Nach Bürgervotum zu MoVe 35: Wie kann es weitergehen mit dem Verkehr in Marburg
12.06.2024 (pm/red) Der Bürgerentscheid zu MoVe 35 liegt jetzt als Ergebnis mit einer Mehrheit in Marburg gegen die Zielstellung einer Halbierung des Pkw-Verkehrs vor. Damit ist eine vermeintliche oder tatsächliche Kernfrage zunächst abgestimmt und mehrheitlich entschieden worden. Wie jedoch etwa die Entwicklung und ein wünschenswerter Ausbau „anderer Verkehrsmittelnutzungen weiterhin verfolgt wird“ bleibt damit offen und unbeantwortet. Viele Anliegen und Aufgaben zur Gestaltung der Stadtverkehre und Prioritäten für Fußgänger, Radfahrer, Busnutzer und Autofahrer in der Stadt werden weiter und kontrovers diskutiert.
Das Votum mit 52 zu 48 Ablehnung wird zunächst einmal recht verschieden interpretiert. „Jetzt wird es doch erst richtig interessant“ meint Stadtrat Henning Köster und teilt mit, dass er als langjähriger Aktivist der Verkehrswende und Mitbegründer der BI keineswegs als Niederlage betrachten würde. In seiner Deutung haben „fast 20.000 MarburgerInnen für eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs“ gestimmt. Das ist ebenso zutreffend wie eine (Um-)Interpretation die glatt übergeht, dass mehr als 20.000 Stimmen dagegen ausgezählt wurden.
„Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es trotz der erfreulichen Unterstützung durch viele zivilgesellschaftliche Initiativen leider nicht gelungen ist, die Mehrheit der Wahlberechtigten in der Stadt von diesem Ziel zu überzeugen“ wird seitens der GRÜNEN mitgeteilt. Es sei zur Kenntnis zu nehmen, dass die „Stadtgesellschaft in diesem Punkt gespalten ist“.
Indem bezüglich der mehrheitlich abgelehnten „Halbierung der zurückgelegten Wege mit dem Auto“, ein Bürgervotum vorliege, komme in Sicht, „dass die Stadtverordnetenversammlung entscheiden muss, welchen Zielwert zur Reduzierung des Autoverkehrs sie stattdessen zugrunde legt.“ So lautet eine Mitteilung und Einschätzung aus dem Rathaus. Also nach dem Volk (Bürgerentscheid) in Zukunft wieder und weiter gewählte Volksvertreter. Ein weitere Beteiligung der Marburger und der Ortsbeiräte steht dabei sicher in Aussicht.
Von Wirtschaftsrepräsentanten der IHK Kassel-Marburg wird das Ergebnis begrüßt. Es habe sich dabei gezeigt, wie gespalten die Stadtgesellschaft in dieser Frage sei. Es müsse jetzt darum gehen, dass „sich alle Akteure an einen Tisch setzen, um gemeinsam eine Mobilitäts- und Verkehrsstrategie für eine lebenswerte und klimafreundliche Stadt zu entwickeln, die auch den Bedürfnissen der regionalen Wirtschaft gerecht wird.“
Udo Diehl, Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Marburg: „Es kommt aber darauf an, die entsprechenden Stellschrauben wirtschaftsverträglich zu drehen. Eine gute Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Auto ist eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort.“ Von schlechter Erreichbarkeit und weniger Parkplätzen profitiere der Online-Handel und die Nachbarstädte.
„Dass in den Außenstadtteilen die Halbierung des Autoverkehrs mehrheitlich abgelehnt wurde offenbart das Grundproblem des Verkehrskonzepts MoVe 35″, gibt Anna Hofmann, Kreisvorsitzende Die LINKE, zu bedenken. „Während sich vornehmlich auf die Ausgestaltung des Verkehrs in der Kernstadt konzentriert wird, wird die Erreichbarkeit der Stadt von den ländlichen Stadtteilen und Gemeinden aus auf das sträflichste vernachlässigt.“
Dies führt zur Forderung, dass Marburg einen massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs brauche, damit die Außenstadtteile und die Kreisgemeinden besser an die Kernstadt angebunden werden. „Dazu braucht es nicht nur einen besseren Busverkehr, sondern auch eine Regio-Tram nach nordhessischem Vorbild, die Stadt und Land verbindet.“
Über viele Fragen und Anliegen wie es weitergehen kann mit dem Verkehr in Marburg, wurde durchaus nicht abgestimmt. MoVe 35 – oder allgemein formuliert die Anliegen und Probleme zum Straßenverkehr in der Stadt – bleiben Thema und Herausforderung.