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Naturschützer sehen Alten Botanischen Garten bedroht und starten Petition

01.11.2022 (red) Der Alte Botanischen Garten als Liegenschaft Philipps-Universität Marburg ist im Zuge der Neubauten zwischen dem Gebäuderiegel der neuen Uni-Bibliothek und den Neubauten für Deutschen Sprachatlas, Seminargebäude und Bildarchiv Foto Marburg von hochfrequentierten Gebäudekomplexen eingefasst und bedrängt. Dazu werden von der NABU-Gruppe Marburg kommende bauliche Maßnahmen befürchtet, die für das Kulturdenkmal inmitten der Stadt Konflikte und Schäden nach sich ziehen würden. Mit ihrer Petition „Alten Botanischen Garten als Gartendenkmal und zum Artenschutz erhalten“ zeigen sie Gefahren auf und wenden sich dagegen und an Verantwortungsträger.

„Mit unserer Petition wollen wir erreichen, dass der seit 1884 bestehende Alte botanische Garten, der 1994 als Gartendenkmal anerkannt wurde, in seiner Grundstruktur und seinen bedeutsamen Pflanzen, Kleintieren und Anlagen erhalten wird“ findet sich artikuliert. Die Befürchtungen gehen dahin, dass der Alte Botanische Garten zu einer stark frequentierten Duchgangszone werden wird und dabei Pflanzen und Tiere Schaden nehmen. Die zentralen Forderung der Petition richten dagegen

  • Kein neuer Eingang in den Alten Botanischen Garten an der Südgrenze !
  • Keine Beleuchtung der Wege im Alten Botanischen Garten !
  • Keine Versiegelung der Wege !

Nachstehend wird die an den Petitionsausschuss des Landtags (und weitere Empfänger) adressierte Eingabe vom 29.10.2022 veröffentlicht:

www.nabu-marburg.de

An den
Hessischen Landtag
– Petitionsausschuss –
Schlossplatz 1 – 3
65183 Wiesbaden

Petition an den Hessischen Landtag
Alten Botanischen Garten Marburg als Gartendenkmal und zum Artenschutz erhalten
Die NABU-Gruppe Marburg wendet sich mit dieser Petition an den Hessischen Landtag, um Schaden von dem unter Denkmalschutz stehenden Alten Botanischen Garten in Marburg abzuwenden.
Mit seiner zentralen Lage am Fuße der Marburger Altstadt hat der Alte Botanische Garten eine sehr wichtige Funktion für das städtische Kleinklima, die Erhaltung der Artenvielfalt und einen großen Erholungswert für Marburger Bürger und Bürgerinnen, Touristen und Studierende, – zugleich ist er ein sensibles Schutzgut.
Eigentümerin des Alten Botanischen Garten ist die Philipps-Universität Marburg und damit das Land Hessen.

Im Auftrag der Philipp-Universität wurde das „Parkpflegewerk Alter Botanischer Garten Marburg“ erarbeitet und im Jahr 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt.
In der öffentlichen Debatte wurde immer seitens der Universität erklärt, dass das Parkpflegewerk nur ein Plan sei, – Ausführungspläne gäbe es noch nicht.
Inzwischen sind auf dem benachbarten ehemaligen Brauereigelände neue Einrichtungen der Universität gebaut worden, so auch ein neues Seminargebäude.
Jetzt liegt das Areal des Alten Botanischen Garten zwischen zwei hochfrequentierten Gebäudekomplexen der Universität. Wir haben den Eindruck, dass der Alte Botanische Garten seitens der Universität nur noch als eine beliebige Grünfläche des „Campus Firmanei“ bewertet wird, die der Entwicklung des neuen „Campus Firmanei“ im Weg steht.

Mit unserer Petition wollen wir erreichen, dass der seit 1884 bestehende Alte botanische Garten, der 1994 als Gartendenkmal anerkannt wurde, in seiner Grundstruktur und seinen bedeutsamen Pflanzen, Kleintieren und Anlagen erhalten wird.
Deshalb fordern wir von den Verantwortlichen der Universitätsleitung:
1. Kein neuer Eingang in den Alten Botanischen Garten an der Südgrenze !
2. Keine Beleuchtung der Wege im Alten Botanischen Garten !
3. Keine Versiegelung der Wege !

