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Rund 4000 Menschen bei Mahnwache für den Frieden in Marburg

Rund 4000 Menschen hatten sich am 26. Februar 2022 zur Mahnwache für den Frieden vor dem Erwin-Piscator-Haus versammelt, um ein Ende des Kriegs zu fordern und Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zu zeigen. Foto Patricia Grähling

27.02.2022 (pm/red)  Rund 4000 Menschen haben sich am Samstag in Marburg zu einer Mahnwache des Friedens versammelt, wird von der Stadtverwaltung mitgeteilt. Wie in vielen anderen Städten in Deutschland, in Europa, in Russland selbst und in aller Welt forderten auch die Menschen in Marburg ein sofortiges Ende des Krieges in der Ukraine und setzten ein Zeichen für Frieden und Solidarität.

Ausdrücklich begrüßte der Oberbürgermeister auch die Marburgerinnen, die aus der Ukraine und aus Russland stammen, und die zahlreichen ukrainischen und russischen Studierenden in Marburg, zur Mahnwache gekommen waren: „Danke, dass auch Sie hier sind. Und dass Sie sagen: ,Nein zum Krieg. In Marburg stehen wir zusammen.“ Diese Botschaft zeigten viele Anwesende auf Schildern und Plakaten: Aufrufe zum Frieden waren dort zu sehen, geschrieben Blau-Gelb, die Farben der ukrainischen Flagge, oder auf Regenbogen-Hintergrund, versehen mit Friedenszeichen wie der Taube.

76 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist wieder Krieg in Europa“, sagte OB Spies. „In dieser Stunde hageln Schüsse, detonieren Granaten in den Straßen von Kiew, und die Menschen verstecken sich in den Bunkern und den U-Bahnschächten. Tausende, vielleicht hunderttausende Menschenleben sind in Gefahr für die Größenphantasie eines zutiefst frustrierten Mannes aus einer alten, längst überkommen geglaubten Zeit“, so Spies weiter, „dafür gibt es keine Entschuldigung und keine Rechtfertigung“.

Krieg kennt keine Sieger

Der Überfall Putins auf das Nachbarland sei kein Krieg der Russinnen und Russen gegen Ukrainerinnen und Ukrainer, sondern ein Verbrechen, der Krieg eines Diktators und seiner Nomenklatura, denen das Schicksal der Menschen, egal wo sie leben, gleichgültig ist“, betonte der Oberbürgermeister und großem Beifall. „Krieg kennt keine Sieger. Krieg kennt nur Verlierer – auf beiden Seiten.“

In Marburg funktioniere das vielfältige Zusammenleben von Menschen aus aller Welt friedlich, frei und demokratisch. „Und wir stehen gemeinsam auf, wenn wir Unrecht sehen, um ,Halt‘ zu sagen“, so Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Unsere Botschaft ist klar: Stoppt diesen Krieg. Stoppt alle Kriege“. Was die Stadt, was Marburg zur Unterstützung der Menschen in der Ukraine tun könne, „werden wir tun“.

Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Elke Neuwohner sprach vor dem Erwin-Piscator-Haus von ihren Begegnungen als Studentin mit Frauen in St. Petersburg. Sie berichtete von dem Mitleid, das diese Frauen ihr, einer damals jungen Mutter von zwei Söhnen, entgegenbrachten: „Denn für sie war ganz präsent, dass Söhne einer Mutter verloren gehen, weil sie zur Armee müssen, weil sie in den Krieg müssen und danach als gebrochene Menschen zurückkommen.“ Dieser Gedanke sei ihr so fern gewesen. „Ich bin wie die meisten mit der trügerischen Gewissheit aufgewachsen, dass für immer Frieden in Europa sein würde. Wir waren uns zu wenig bewusst, was das für ein Luxus ist. Ein europäischer Luxus.“

Die Welt wird nicht von allein besser

Angesichts des Schreckens und der Ohnmacht, „die uns erfüllt, weil es wieder Krieg gibt in Europa“, sei es naheliegend und auch verständlich, wenn man sich gerne ins Private zurückziehen und um sich herum eine heile Welt schaffen möchte. „Das können wir uns aktuell nicht leisten, und wahrscheinlich konnten wir uns das nie leisten“, betonte Elke Neuwohner unter Beifall aus der Menschenmenge. „Diese Woche hat uns gezeigt, dass die Welt von allein nicht besser wird, dass Vernunft sich nicht einfach so durchsetzt, und nichts von dem, was wir lange für selbstverständlich gehalten haben, auch wirklich selbstverständlich ist.“

Marburg wolle dort handeln, wo es als Kommune möglich sei – sich vorbereiten, um Flüchtenden eine sichere Unterkunft zu bieten „und gemeinsam beraten, was wir noch tun können. In dieser Frage sind wir uns völlig einig“, versicherte die Stadtverordnetenvorsteherin.

Für die Friedensbewegung sprach Dr. Anne Maximiliane Jäger-Gogoll vor dem Erwin-Piscator-Haus: „Kriege gehen überall und immer auf Kosten der Zivilbevölkerung, es sind die Schwächsten, die am meisten unter ihnen leiden. Wir sind erschüttert, die Menschen zu Tausenden vor den Kriegshandlungen aus der Ukraine fliehen zu sehen, ihnen sollte jede mögliche Hilfe und Aufnahme entgegengebracht werden“, forderte Jäger-Gogoll. Das Marburger Bündnis „Nein zum Krieg!“ verurteile selbstverständlich die völkerrechtswidrige militärische Invasion Russlands in der Ukraine. „Das Gebot der Stunde heißt: Deeskalation, Rückzug des russischen Militärs und Rückkehr an den Verhandlungstisch“, so Jäger-Gogoll.

Mit einer spontanen Rede trat Svitlana Dyachenko vom Deutsch-Ukrainischen Verein Marburg auf die Bühne, und berichtet – geboren in Russland, aufgewachsen in der Ukraine als Kind ukrainisch-russischer Eltern – sehr emotional von der Situation ihrer Verwandten im Osten der Ukraine. Sie forderte eindringlich Solidarität und Unterstützung der Ukraine und ein sofortiges Ende des Kriegs.

Starke Sehnsucht der Menschen nach Frieden

Als Propst der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck im Sprengel Marburg  sprach Dr. Volker Mantey auf der Mahnwache. „Viel zu lange haben wir überhört, wie Menschen in Russland und in der Ukraine vor genau diesem Krieg gewarnt haben“, so Mantey. „Wir beten für die Menschen in der Ukraine und auch in Russland, die in diesen Krieg gezwungen werden. Die Sehnsucht nach Frieden verbindet uns überall auf der Welt und wird am Ende stärker sein als ein kriegstreibender Diktator.“

Schon zu Beginn der Mahnwache war ein Friedenslicht in Form einer großen Kerze in den ukrainischen Farben entzündet worden. „Das Licht brennt immer noch“, sagte Pfarrer Ulrich Biskamp. Er deute das als hoffnungsvolles Zeichen – und entzündete weitere Kerzen am Friedenslicht, das dann durch die Menge gegeben wurde, um hunderte weitere Kerzen zu entzünden. „Wir glauben an das Licht am Horizont“, sagt der Pfarrer und sprach dann ein Friedensgebet Gebet vor dem Erwin-Piscator-Haus, das das ganze Wochenende in den Farben der Ukraine Blau und Geld beleuchtet ist.

 

 

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