wieder umgekehrt. In den letzten zwei Jahren ist weltweit eine steigende Militarisierung zu beobachten, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die dem Militär zugewiesenen Ressourcen nicht nur absolut, sondern auch relativ steigen.“
Der GMI 2021 umfasst 153 Staaten und basiert auf den aktuellsten vorliegenden Zahlen, in der Regel sind das die Daten des Jahres 2010. Der Index wird durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.