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Familien mit niedrigem Einkommen leiden am stärksten unter Preissteigerungen

21.04.2022 (pm/red) Familien mit niedrigem Einkommen tragen aktuell die höchste Inflationsbelastung, Singles mit hohem Einkommen die geringste – und die Differenz ist deutlich größer als in den Vormonaten: Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben sind die Preise im März 2022 um 7,9 Prozent bzw. um 6,0 Prozent gestiegen, während der Wert über alle Haushalte hinweg bei 7,3 Prozent lag.

Auch für Alleinlebende mit niedrigen, höheren und mittleren Einkommen lagen die Raten mit 6,7 bis 7,0 Prozent im März etwas unterhalb der allgemeinen Preissteigerung. Dagegen sind auch Familien und Alleinerziehende mit zwei Kindern und mittleren Einkommen etwas überdurchschnittlich von der Teuerung belastet: Für diese Haushalte beträgt die Inflationsrate je 7,4 Prozent. Bei Familien mit höherem Einkommen verteuerte sich der haushaltsspezifische Warenkorb weniger stark – um 6,8 Prozent. Die haushaltsspezifische Inflationsrate für kinderlose Paare mit mittlerem Einkommen liegt bei 7,2 Prozent (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version dieser PM, Link unten, und die Informationen zur Methode). Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.* Er liefert monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Personenzahl und Einkommen unterscheiden.

Preissteigerungen als Kriegsfolgen und Coronafolgen

In Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und von weiterhin durch die Corona-Pandemie angespannten Lieferketten stiegen die Verbraucherpreise für alle Haushalte im März so stark wie seit rund 40 Jahren nicht mehr. Der Preisanstieg hat sich zuletzt nicht nur bei den Preistreibern der Vormonate, Haushaltsenergie und Kraftstoffen, sondern auch bei Nahrungsmitteln spürbar beschleunigt. Dabei sind die Unterschiede je nach Haushaltskonstellation und Einkommen erheblich, zeigt der IMK Inflationsmonitor, und sie haben zuletzt deutlich zugenommen: Lag die Differenz im März bei 1,9 Prozentpunkten, waren es im Februar 0,8 Prozentpunkte.

Das liegt daran, dass die aktuell stärksten Preistreiber – Haushaltsenergie, Kraftstoffe und Lebensmittel – unterschiedlich stark durchschlagen: Bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen machen diese drei Komponenten 5,9 Prozentpunkte der haushaltsspezifischen Inflationsrate von 7,9 Prozent aus. Bei Alleinstehenden mit hohem Einkommen entfallen darauf hingegen 3,3 Prozentpunkte von insgesamt 6 Prozent haushaltsspezifischer Teuerung, zeigt die neue Auswertung von IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober und Prof. Dr. Sebastian Dullien, dem wissenschaftlichen Direktor des IMK.

Bei Haushalten mit geringeren Einkommen besonders hohe Betroffenheit

„Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass Haushalte mit geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Haushaltsenergie überproportional belastet sind und auch die Verteuerung der Nahrungsmittel stärker spüren“, schreiben die Forschenden. Dieser Trend dürfte sich weiter verschärfen, da bisher noch nicht alle Preissteigerungen von Haushaltsenergie im Großhandel an die Privathaushalte weitergegeben wurden und zudem die Nahrungsmittelpreise auf den Weltmärkten zuletzt noch weiter kräftig gestiegen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass Gas, Strom, Heizöl und Nahrungsmittel als Waren des Grundbedarfs bei den Ausgaben ärmerer Haushalte sehr stark ins Gewicht fallen, während sie bei Haushalten mit hohem Einkommen und insbesondere bei wohlhabenden Alleinlebenden einen deutlich kleineren Anteil des Warenkorbs ausmachen. Bei Familien mit Kindern und niedrigem bis mittlerem Einkommen schlagen aktuell zudem die hohen Preise für Kraftstoffe relativ stark zu Buche.

Inflationsrate trifft Hauhalte unterschiedlich

Die Inflationsrate bei Paaren ohne Kinder und mittlerem Einkommen wird wiederum auch davon beeinflusst, dass die Preise für Ausgabenposten wie Wohnungsinstandhaltung oder Reisen ebenfalls weiter angezogen haben. Die haushaltsspezifische Inflationsrate bei Alleinlebenden mit geringem Einkommen ist nach der Analyse von Dullien und Tober deshalb noch unterdurchschnittlich, weil solche Güterarten sowie Ausgaben für Kraftstoffe oder Fahrzeugkauf mangels finanzieller Möglichkeiten bei ihnen kaum ins Gewicht fallen.

