Hessens größtes Planetarium ab November 2024 wieder geöffnet

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Vorbeugen ist besser als Einfrieren – Kulturgutschutz per Notfallverbund in Marburg

Geborgenes Archivgut des Stadtarchivs Köln nach dessen Einsturz im Jahr 2009. Bildquelle Stadt Köln

18.04.2022 (yb) Als im März 2009 das Gebäude des Stadtarchivs Köln als Folge schwerer Fehler bei U-Bahn-Bau einstürzte, waren die Folgen dramatisch. Wesentliche Teile des „Gedächtnisses“ der Stadt in Gestalt sorgfältig archivierter historischer Unterlagen auf Papier und Pergament, Urkunden und Folianten mit gebundenen Schriftzeugnissen drohten für immer verloren zu gehen. In einer einmaligen bundesweiten Rettungs- und Unterstützungsaktion, an der sich die Marburger Archivschule und das Staatsarchiv Marburg beteiligten, ist es gelungen große Teile gefährdeter Archivbestände zu behandeln, konservatorisch zu stabilisieren und damit vor dem Zerfall zu schützen. – Nun war der Einsturz des Archivgebäudes in Köln ein krasser Einzelfall, von dem in Friedenszeiten so leicht kein staatliches oder privates Arvchiv bedroht sein wird.

Hochwasser und  Starkregen bedrohen Archivbestände

Dass es gleichwohl latente Bedrohungen für die Bestände von Archiven und auch Bibliotheken gibt, haben die Hochwasser-Katastrophen im Sommer 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen offenbar werden lassen. Sie haben nicht alleine verheerende Schäden an denkmalgeschützten Gebäuden, sowie in Kommunal und Kirchenarchiven verursacht. In einer vorläufigen Bilanz etwa fünf Regalkilometer Schriftgut in Archiven, Behörden und Gerichten“ als beschädigt mitgeteilt. Die betroffenen Unterlagen mussten schnell geborgen, eingefroren und anschließend aufwändig in Spezialverfahren getrocknet werden, um sie zu retten.

Im Fall der Fälle und bei überschaubaren Mengen gefährdeten Archivguts in Papierform ist mithin das Einfrieren ein probates Mittel zur Verhinderung von Zerfallsprozessen. Das dosierte Auftauen und anschließende Schutzbehandlung ermöglichen eine sukzessive Wiederherstellung betroffener Archivalien.

Am 12. April 2022 kamen Vertreter zahlreicher einschlägiger Institutionen zur gemeinsamen Unterschrift unter eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit als „Notfallverbund“ in Marburg am Hessischen Staatsarchiv zusammen. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Mehr Sicherheit für Marburger Kulturgüter

Marburg ist nicht alleine wegen der Philipps-Universität und mehrerer Forschungsinstitute eine Stadt des Wissens und der Überlieferung. Es gibt zahlreiche öffentliche und private Archive, in denen überliefertes geronnenes Wissen in Gestalt verschiedenartiger Archivalien und einmaliger Kulturzeugnisse bewahrt wird. Die Archivschule zur Ausbildung akademischer ArchivarInnen in Deutschland hat am Friedrichsplatz in Marburg, vis à vis vom Hessischen Staatsarchiv ihren Sitz und Gebäude ihres Wirkens. Ohne zu Übertreiben lässt sich Marburg mithin als Stadt der Überlieferung geronnenen Wissens bezeichnen. Sie ist weit überregional bedeutend für die Bewahrung, Erschließung und Publikation von historischen Archivgütern.

Angeführt von der Universitätsbibliothek Marburg und dem Hessischen Staatsarchiv, sind das Herder-Institut, Archiv der Philipps-Universität, Stadtarchiv Marburg, das Hessische Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Landesamt für Denkmalpflege Hessen – Außenstelle Marburg, zu nennen. Hinzu kommen die Stiftung Deutsches Adelsarchiv und weitere private Archive, sowie öffentliche und private Sammlungen.

Nicht nur Überschwemmungen bedrohen Kulturgüter im Lahntal

Ende Januar 2021 gab es in Teilen Mittelhessens, etwa in Büdingen, massive Überschwem>mungen. Im Mai 2018 drang nach einem Gewitter mit ergiebigen Regenfällen Wasser in den Neubau der Universitätsbibliothek Marburg ein. Im Staatsarchiv Marburg am Friedrichsplatz habe das Wasser bis an die Schwelle zu den Archivmgazinen gestanden, wird mitgeteilt. Damit ist es nicht alleine Übelegungen in den Köpfen der Verantwortliche entsprungen, dass nach vorbereitenden Abstimmungen zwischen den Beteiligten in Marburg – nach dem Vorbild in anderen Bundesländern – jetzt auch ein Notfallverbund unterzeichnet worden ist.

