Ausbilden statt Abschieben – Unverständnis und Forderung nach Rückholung
14.06.2024 (pm/red) Während des laufenden Schuljahres wurde am 3. Juni von der Polizei der neunzehnjährigen Schüler Serhat Ü. aus einer Gemeinschaftsunterkunft in Stadtallendorf abgeholt um ihn in die Türkei abzuschieben. Er war auf dem Weg zu den Kaufmännischen Schulen in Marburg. Dort besucht er eine Intensivklasse zur sprachlichen Vorbereitung auf seine Berufsausbildung.
Vor zwei Jahren ist Serhat im Alter von 17 Jahren nach Deutschland geflüchtet. Er hatte zwar kein Visum für die Einreise, aber gute Gründe für seine Flucht aus der Türkei als Kurde mit Angst vor lebenslanger Diskriminierung. Er musste schon als Dreizehnjähriger die Schule abbrechen und auf dem Bau und in der Landwirtschaft Geld für den Lebensunterhalt der Familie verdienen.
Dass in Deutschland Fachkräfte fehlen war ihm bekannt und er wollte sich hier eine Zukunft als Handwerker aufbauen. Am 1. August sollte er eine Berufsausbildung zum Maler und Lackierer beginnen. Sein künftiger Chef hatte ihn wegen seiner besonderen handwerklichen Begabung ausgewählt. Dazu hatte schon zwei Praktika im Betrieb erfolgreich absolviert. Aber die Ausländerbehörde hat ihm keine Arbeitserlaubnis für die Berufsausbildung erteilt.
Die Zentrale Ausländerbehörde in Gießen, eine nachgeordnete Behörde des Innenministeriums, habe schon länger durchblicken lassen, dass für sie Abschiebung Vorrang vor Berufsausbildung hat, berichtet der Cölber Arbeitskreis Flüchtlinge, der sich für seinen Verbleib einsetzt. Dabei wollte Serhat zudem einen ausgesprochenen Mangelberuf ergreifen. Sein Chef finde keinen anderen Azubi, und so gehe es zahlreichen Firmen in Marburg, wird informiert.
Ausbilden statt Abschieben – Serhat zurück nach Marburg
Seine Lehrerinnen und Lehrer haben zwei Jahre pädagogischer Arbeit investiert, um seine Deutschkenntnisse so zu verbessern, dass er in der Berufsausbildung mithalten kann. Ab dem 1. August hätte er Steuern und Sozialabgaben bezahlt und wäre dem deutschen Staat nicht auf der Tasche gelegen. Jetzt droht ihm der türkische Militärdienst. Als Kurde könnte er in der Armee sogar gegen seine eigenen Landesleute eingesetzt werden.
Zahlreiche Unterstützer können nicht verstehen, warum für die hessischen Behörden Abschiebung wichtiger war als die Ausbildung eines jungen Facharbeiters. Diese Fehlentscheidung muss rückgängig gemacht werden, lautet die Forderung: „Serhat gehört zu uns nach Marburg. Er braucht unsere Solidarität.“
Kundgebung Donnerstag, 20. Juni – 13.00 Uhr vor den Kaufmännischen Schulen Marburg, Leopold-Lucas-Straße 19