Eine fortgesetzte Preisexplosion bei der Haushaltsenergie werde aber gerade auch ärmere Alleinstehende empfindlich treffen. Hinzu kommt: Grundsätzlich haben Haushalte mit niedrigem Einkommen ein besonderes Problem mit starker Teuerung, weil sie vor allem unverzichtbare Alltagsgüter kaufen und kaum Spielräume besitzen, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.

Europäische Zentralbank aktuell ohne Einflussmöglichkeiten

Die Europäische Zentralbank (EZB), unter normalen Umständen erste Instanz bei der Kontrolle der Preisentwicklung, sei in der aktuellen Situation, in der fortgesetzte Energiepreisschocks die Inflation treiben, machtlos, betonen die Forschenden. Es sei daher richtig, dass die EZB „an ihrem bedachten Kurs“ festhalte und die Leitzinsen frühestens zum Jahresende etwas erhöhen dürfte. „Damit verhindert sie, dass die Belastung der Preisschübe zusätzlich durch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit erhöht wird“, schreiben Dullien und Tober.

Die Bundesregierung habe in dieser Situation mit ihren beiden Entlastungspaketen Schritte in die richtige Richtung gemacht, attestieren die Forschenden des IMK. Sie dürften „die zu erwartenden Belastungen durch die über dem Inflationsziel der EZB liegende Teuerung weitgehend sozial ausgewogen und zu einem erheblichen Teil“ auffangen.

Entlastungspakete gleichen Preissteigerungen nur teilweise aus

Eine kurz vor Ostern vorgestellte Studie des IMK beziffert die Effekte: Erwerbstätigen-Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen und insbesondere Familien werden danach durch die Pakete substanziell von den Zusatzausgaben für Energie entlastet – und im Verhältnis auch stärker als reichere Haushalte. So summieren sich die Entlastungen bei einer Familie mit zwei erwerbstätigen Erwachsenen, zwei Kindern und einem unterdurchschnittlichen monatlichen Einkommen auf rund 90 Prozent der zusätzlichen Belastungen durch die gestiegenen Energiekosten. Bei einer vergleichbaren Familie mit einem mittleren Einkommen sind es 77 Prozent. Bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern und einem mittleren Einkommen werden 70 Prozent der zusätzlichen Energieausgaben aufgefangen. Bei alleinlebenden Erwerbstägigen mit niedrigen Nettoeinkommen von bis zu 900 Euro werden die Mehrbelastungen durch teurere Energie zu rund 76 Prozent ausgeglichen, bei jenen mit hohen Einkommen von mehr als 5000 Euro zu 44 Prozent.

Generell spürbar geringer fällt allerdings die Entlastung bei Familien aus, in denen nur ein Elternteil erwerbstätig ist. Und Rentnerinnen und Rentner profitieren von den Entlastungspaketen kaum, auch wenn sie sehr niedrige Einkommen haben.

Kommende Monate bringen hohe Zusatzbelastungen

Wie aus dem aktuellen Inflationsmonitor nun hervorgeht, steht der Großteil der Belastungen in diesem Jahr den Haushalten noch bevor. Im Januar und Februar waren die Zusatzbelastungen aus gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreisen noch vergleichsweise gering, sind aber im März deutlich gestiegen. Für die kommenden Monate werden von Dullien und Tober – trotz einer prognostizierten leichten Entspannung bei den Inflationsraten – weiter hohe Zusatzbelastungen erwartet.

Spürbare Lücke bedeutet weiteren Handlungsbedarf

Trotz der insgesamt positiven Einschätzung der Regierungsbeschlüsse sieht das IMK daher weiteren Handlungsbedarf, insbesondere im Falle weiterer Preisschocks: Bei etlichen Haushalten mit geringeren Einkommen bleibe eine spürbare Lücke, betonen die Forschenden, die Politik müsse deshalb bereit sein, noch mehr zu tun, auch damit die soziale Schere nicht noch weiter auseinandergeht.

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