Angela Dorn betont Auftrag gemäß Hessischer Landesverfassung

Verwundern konnte es nicht, dass Angela Dorn als Ministerin für Wissenschaft und Kunst diesen Termin in ihrer Heimatstadt persönlich wahrgenommen hat. In ihrer Ansprache betonte sie: „Mit diesem Notfallverbund leisten die Marburger Einrichtungen einen entscheidenden Beitrag, um den Schutz des ihnen anvertrauten Kulturgutes zu verbessern. Sie rücken dabei über die bereits gepflegte Zusammenarbeit hinaus ein Stück weiter zusammen, um den Auftrag aus Artikel 62 der Hessischen Verfassung zu erfüllen: Dort ist die Aufgabe des Staates verankert, unsere Kultur im besonderen Maße zu sichern und nachhaltig zu schützen.“

Archivdirektor Dr. Johannes Kistenich-Zerfaß und Ministerin Angela Dorn im Gespräch zum Termin der Unterzeichnung des Notfallverbunds am 12. April 2022. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Starkregen, Stürme und Gewitter würden infolge des Klimawandels>immer öfter und heftiger auftreten. Hier könne man sich nicht auf Maßnahmen zur Abmilderung des Klimawandels verlassen. Als konkrete Devise müsse gelten „Vor dem Schaden klug sein!“.

Seit 2021 Arbeitsgruppe zur „Kulturgutrettung“

Deshalb haben Kultureinrichtungen in Marburg Anfang 2021 eine Arbeitsgruppe gebildet, um>im Austausch mit Feuerwehr, Polizei ihre Notfallvorsorge auf eine gemeinsame Grundlage zu stellen, ihre Kräfte als „Kulturgutretter“ zu bündeln und sich gegenseitig effizient unterstützen zu können. Dabei kann es darum gehen, durch Wasser geschädigte wertvolle Buchbestände, Urkunden, Akten und Sammlungsgegenstände in Kulturguteinrichtungen zu bergen und zielgerichtet eine „Erstversorgung“ in die Wege zu leiten.

Eingeübtes, fachgerechtes und beherztes Handeln möglichst vieler Hände soll Totalverlust verhindern und die Kosten einer Restaurierungsenken, wurde mitgeteilt. Als ersten Meilenstein haben zahlreiche Marburger Partnereinrichtungen gebäudespezifische Gefahrenabwehrpläne nach einem abgestimmten Muster erstellt. Für die kommenden Jahre sei die Beschaffung gemeinsamer Notfallausrüstung und Notfallübungen vorgesehen. Denn für den Ernstfall gewappnet zu sein, bedeute vor allem: Üben, üben, und nochmals üben , wurde bei den Ansprachen vor Unterzeichnung der Notfallvereinbarung betont.

Die Notfallvereinbarung zur Retttung von Kulturgütern, hier besonders Archivalien und Bücher, unterzeicnneten im Landgrafensaal des Hessischen Staatsarchivs Marburg Ministerin Angela Dorn, links, Bürgermeisterin Nadine Bernshausen, der Präsident der Philipps-Universität Marburg Prof. Dr. Thomas Nauss, Dr. Christian Schmidt, Verwaltungsleiter des Herder-Instituts,sowie Gottfried Graf Finck von Finckenstein für die Stiftung Deutsches Adelsarchiv. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Zusammenarbeit bei der Rettung von Kulturgut nach Schadensereignissen

Die Stadt Marburg, die Universität und mehrere Einrichtungen, die sich um Kulturgüter kümmern, wollen dies mittels besserer Zusammenarbeit erreichen. Die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn, die Marburger Bürgermeisterin Nadine Bernshausen, der Präsident der Philipps-
Universität Marburg Prof. Dr. Thomas Nauss, der Verwaltungsleiter des Herder-Instituts Dr.
Christian Schmidt sowie Gottfried Graf Finck von Finckenstein für die Stiftung Deutsches
Adelsarchiv  haben im Landgrafensaal des Hessischen Staatsarchivs Marburg eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit bei der Rettung von Kulturgut nach Schadensereignissen unterzeichnet.

Gründungsmitglieder des Verbundes

Neben der Universitätsbibliothek und dem Hessischen Staatsarchiv Marburg als Initiatoren gehören das Archiv der Philipps-Universität, das Stadtarchiv, das Deutsche Adelsarchiv und die Archivschule sowie das Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas, das Herder–Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft, das Hessische Landesamt für geschichtliche Landeskunde sowie die Außenstelle Marburg des Landesamts für Denkmalpflege Hessen zu dem jetzt gegründeten Verbund.

Deutschlandweit gibt es bereits 60 Notfallverbünde

Weitere Einrichtungen und auch private Initiativen sind eingeladen, sich dem Verbund anzuschließen. Deutschlandweit gibt es aktuell etwa 60 solcher Notfallverbünde. Die Marburger Beteiligten hoffen, dass in den kommenden Jahren auch in Hessen ein dichteres regionales Netz solcher Notfallverbünden entsteht – noch weise die Karte weiße Flecken auf, wurde mitgeteilt.
Besser als Einfrieren beschädigter Bestände ist nun einmal die Verhinderung von Schäden als vermeidbare Folge von Schadensereignissen.

 

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