Weitere Vorhaben aus dem Parkpflegewerk sind unter dem Aspekt des Umwelt- und Klimaschutzes, des Natur- und Artenschutzes und unter Berücksichtigung des Erhalts als Gartendenkmal zu planen und zu realisieren.

Zu 1.: Kein neuer Eingang in den Alten Botanischen Garten an der Südgrenze !
An der Südgrenze des Alten Botanischen Garten soll ein neuer zusätzlicher Eingang geschaffen werden, um das neue Seminargebäude besser an die Universitätsbibliothek anzubinden. Damit würde sich das Passantenaufkommen quer durch den Park jeweils zu Ende eines Seminars wesentlich erhöhen. Die dort einzig noch vorhandene Ruhezone würde zerstört.
Es ist den Studierenden zuzumuten, einen kleinen Umweg von ca. 1 Minute zu machen, um den Garten über die „Behringtreppe“ zu erreichen, oder einen Weg von 3 Minuten zu gehen, um über die kleine Holzbrücke in den Garten zu gelangen oder den Weg über den Pilgrimstein oder durch die Johannes-Müllerstraße zu nehmen, von denen jeweils ein direkter Zugang zur Universitäts-Bibliothek vorhanden ist.

Rodungen an der Südgrenze des Alten Botanischen Garten

Leider wurden im südlichen Grenzbereich des Gartens schon Abholzungen vorgenommen, obwohl in dem vorliegenden Vogelgutachten die Erhaltung der Sträucher und Büsche als dringend notwendig zum Artenschutz erklärt wurde.

Vögel brauchen Rückzugsorte: Sommergoldhähnchen Foto: Christian Höfs

Zu 2: Keine Beleuchtung der Wege im Alten Botanischen Garten !
Den Angaben des Parkpflegewerks zufolge ist nicht nur ein Ausbau der vorhandenen Wege, sondern auch die Installation von Lampen im bisher unbeleuchteten Alten Botanischen Garten geplant.
Eine solche Beleuchtung sollte aus naturschutzfachlicher Sicht genau abgewogen werden. Daher möchten wir auf die aktuelle rechtliche Entwicklung zum Thema Lichtverschmutzung hinweisen und um Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen nächtlicher Beleuchtung bitten.
Am 18.08.2021 wurde das „Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland und zur Änderung weiterer Vorschriften“ beschlossen, in dessen Zusammenhang auch der neue § 41a BNatSchG kommen wird. Das Gesetz wird in Verbindung mit einer Rechtsverordnung explizit zur möglichst natur- und umweltfreundlichen Beleuchtung sowie zur Um- und Nachrüstung der Beleuchtung auf öffentlichen Flächen verpflichten. Diese rechtlichen Grundlagen verdeutlichen die Dringlichkeit, mit der wir uns als Gesellschaft dem Thema Lichtverschmutzung widmen müssen.

Doch auch die bestehende Gesetzgebung (§ 39 BNatSchG, § 22 BImSchG) begründet Pflichten zur Vermeidung schädlicher Immissionen, worunter durchaus auch eine unangepasste und über das notwendige Maß hinausgehende Außenbeleuchtung fällt.
Daher sehen wir an dieser Stelle auch die Kommunen in der Pflicht, die Umsetzung einer möglichst wirkungsarmen Beleuchtung sicherzustellen. Als Werkzeug kann hier z. B. ein städtebaulicher Vertrag (§ 11 BauGB) dienen, in welchem Regelungen zum Schutz vor Lichtverschmutzung festgelegt werden und somit frühzeitig bei der Planung konkreter Vorhaben berücksichtigt werden können. Auch auf der Ebene des Baugenehmigungsverfahrens können entsprechende Vorgaben getroffen werden, um Vegetation, Gewässer und die vorkommenden Tierarten zu schützen.

Nicht zuletzt kann und sollte das Thema Lichtverschmutzung auch bei der Neuaufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen berücksichtigt werden. So definiert § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB den Umweltschutz einschließlich des Naturschutzes ganz klar als einen Grundsatz der Bauleitplanung, im Zuge dessen auch die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen zu beachten sind. Als Maßnahme zum Schutz der Natur sind daher gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB dringend auch Vorgaben zur Reduktion der Lichtverschmutzung in Bebauungsplänen festzusetzen (Huggins, Gärtner, Frank, Hänel 2021: Der Schutz der Nacht als Pflichtaufgabe, Recht der Natur-Schnellbrief 228, ISSN: 0946-1671).

