Im ersten Quartal 2024: Konjunkturindikator weiter „rot“
21.01.2024 | Im Wortlaut Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal 2024 eine Rezession durchläuft, ist in den letzten Wochen etwas gesunken, sie bleibt aber auf hohem Niveau. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
Für den Zeitraum von Januar bis Ende März weist der Indikator, der die neuesten verfügbaren Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 56,8 Prozent aus. Anfang Dezember betrug sie für die folgenden drei Monate 68,9 Prozent. Gleichzeitig ist die statistische Streuung im Indikator, in der sich die Verunsicherung der Wirtschaftsakteure ausdrückt, von bereits hohen 19 Prozent im Dezember auf jetzt 20,7 Prozent gestiegen. Das nach dem Ampelsystem arbeitende Konjunktur-Frühwarnsystem zeigt daher, wie in den Vormonaten, „rot“, was für eine akute Rezessionsgefahr steht.
Der moderate Rückgang des Rezessionsrisikos beruht vor allem darauf, dass die Auftragseingänge aus dem Inland an das Verarbeitende Gewerbe zuletzt gestiegen sind und dass die Börsenkurse Ende 2024 zugelegt haben. Beide Trends sollten aber nicht überschätzt werden, erklärt IMK-Konjunkturexperte Dr. Thomas Theobald. Denn die positive Entwicklung bei den Auftragseingängen sei vor allem auf einige Großaufträge zurückzuführen, die üblicherweise die konjunkturelle Grunddynamik weniger gut widerspiegeln. „Und für die Jahresendrallye der Aktienkurse dürfte neben Portfolioumschichtungen vor allem die Hoffnung auf schnelle Zinssenkungen der EZB verantwortlich zeichnen“, sagt Theobald.
Zinssenkungen seien angesichts der schwachen Konjunktur in Deutschland und im Euroraum sowie der klaren Aussicht auf weitere Rückgänge der Inflationsrate zwar absolut angebracht, so der IMK-Experte.
„Aber auch wenn die EZB in diese Richtung rasch entscheidet, kann eine weniger restriktive geldpolitische Ausrichtung ihre Wirkung erst mit Verzögerung entfalten.“
Ungünstig ist zudem, dass die Finanzpolitik ebenfalls in der aktuellen Konjunkturkrise weiter die Wirtschaft bremst, betont der Wissenschaftliche Direktor des IMK, Prof. Dr. Sebastian Dullien. „Die Ausgabenkürzungen und Abgabenerhöhungen, die die Bundesregierung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt auf den Weg gebracht hat, sind für die aktuelle Situation klar die falsche Politik“, so der Ökonom.
Hinzu käme, dass auch in den kommenden Jahren Mittel zur Förderung von Transformationsinvestitionen fehlten und deshalb Unsicherheit bei Haushalten und Unternehmen verstärkt worden sei. „Die Schuldenbremse wird immer mehr zur Investitionsbremse. Es wäre wichtig, dass Regierung und Opposition sich schnell zusammensetzen, um eine Reform des Regelwerkes anzustoßen“, sagt Dullien.
In den IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus der Real- und der Finanzwirtschaft zum jeweils vorliegenden Veröffentlichungszeitpunkt ein. Darüber hinaus berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch reagiert als das Bruttoinlandsprodukt. Der Konjunkturindikator wird monatlich aktualisiert.
—> IMK-Konjunkturprognose: 2024 droht erneute Schrumpfung des BIP