Medien-Rundschau: Wie sich die USA nun in ihr vermutlich größtes Abenteuer begeben
Anmerkungen zur Osterweiterung der Nato, ihrer Motivation und ihren Folgen
Die Frage danach, ob fehlende Berechenbarkeit zu Krieg führt, ist erneut nicht mehr unbegründet. Denn „ein Mehr als der, ‚bloße‘ Vorgang des Kampfes“ (…) ist die „erkennbare Disposition zum Kämpfen, solange, wie keine Gewissheit des Gegenteils vorliegt“.1 Zielstrebiges Vordringen der Nato bis an Russlands westliche und südliche Türschwellen bekräftigt dies.
Diese Befürchtung leitete bereits die sowjetische bzw. die russische Seite mit Beginn der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen am 5. Mai 1990. Außenminister Schewardnadse:
Für uns ist die Nato, was sie immer war, ein uns gegenüberstehender militärischer Block mit einer Doktrin von bestimmter Ausrichtung und unter Voraussetzung der Möglichkeit, den ersten nuklearen Schlag zu führen. (…) Wenn man versuchen sollte, uns in Dingen, die unsere Sicherheit betreffen, in die Enge zu treiben, so wird dies – ich sage das ganz offen – eine Situation herbeiführen, in der unsere politische Flexibilität jäh beschränkt wird. Die Emotionen bei uns werden hochkochen, in den Vordergrund werden die Gespenster der Vergangenheit rücken, und die nationalen Komplexe, die in den tragischen Kapiteln unserer Geschichte wurzeln, werden wiederaufleben. (…) Nichts ist vereinbart, bevor nicht alle Aspekte der Regelung abgestimmt sind, bevor nicht eine vollständige Interessenbalance gefunden ist.
Aus: Hans-Dietrich Genscher, Erinnerungen, Siedler Verlag, 1995, S. 775.
Jener Verdacht bestätigt sich.
Die „Protektoratsmacht“ USA (Egon Bahr)2 will nicht nur Russland als Großmacht einer multipolaren Welt dauerhaft entmachten. Ihr geht es um mehr: Die USA bereiten Ihre Stellungen für und in einer von ihnen deklarierten „Ära neuer Großmachtrivalität“, einer „Era of Renewed Great Power Competition“.3 Deren Austragungsort sind zwei Kontinente, Europa und Asien, oder: Eurasien.