Der „Laufstegeffekt“ – Weg im Alten Botanischen Garten zum Schäferbau

Zahlreiche Studien haben bereits nachgewiesen, dass die nächtliche Beleuchtung deutliche Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen hat. So kann Lichtverschmutzung das Tumorrisiko erhöhen, Zugvögeln die Orientierung nehmen, als Barriere für Fledermäuse oder wandernde Fischarten wirken oder das Nahrungsgefüge in Gewässern verändern.
Auch die sicherlich nicht unerheblichen Stromkosten sollten in Zeiten des Enegiesparens bedacht werden.

Vögel brauchen Rückzugsorte Foto Christian Höfs

Zu 3.: Keine Versiegelung der Wege !
Die Wege sollten entsprechend einem Denkmalcharakter nicht versiegelt werden, sondern nur mit wasserdurchlässigen Materialien erneuert werden.
Der Boden filtert und speichert unser Wasser, ist Lebensgrundlage und Anbaufläche für unsere Nahrung und hat zudem eine klimatische Ausgleichsfunktion. Doch immer mehr Flächen werden versiegelt, zugepflastert und zubetoniert. Die Folgen sind verheerend, denn ist er versiegelt, kann der Boden seine Aufgaben nicht mehr erfüllen. Zum Beispiel können Wassermassen nicht aufgenommen werden. Zudem geht die Fruchtbarkeit verloren, denn Wasser, Sauerstoff und Licht können durch die Versiegelung den Boden nicht mehr erreichen. Auch die Wanderkorridore der Flora und Fauna werden unterbrochen und die Landschaft zerschnitten.
Versiegelte Wege müssten im Winter zur Gehwegsicherung unter Umständen mit Salz bestreut werden. Die Schäden in einem Garten wären gravierend.
Durchschnittlich werden in Deutschland jährlich bis zu 158 Quadratkilometer neu versiegelt.
Wege in einem Alten Botanischen Garten zu versiegeln, halten wir vor diesem Hintergrund für völlig unangebracht. Die Erneuerung der Wege darf unseres Erachtens nur mit wasserdurchlässigen Materialien realisiert werden.

Wir fordern alle Entscheidungsträger auf, sich für den Erhalt des unter Denkmalschutz stehenden Alten Botanischen Garten in Marburg einzusetzen und alle Planungen einer Neugestaltung vor dem Hintergrund der massiven negativen Veränderungen in Umwelt und Natur Rechnung zu tragen.
Dazu gehört auch, vor Ort Planungen im Sinne des Natur- und Artenschutzes zu überdenken und neu zu denken.

Petenten:
1.Hartmut Möller, Mitglied im Vorstand NABU-Gruppe Marburg e.V.
2.Hans Joachim Schäfer, Mitglied im NABU-Marburg e.V.
3. Eberhard Lübbeke, Mitglied im Vorstand NABU Marburg e.V.
4.Elisabeth Ferdinand, Mitglied im Vorstand Nabu-Marburg e.V.
5.Maurice Kerker, Mitglied NABU-Marburg e.V.
6. Anne Michaeli, Mitglied im Vorstand NABU-Marburg e.V.

Verteiler Petition:
Petitionsausschuss des Hessischen Landtag
Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Frau Angela Dorn-Rancke
Präsident der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Nauss
Kanzler der Philipps-Universität Marburg, Dr. Held
Leiter der Botanischen Gärten Marburg. Herrn Dr. Titze
Landschaftsarchitekten Sommerlad-Haase-Kuhli, Gießen
Magistrat der Stadt Marburg, Herrn Oberbürgermeister Dr. Spies
Frau Bürgermeisterin Bernshausen
Untere Naturschutzbehörde
Obere Denkmalschutzbehörde, Herrn Dr. Buchstab
Stiftung Denkmalpflege
Arbeitsgemeinschaft Gartendenkmalpflege (VDL)
Freundeskreis Alter Botanischer Garten Marburg e.V. Fr. Kaufmann
BUND Marburg
NABU-LV-Hessen
Örtliche Presse

Anlagen:

1. Parkpflegewerk Alter Botanischer Garten Marburg – 2018
2. NABU Stellungnahme zum Parkpflegewerk; 3.2.2019
3. Vogelgutachten: Ornithologische Bestandserfassung, Februar 2021

Wegen der umfangreichen Anlagen wird auf die Webseite NaBu Marburg verwiesen, wo die Petition als PDF eingestellt ist.

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