Drohende Verschandelung unserer Wohnidylle – Verlärmung von Naherholung und Kliniken
09.03.2024 Gastbeitrag von Andreas Matusch | Seit dem 26. Februar 2024 wird Marburg von einer Serie Negativnachrichten heimgesucht. Man kann den investigativen Journalisten der Lokalpresse nur danken, dies ans Tageslicht gebracht zu haben. Die Stadtverwaltung plant offenbar seit Jahren komplett hinter dem Rücken der Bürger neue Bausünden.
Planungen für drei Großwindräder zwischen Ronhausen und Wolfshausen
Am 26. Februar 2024 berichtete die Oberhessische Presse über die Wiederaufnahme der Planungen für drei Großwindräder zwischen Ronhausen und Wolfshausen. Man sei sich nach Marburg nun auch mit der Gemeinde Weimar (Lahn) handelseinig geworden, ergo auch mit den Flächeneigentümern. Am 4. März erfuhr man, die liebliche Feldflur im Eselsgrund – der Vorgarten nicht nur der Cappler – solle durch Freiflächen-Photovoltaik zugestellt werden.
Damit ist Hitzestau im Sommer statt kühler Brise vorprogrammiert. Am 5. März kam die Industrieerweiterungsfläche Görzhausen IV ins Spiel. Entgegen der Darstellung würden die angegebenen 24 Hektar überhaupt keinen Platz für einen Schutzwald zum Wohngebiet lassen. Der Raum zwischen Calderner Landstraße (L3092) und Ortslage Dagobertshausen wäre komplett ausgefüllt. Schließlich kam der größte Knaller am 08. März herein.
7 Großwindräder mit 50 MW und 175 m Nabenhöhe auf die Lahnberge ?
Auf die Lahnberge sollen 7 Großwindräder mit einer Gesamtleistung knapp über 50 MW und 175 m Nabenhöhe. Mit diesen Angaben kann es sich nur um Vestas V172 EnVentus mit 7,2 MW Nennleistung und 172 m Rotorradius und somit einer Gesamthöhe von 261 m handeln. Nebenbei bringen die 5 Anlagen am Bürgeler Gleichen je weit über 1500 Liter brennbare und wassergefährdende Betriebsflüssigkeiten ins dortige Trinkwasserschutzgebiet bzw. den Wald.
Das Gros der Fläche selbst ist Laubwald. Nur in den Südteil reicht Nadelwald, der sich als brennbare Brücke bis zum Klinikum zieht. Die zwei Anlagen am Lichter Küppel liegen bekanntlich nur 1 km vom Wohngebiet im Pommernweg, Badestube usw. Schließlich droht immer noch mit schlappen 250 m Höhe das Eitelrädchen am Brunkel in gerade einmal 520 m Abstand zum nächsten Gebäude der Behringwerke. Zur räumlichen Orientierung sind all diese Bauflächen in der Karte anbei eingezeichnet.
Massive Minderung des Wohn- und Freizeitwerts für Anlieger
Diese Industriebauten werden zu einer massiven Minderung des Wohn- und Freizeitwertes unzähliger Bürger und Gäste führen. Liebliche Idylle von Waldlichtungen, Streuobstwiesen und blühender Feldhecken, den Anmut alter Laubwälder gleich Kathedralen, ruhige warme Abende am Waldrand, während die Sonne hinter den westlichen Hügeln untergeht, wird es so nicht mehr geben.
Durch die Verlärmung und das ständige Pfeifen der Rotoren wird der Aufenthalt im Klinikum Lahnberge und in der Klinik Sonnenblick zur Tortur, sobald man vor die Tür tritt für erste Gehversuche auf den Balkonen oder letzte Ausfahrten im Rollstuhl. Jedem der es noch nicht erlebt hat, sei wirklich einmal angeraten, sich einige Stunden im Umfeld eines Großwindrades aufzuhalten. Es ist für die meisten sehr anders als sie sich das vorgestellt haben.
Marburg ist längst eine tiefe CO2-Senke
Marburg ist längst nicht nur CO2-neutral, sondern eine tiefe CO2-Senke, rechnet man ein, dass ein Fünftel der Weltbevölkerung von Marburg mit Impfstoffen versorgt wird. Denn Krankenversorgung bedingt enorme CO2-Emmissionen. Gerade die Pneumokokkenimpfung älterer Menschen bedingt große CO2-Einsparungen.
Wenig bekannt, befindet sich in den Behringwerken Hessens zweitgrößter Erdwärme- und Erdkältestandort mit einer Jahresproduktion von 3,1 Mio KWh – immer genau dann, wenn sie gebraucht werden. Zwar wird eine V172 auf den Lahnbergen ca. 12 Mio KWh im Jahr liefern, größtenteils aber wenn sie nicht gebraucht werden und sie wird nicht einmal fortgeleitet werden können.
Die Länge aller Starkwindphasen, die 50% der Ernte im Jahr ausmachen, beträgt zusammen nur 66 Tage (für eine V150 bei 6,1 m/s Durchschnittswindgeschwindigkeit, aus Weibullverteilung der Windgeschwindigkeiten und Leistungskennlinie der Anlage). Der Großteil davon entfällt auf die Winterstürme. Weit zuvor erwächst aus der Impfstoffproduktion und der Forschungstradition ein enorm gutes Karma. Dieses wird durch derartige Landschaftsverschandelung in den Dreck gezogen.
Brutalistische Planungen zeugen von absoluter Ignoranz
In Ruhe bei einigen Schritten im Freien mit den Gedanken schwanger gehen über eine mathematische oder naturwissenschaftliche Fragestellung wird für die gut 5.000 Naturwissenschaftler nebst Studenten auf den Lahnbergen der Vergangenheit angehören. Diese brutalistischen Planungen zeugen von absoluter Ignoranz gegenüber Ästhetik und Harmonie der Natur und menschlichem wissenschaftlichen Geiste. Auf die Lahnberge gehören naturnahe Wohngebiete, aber keine gigantischen Lärm- und Dreckschleudern.
Es ist die dritte Lehre aus 1933-1945, dass nie wieder Wissenschaftler durch proletische Existenzen vergrault, verfolgt, oder gar vernichtet werden dürfen.